Der Architekt Ferdinand Eichwede (1878-1909)

Von Birte Rogacki-Thiemann

Eduard Karl Ferdinand Eichwede wurde am 18. Juni 1878 in Hannover geboren. Er war der einzige Sohn von Christian Robert Julius Eichwede (1853-1936) und Helene Eichwede, geb. Hauers (1854-1922). Beide Eltern stammten aus angesehenen hannoverschen Familien und erwirtschafteten im Laufe ihres Lebens ein beträchtliches Vermögen. Christian Eichwede hatte selbst Architektur studiert und ist an der Polytechnischen Schule Hannover in den Jahren von 1871 bis 1873 sowie 1878/79 nachweisbar und war hier ein Schüler von Conrad Wilhelm Hase (1818-1902) und Ludwig Debo (1818-1905). Gleichzeitig war er aber vor allem Teilhaber an verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen wie der Saline Georgshall in Linden sowie der „Gürtlerei und Hofbronzefabrik Bernstorff und Eichwede“, aus der viele hannoversche Bildwerke stammen, so beispielsweise das Ernst-August-Denkmal vor dem hannoverschen Bahnhof. Das Stammhaus der Familie Eichwede befand sich in der Königstraße neben dem Produktionsgelände dieser Firma.

Sein Abitur machte Ferdinand Eichwede 1897 an der hannoverschen Leibnizschule, und schrieb sich anschließend zum Sommersemester 1897 an der Technischen Hochschule Hannover im Fach Architektur ein. Seine Lehrer waren die hannoverschen Architekten Heinrich Köhler (1830-1903), Hubert Stier (1838-1907) und insbesondere Karl Mohrmann (1857-1927), der im Weiteren Eichwedes Mentor und Förderer wurde. Dass Ferdinand Eichwede vielseitig schöpferisch begabt war, zeigen zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Skizzen, aber auch Fotografien in seinem Nachlass. Noch während seines Studiums im Herbst 1899 bot Karl Mohrmann ihm die Mitarbeit an einem Werk über die Romanische Baukunst an, das er herausgeben wollte. Ferdinand Eichwede wurde somit schon früh auch wissenschaftlich tätig. Auf zahlreichen Reisen holte er sich Anregungen und überredete Mohrmann schließlich dazu, das ursprünglich auf die romanische Kunst zielende Werk in eine Veröffentlichung zur „Germanischen Frühkunst“ zu erweitern. Ferdinand Eichwede legte im Dezember 1901 sein Diplom „mit Auszeichnung“ ab und begann anschließend mit einer Doktorarbeit über die Baugeschichte des Kaiserstiftes in Königslutter, die 1903 eingereicht wurde. Hauptprüfer war Professor Hubert Stier, als Korreferent fungierte der Kunstgeschichtsprofessor Heinrich Holtzinger (1856-1940). Im Februar 1904 wurde Eichwede schließlich zum Doktor der Ingenieurwissenschaften promoviert. Zwischen 1906 und 1907 erschienen die Bände „Germanische Frühkunst“, herausgegeben von Mohrmann und Eichwede, mit 120 Tafeln berühmter europäischer Bauwerke. 1907 schließlich wurde an der Königlich Technischen Hochschule in Hannover eine neue Dozentur für „Altchristliche und frühmittelalterliche Kunst“ eingerichtet und Ferdinand Eichwede auf diese berufen.

Mit Abschluss seines Studiums wurde Ferdinand Eichwede zudem auch bauschaffend tätig. Seinen ersten Auftrag erhielt er zum Jahreswechsel 1902/1903 durch den überaus begüterten Bergbaudirektor Georg Ebeling (1853-1925), der sich von ihm die bis heute herausragende Villa an der Tiergartenstraße (derzeit Hindenburgstraße) 42 im hannoverschen Zooviertel entwerfen und erbauen ließ. Dieses außergewöhnliche Erstlingswerk eines 24-Jährigen Berufsanfängers ist ein Gesamtkunstwerk und sowohl in der Architektur als auch in der Innenraumgestaltung und darüber hinaus mit dem umliegenden großen Garten nebst Remise und Brunnen komplett von Eichwede entworfen worden. Das Bauwerk entspricht dabei nicht dem sonst eher üblichen und im Zooviertel des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert besonders beliebten Typus der neobarocken Villa mit italienischen Einflüssen oder dem Stil der Neorenaissance, sondern ihr liegt ein neoromanisches Gerüst zugrunde, das gekennzeichnet ist durch blockartige Steinquader, Rundbögen und viele architektonische Details wie Türme, Risalite, Loggien und Balkone. Die Fassaden sind zusätzlich geschmückt durch weitere Schmuckformen, Mosaike, insbesondere figürliche Darstellungen und Motive der nordischen Mythologie wie Drachen, Fabelwesen, Ritter sowie geometrische Muster und Flechtwerke an Brüstungsfeldern und Gesimsen. Die reichhaltige phantasievolle Gestaltung setzt sich auch in den Innenräumen fort: Hier finden sich Mosaikfußböden, Gewölbe, Wandmalereien, Marmorverkleidungen, hölzerne Vertäfelungen mit Schnitzwerk, kassettierte Decken und Stuck in verschiedensten Ausformungen.

Mit dem Pfund dieses Erstlingswerks war Eichwede anschließend ein gefragter Architekt, vor allem für vergleichbare Villen im hannoverschen Zooviertel, das sich zwischen 1865 und 1914 als gehobenes Wohnviertel für das wohlhabende Bürgertum etablierte. Hier arbeitete Eichwede nach 1904 schwerpunktmäßig und war parallel an vielen Projekten mit unterschiedlicher Stil- und Materialausbildung beschäftigt. 1903 und 1904 war der später als hannoversche Stadtbaumeister tätige Oskar Barnstorf (1878-1943) als Mitarbeiter im Büro Eichwede tätig, ab 1904 übernahm Ernst Franz Hoffmann (1881-1948) dann diese Stelle. Bis heute gut überkommen sind weitere Villen und villenartige Reihenhäuser im Zooviertel von Ferdinand Eichwede, zum Beispiel die Villa an der Lüerstraße 2, die nur kurze Zeit nach der Villa Ebeling fertig wurde.

1904 entwarf Eichwede für sich und seine Familie ein eigenes Wohn- und Bürohaus aus dunklem Backstein in der Seelhorststraße 16, in das er mit seiner Frau Margarete Dreyer (1878-1939) und den Töchtern Gerda (geb. 1904) und Ingrid (geb. 1905) im Jahr 1905 einzog. Wie schon in der Villa Ebeling war auch in diesem Haus nahezu alles – von der Fassade über Fußböden, Wände, Innenausstattung wie Treppen und Kamin bis hin zu Möbeln – von Eichwede persönlich entworfen. Die beiden anschließenden Reihenhäuser (Seelhorststraße 18 und 20), jeweils in individueller Formgebung gestaltet und im Wesentlichen durch die Verwendung von Backstein als vorherrschendem Material stilistisch miteinander verbunden, entstanden zwischen 1906 und 1908. Sie wurden vom Architekten vermietet und erst nach seinem Tod verkauft. Zur Gruppe dieser ab 1905 entstandenen Reihenvillen aus der Feder von Ferdinand Eichwede gehören auch die beiden im Westen entlang der Ellernstraße stehenden Bauten (Seelhorststraße 14, Ellernstraße 11), von denen der südliche durch einen in Backstein gestalteten Staffelgiebel auffällt.

1907 beauftragte sein erster Auftraggeber, Georg Ebling (für den Eichwede zwischenzeitlich auch einige Bauten in Kalibergwerksgebieten Thüringens errichtet hatte), ihn mit dem Bau des familieneigenen Mausoleums auf dem Stadtfriedhof Engesohde. Eichwede entwarf einen quadratischen Bau aus Sandsteinblöcken, dessen offene Ostseite von zwei kannelierten Säulen getragen wird, während die Westseite in einer halbrunden Apsis ausläuft. Die beiden Fassadenfiguren des Mausoleums stammen vom Bildhauer Hugo Lederer (1871-1940), das prächtige Apsismosaik wurde von Hermann Schaper (1853-1911) gestaltet und von der Berliner Firma Puhl und Wagner ausgeführt, die um 1900 die bedeutendste und größte deutsche Firma in der Herstellung von Glasmosaiken und Glasmalereien war. Den Entwurf für die bronzene Grabplatte und die mit kleinen Kassettenfeldern gestaltete Decke des Innenraums stammt von Eichwede, der hannoversche Bildhauer Theodor Maßler (1844-1910) fertigte hierfür Gipsmodelle an. Das Mausoleum Ebeling gehört bis heute zu den aufwändigsten und prachtvollsten Grabmalen des Stadtfriedhofs Engesohde.

Außerhalb von Hannover entstanden zudem zwei unterschiedliche Landhäuser: So ist im Döhrbruch 106 (heute im Stadtteil Hannover-Bemerode gelegen) das Landhaus Kayser erhalten, ein eher bescheidener Bau aus dem Jahr 1904, während der sogenannte Haghof in Isernhagen neben dem großen herrschaftlich anmutenden Wohnhaus auch noch verschiedene Nebengebäude umfasste und so einen fast gutshofartigen Charakter besitzt. Das Wohnhaus selbst steht weit von der Straße zurückgesetzt auf einem sieben Hektar großen Grundstück am östlichen Ende der Kircher Bauerschaft und ist eines der wenigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Umfeld Hannovers erbauten herrschaftlichen Landhäuser. Ferdinand Eichwede entwarf es für sich selbst und seine Cousine Alma; durch seinen frühen Tod im Jahr 1909 erlebte er die Fertigstellung dieses Bauwerks allerdings nicht mehr.

Eichwedes zahlreiche Reisen nach Skandinavien, Großbritannien, Irland, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Italien, Tunesien, Ägypten, die Türkei und Russland haben sicher viel zu seinem außergewöhnlich vielfältigen und phantasievollen Stil beigetragen. Mindestens einmal im Jahr reiste Eichwede zudem seit seiner Kindheit nach Borkum, wo er ab 1908 das Haus für den Badearzt Franz Anton Ferdinand Kok in der Strandstraße 26 entwarf, das ebenfalls erst nach seinem Tod fertiggestellt wurde und das einzige Gebäude von Eichwede ist, das komplett in Backstein errichtet wurde. Der Journalist und Publizist Robert Breuer (1878-1943) schrieb 1910 zu diesem Gebäude: „Jedenfalls: das Haus auf Borkum macht [deutlich, dass] dieser Architekt […] zu dem Problem des Architektonischen hindurchgedrungen (was keineswegs jedem, der da baut, beschieden ist) [war], er hatte Aufgabe und Material, Tektonik, Raum und Rhythmus regieren gelernt.“

Das Borkumer Haus wie auch die letzten Gebäude des Haghofs und das Mausoleum Ebeling wurden von Franz Hoffmann fertiggestellt, der Eichwedes Büro nach dessen Tod abwickelte. Ferdinand Eichwede verstarb mit nur 30 Jahren in der Nacht auf den 1. Mai 1909; seine Urne wurde am 6. Mai im Erbbegräbnis der Familie Hauers auf dem Stadtfriedhof Engesohde beigesetzt. Eine Gedenktafel an der 1910 ebenfalls von Franz Hoffmann für die Familie Christian Eichwede errichteten Grabstätte erinnert an ihn.

 

Zum Weiterlesen:

  • F. Rudolf Vogel: Das Villen-Quartier beim Zoologischen Garten in Hannover, in: Deutsche Bauhütte (1. Jhg.) 6/1897, S. 2
  • Aus dem künstlerischen Nachlass von Dr.-Ing. Ferdinand Eichwede – Architekturen, Reisestudien, Radierungen und Handzeichnungen, Berlin 1910 (Ernst Wasmuth), Vorwort Robert Breuer
  • Birte Rogacki-Thiemann: Der Architekt Ferdinand Eichwede (1878-1909), in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4/2020, S. 88-95
  • Birte Rogacki-Thiemann: „Er trank die Welt in sich hinein“ – Der Architekt Ferdinand Eichwede (1878-1909) und die Villa Ebeling, Hannover 2021

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