Werner Johannsen und seine Sakralbauten im ländlichen Niedersachsen
Einführung
Im Sommer 2019 führte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege zusammen mit der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover eine Nachqualifizierung des Denkmalverzeichnisses bezüglich des Bestandes der Sakralbauten, die nach 1945 im Landkreis Osnabrück, im Südwesten von Niedersachsen, errichtet wurden, durch. Insgesamt wurden dabei 16 Kirchen und sakrale Räume, erbaut zwischen 1945 und 1990, in drei Bereisungskampagnen in Augenschein genommen. Auffällig dabei war, dass sechs dieser Kirchen von ein und demselben Architekten entworfen und realisiert wurden: Werner Johannsen. Kein anderer Architektenname tauchte im Zusammenhang mit dem evangelischen Kirchenbau im Landkreis Osnabrück so häufig auf. Werner Johannsen entwarf und baute sakrale Bauwerke für die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers vor allem im ländlichen Bereich im Südwesten und Westen von Niedersachsen sowie im Münsterland in Nordrhein-Westfalen.
Chronologischer und geographischer Überblick über die Sakralbauten Werner Johannsens
So prominent seine Bauwerke in der genannten Region auch sind, so wenig ist bisher über die Person Werner Johannsen bekannt. Er wurde am 4. Juni 1913 geboren, wohl in Ellerbeck bei Bissendorf, östlich der Stadt Osnabrück. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er nach Osnabrück und gründete mit Dr. Gerd Lüers eine Architektengemeinschaft, die über zwanzig Jahre bis 1969 bestand. Erste ausgeführte Entwürfe evangelischer Kirchbauten sind von Werner Johannsen ab den frühen 1950er Jahren bekannt. Insgesamt wurden von ihm zwischen 1950 und 1970 im ländlichen Raum 13 sakrale Bauwerke realisiert. Die sechs Kirchen aus den 1950er Jahren lassen sich wie folgt chronologisch einordnen: Apostelkirche in Osnabrück/Sutthausen (1952/53), St.-Thomas-Kirche in Bohmte (1955), St.-Petrus-Kirche in Gretesch-Lüstringen (1956/57) sowie die König-Christus-Kirche in Georgsmarienhütte/Oesede (1956-58). Für die 1960er Jahre sind folgende Bauwerke überliefert: St.-Matthäus-Kirche in Osnabrück (fertiggestellt 1961), Kirche Johannis der Evangelist in Bramsche (1961), St.-Michaelis-Kirche in Diepholz (1961-63), die Auferstehungskirche in Georgsmarienhütte/Oesede (1962/63), St.-Johannis-Kirche in Belm/Vehrte (1963/64), St.-Petrus-Kirche in Quakenbrück (1965), das Lukas-Familienzentrum in Osnabrück (1965) sowie die Paul-Gerhardt-Kirche in Unna/Königsborn (1969/70). Der Entwurf der St.-Markus-Kirche in Dörenthe kann in die 1960er Jahre eingeordnet, jedoch auf kein Jahr spezifiziert werden, da der Entwurf undatiert ist. Daraus ergibt sich eine geographische Verteilung des Baubestandes mit sechs Kirchen im Landkreis Osnabrück zwischen Quakenbrück im Norden und der Stadt Osnabrück im Süden, drei in der Stadt Osnabrück, einem Sakralbau im Landkreis Diepholz, der östlich an den Landkreis Osnabrück angrenzt sowie zwei außerhalb Niedersachsens in Dörenthe bei Ibbenbüren und Unna/Königsborn bei Dortmund. Neben diesen Bauwerken gibt es noch vier weitere Entwürfe von Werner Johannsen, die in den Raum Niedersachsen eingeordnet werden können: ein Gemeindezentrum in Eydelstedt (1965) sowie ein weiteres Gemeindezentrum in Wetschen (1958) und die Kreuz-Kirche in Hülfe-Heede (1961), alle drei im Landkreis Diepholz, sowie ein weiteres Gemeindezentrum in Sögel (1965) im Landkreis Emsland. Die Entwürfe der Gemeindezentren in Eydelstedt und Sögel wurden wohl jedoch nicht ausgeführt. Die Kirche in Hülfe-Heede und das Gemeindezentrum in Wetschen sind ausgeführt worden, jedoch weichen diese von den Entwürfen in einigen Aspekten erheblich ab. Hier fehlt noch weitere Grundlagenarbeit, um die beiden Werke auch gesichert Werner Johannsen zuschreiben zu können.
Aspekte zur Architektur und Qualität der Kirchenbauten Werner Johannsens
Baulich zeigt sich, dass Werner Johannsen – dem protestantischen Kirchenprogramm der Zeit entsprechend – die Kirchen zusammen mit den Pfarrhäusern und Gemeindezentren als ein Gesamtkonzept ausführte. In den Entwürfen der Kirchenbauten fällt auf den ersten Blick auf, dass der Architekt bestimmte Elemente immer wieder aufgreift – wie das Gliedern der Baumassen, die Wahl des Glockenturmes als entweder freistehender Turm mit spitzpyramidenförmigem Turmhelm oder als eingezogener, über 30 Meter hoher Turm, in allen Ausführungen mit Back- oder Natursteinverkleidung sowie die Nutzung der Eigenfarbigkeit der Materialien für eine unmittelbare Wirkung auf den Betrachter.
Drei der Kirchen sind mittlerweile ins Verzeichnis der Kulturdenkmale Niedersachsens aufgenommen:
Evangelisch-lutherische König-Christus-Kirche in Georgsmarienhütte/Oesede
Die König-Christus-Kirche liegt erhöht im Süden von Oesede, unmittelbar östlich einer kleinen Straße in einem Siedlungsgebiet. Aufgrund der bewegten Topographie ist der über 30 Meter hohe Turm einer der höchsten und weithin sichtbaren Punkte in der Gegend. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gab es in Georgsmarienhütte und anderen Gemeinden in der Nähe nur sehr wenige evangelische Christen. Erst mit dem Ende des Krieges kamen viele evangelische Flüchtlinge in die Region und nach Oesede. Die Gründung der selbstständigen König-Christus-Gemeinde im Jahr 1959 bildete den Abschluss der Einrichtung einer neuen Pfarrgemeinde für die wachsende Bevölkerung von Georgsmarienhütte, denn Baubeginn der Kirche war bereits im Jahr 1956. Die Einweihung erfolgte am 26. Oktober 1958. Das qualitätvoll gestaltete, bruchsteinverkleidete Bauwerk ist über unregelmäßigem Grundriss angelegt. Neben der großen Hallenkirche mit eingezogenem Glockenturm wurde auch das Gemeindehaus gemäß Gesamtkonzeption in den Baukörper mit einbezogen. Es erfuhr 2008/09 eine Erweiterung nach Norden.
Die Wirkung des zeittypisch gestalteten Innenraumes als große Halle mit breitgelagertem Altarraum wird durch das Licht und die Lichtführung geprägt. Das Licht – wesentliches Element in der christlichen Liturgie – dringt durch die östliche Längswand ein (der Kirchenbau ist genordet), die nahezu vollständig verglast ist, und durchflutet den Innenraum. Auf figürliche Motive wurde bei der Gestaltung der Fenster verzichtet. Neben all der Lichtfülle ist auch die Farbwahl der Glasfenster auf den Raum so abgestimmt, dass sie Geborgenheit und Wärme vermittelt. Der Glasfront im Süden liegt ein kleines Fensterband im oberen Bereich der lichtarmen Nordseite gegenüber.
Diese Raumwirkung wird durch die erhaltene Ausstattung noch gesteigert. Zentrales Element ist die große Altarwand, ein Relief aus Marmor, das Szenen aus dem Leben von Jesus Christus zeigt. Die Innenraumgestaltung, wie die gefaltete Decke, die Fensterfront und das kleine Fensterband ist auf die Altarwand hin ausgerichtet und lenkt den Blick des Betrachters auf dieses Bildwerk. Die Bronzeelemente, darunter das künstlerisch gestaltete Portal, stammen vom Osnabrücker Bildhauer Willi Witte, der vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die sakrale Kunst im Sprengel und Bistum Osnabrück erheblich prägte.
Evangelisch-lutherische St.-Petrus-Kirche in Quakenbrück/Neustadt
„Am 27.November 1966, dem 1. Advent, wurde in Quakenbrück-Merschland, auf dem Gelände des früheren Fliegerhorstes, die St. Petrus-Kirche eingeweiht. [… ] Das Bauwerk selbst ist gelungen. Es steht im Mittelpunkt des Merschlandes und zieht die Aufmerksamkeit von weitem schon auf sich. Die Raumgestaltung der Kirche ist mustergültig. Die dort Versammelten sind in sich eine große Familie, eine Familie, als die sich die Bewohner des Merschlandes fühlen. Es ist bewunderswert, in welch kurzer Zeit die Kirche entstand. […] Sie ist Mittelpunkt und Ort der Sammlung, der Erbauung, der Freude und des Trostes. […]“. Mit diesen Worten äußerte sich Bürgermeister Aloys Geers 1966 in der Festschrift anlässlich der Einweihung der neugebauten St.-Petrus-Kirche in Quakenbrück. Die Kirche liegt im Stadtteil Neustadt, inmitten einer ehemaligen Kasernenanlage. Die Kirche wurde nach Grundsteinlegung am 20. September 1965 errichtet und anlässlich des Beginns des neuen Kirchenjahres am 1. Advent 1966 eingeweiht.
Nach Norden wird die Kirche über einen Verbindungsbau, der die Sakristei, den Küsterraum und einen Jugendraum aufnimmt, mit dem 30 Meter hohen Glockenturm verbunden, welcher erst nachträglich im Bereich des Glocken- und Uhrengeschosses mit Kupfer verkleidet wurde. Städtebaulich nimmt die Kirche die Fluchtlinien des Pfarrhauses auf. Vorgezogen, aber in gleicher Achse steht der Turm weithin sichtbar. Zur umgebenden Bebauung zeigt sich der architektonisch qualitätvolle, mit roten Handstrichsteinen verblendete Baukörper als Zentralbau – nach ersten Recherchen ist dies wohl der einzige Zentralbau von Johannsen.
Der Innenraum der St.-Petrus-Kirche – ein gleichseitiges Viereck – wird von kreisförmig angeordneten Säulen getragen. Diese Kreisform, im Bereich der Bestuhlung untermauert durch den Verzicht auf einen Mittelgang und Ausführung zweier Gänge, die den beiden Eingängen zugeordnet sind, wird in der Laterne und im Lichtband inmitten des Raumes wieder aufgenommen. Durch das Lichtband wird der Innenraum mit Tageslicht versorgt und schafft gemeinsam mit der Ausstattung eine harmonische Ausstrahlung und Wirkung.
Halbkreise sind weiterhin in der Anordnung des Gestühls und der Apsis zu erkennen, die den wesentlichen Ort, den Altar auf kreisförmigem Podest, umrahmen. Diese Rahmung des zentralen Geschehens – der Feier der Eucharistie – wird zudem durch die Ausstattung erreicht, vor allem durch die verglaste Apsis, die aus 132 farbigen Betonwabensteinen besteht, weiterhin aber auch durch die Kanzel, das Taufbecken, das Lesepult, das Kruzifix und den Leuchter, letztere in Bronze durch den überregional bekannten Künstler Heinz Heiber aus Nürnberg ausgeführt. Von ihm stammt auch die Eingangstür des Zugangs vom Vorhof her, wo der Künstler an den großen, viereckigen Türgriffen den Fischzug des Petrus aus dem Lukasevangelium abbildet und somit auch Bezug auf das Patrozinium der Kirche nimmt. Die Prinzipalstücke sind ursprünglich so zueinander angeordnet, dass sie das gestaltete Kreuz rahmen. Die Buntglasfenster rechts im Kirchenraum wurden vom für den Kirchenbau der Nachkriegsjahre wichtigen und wegweisenden Künstler und Glasmaler Heinz Lilienthal aus Bremen geschaffen, mit dem Werner Johannsen bei vielen seiner Kirchbauten zusammengearbeitet hat. Sie wurden inhaltlich als Kreuzwegstationen konzipiert.
Evangelisch-lutherische St.-Michaelis-Kirche in Diepholz
Das zentrale Thema der Vielfältigkeit der Bevölkerung in der Nachkriegszeit begegnet uns auch bei der Ausgestaltung des Kirchenraumes in Diepholz. Im Rahmen der Grundsteinlegung am 21. Januar 1962 wurde eine Urkunde beigefügt, die auf die Notwendigkeit einer neuen Kirche an dieser Stelle eingeht:
„[…] Durch die Wiederbelegung des Flugplatzes im Jahre 1956 wuchs die Kirchengemeinde Diepholz in kurzer Zeit um über 2000 Seelen. Im Südwesten der Stadt entstand ein neuer Ortsteil in entsprechend moderner Bauart. In Wahrnehmung der hier erwachsenden geistlichen Aufgaben beschloß der Kirchenvorstand alles zu tun, um den von überall her nach Diepholz Übersiedelten eine neue kirchliche Heimat zu schaffen. Gleichsam als geistige Mitte soll nun in diesem Stadtteil ein Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindesaal, Kindergarten und den nötigen Jugendräumen entstehen. Im Zusammenwirken mit Konsitorialbaumeister Prof. Dr. Dr. Witt in Hannover wurde ein Raumprogramm erarbeitet. Architekt Werner Johannsen BDA in Osnabrück gestaltete dafür den Bauentwurf, der die Zustimmung der maßgeblichen kirchlichen und staatlichen Stellen fand. […]“
Städtebaulich eingebunden zwischen Lüderstraße, Vossen Reitweg und einem Bauernhof im Süden, wurde die Kirchenanlage harmonisch mit einer vom Gartenarchitekten Nolte aus Osnabrück gestalteten Grünfläche eingebunden. Aus der Gebäudegruppe erhebt sich der vor dem Ostgiebel der Kirche und aus der Achse verschobene Turm 36 Meter in die Höhe. Unter der Glockenstube wurden Decken in mehreren Geschossen des Turmes eingezogen. Der dadurch entstandene Raum war für Jugendräume vorgesehen. An den Turm schließt direkt der einschiffige, basilikale Kirchenbau an. Errichtet wurde die Kirche zwischen 1961 und 1963. Ihre Einweihung fand am 14. Juli 1963 statt, die Bildung der St.-Michaelis-Gemeinde war am 1. Januar 1964 abgeschlossen. Sämtliche Gebäude, darunter auch die nach Norden anschließenden Gemeinde- und Jugendräume, der im Osten gelegene Kindergarten und das Pfarrhaus im Norden wurden aus roten Handformbacksteinen errichtet und fügen sich, akzentuiert mit weißen Fenstern und Betonmaßwerkelementen, in die Bebauung der Lüderstraße ein. Beherrscht wird der Raum, wie bereits in Georgsmarienhütte/Oesede, von der monumentalen Altarrückwand, welche aus zusammengesetzten, polymorphen Marmorfragmenten besteht, die aus dem Marmorbruch von Dyckerhoff und Neumann in Villmar stammen, ebenso wie auch das Material des Taufsteins und des Altars. Trotz ihrer großen Anzahl wirken die Marmorstücke durch ihre Farbgebung ruhig und einheitlich zusammen. Die Altarrückwand war nicht nur als Hintergrund für das Altarkreuz des Gold- und Silberschmiedes Hermann Jünger aus Taufkirchen bei München gedacht: es beinhaltete selbst ein Programm in sich, da hiermit das menschliche Spektrum dargestellt werden soll, das erst aufgrund der Eigenheiten, Beschaffenheiten, Farbigkeiten, Größen und individuellen Gestaltungen zu einem Ganzen zusammenwirkt.
Auf die Altarrückwand und den zentralen Ort der Liturgie – den Altar – ausgerichtet, trifft von Süden durch ein großes, bodentiefes Betonglasfenster mit schräggestellten Scheiben Licht und sorgt für den entsprechenden Eindruck beim Betrachter. Dieses Fenster wurde wiederum gestaltet von Heinz Lilienthal aus Bremen, der auch für die Eingangstür verantwortlich zeichnet. Die Tür mit Bronzerahmen nimmt die Gestaltung der Altarrückwand mit Marmorfragmenten auf. Lilienthal gestaltete auch die hochgelegenen Lichtbänder, die die weitere Lichtführung innerhalb der Kirche erzeugen, die darauf abgestimmt ist, den Besucher nicht zu blenden. Ergänzend vermitteln die Bleiglasfenster in der Nordwand und die farbigen Fenster der Taufkapelle den Eindruck eines geschlossenen, harmonischen Kirchenraums.
Nicht ins Verzeichnis aufgenommen wurde dagegen die evangelisch-lutherische Kirche St. Johannis der Evangelist in Bramsche/Gartenstadt . Diese liegt an städtebaulich wichtiger Stelle inmitten der sogenannten Gartenstadt, im Osten der Stadt Bramsche. Mit der Errichtung der Neu- bzw. Gartenstadt reagierte Bramsche auf die Folgen der Industrialisierung und den Bevölkerungszuwachs aufgrund des vielfältigen Arbeitsplatzangebotes. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem folgenden Flüchtlingszustrom bot der Stadtteil Raum und Möglichkeit für eine Unterkunft oder gar ein Eigenheim. Zur 1961 gegründeten St. -Johannis-Kirchgemeinde gehörten vor allem Vertriebene, die in den ehemaligen deutschen Gebieten im Osten ihre Heimat verlassen mussten.
Der Kirchenneubau wurde bereits 1960 wohl auf dem Gelände ehemaliger Flüchtlingsbaracken begonnen und konnte am 15. Oktober 1961 eingeweiht werden. Der einschiffige Klinkerbau ist über unregelmäßigem Grundriss angelegt, der Glockenturm steht südwestlich vor dem Kirchenschiff.
Innerhalb eines Gesamtkonzeptes schafft Werner Johannsen hier eine gelungene städtebauliche Einbindung der Kirchenanlage in die umgebende Bebauung, vor allem durch die Freiflächengestaltung, bestehend aus einer platzartigen Ausweitung des Vorplatzes, der Pflasterung und des Baumbestands.
Fazit
Die Kirchen von Werner Johannsen entsprechen formal-inhaltlich dem Rummelsberger Programm von 1951, das das Kirchenbauprogramm der Nachkriegszeit darstellt. Das geänderte Verhältnis zwischen Gesellschaft und Kirche machte Veränderungen im protestantischen Kirchenbau der Nachkriegszeit notwendig. Nicht mehr Repräsentation bzw. repräsentative Erscheinungsbilder standen im Mittelpunkt der Entwürfe, sondern der Gottesdienst und die Verkündigung des Wortes Gottes. Demzufolge trumpft der Außenbau bei den Bauten von Werner Johannsen nicht auf, zeigt lediglich die elementaren Bauteile und architektonischen Grundformen, wie Kubus, Dach und Turm, die harmonisch zusammenwirken. Während sich die Architektur im Äußeren zurücknimmt, liegt der Fokus auf dem Innenraum, dem zentralen Ort der Gottesdienstfeier, auf den die Gestaltung ausgerichtet ist. Die „lebendige Kirche“, wie sie das Rummelsberger Programm benennt, und das damals aktuelle Thema der Vielfalt der Gesellschaft äußern sich baulich in der Bildung von neuen, lebendigen Gemeindezentren, die konzeptionell und architektonisch mittels Gesamtanlagen und deren Gebäudegruppierung von Kirche, Pfarrhaus und Gemeindezentrum umgesetzt werden. Im Innenraum werden diese Aspekte mit Hilfe des Raum- und Bildprogramms betont.
Für den ländlichen Raum im nordwestdeutschen Bereich, in dem Werner Johannsen tätig war, ist vor allem die Zusammenarbeit zwischen Architekt, Künstler und Gartenarchitekt auffällig. Für die evangelisch-lutherischen Kirchen zeigen sich häufig ähnliche Konstellationen in der Zusammenarbeit, die sich etabliert haben, aber wohl auch in Teilen vom Auftraggeber, der evangelisch-lutherischen Landeskirche gewünscht wurden. Im Zusammenhang mit den Entwürfen von Werner Johannsen sind die Namen des Künstlers Heinz Lilienthal und des Gartenarchitekten Heinz Nolte häufig belegt. Unabhängig vom Kirchenbauprogramm, welches die Grundlage für die Entwürfe von Werner Johannsen bildet, waren auch die Wünsche und Anregungen des Auftraggebers ausschlaggebend für die Umsetzung der Entwürfe des Architekten. Werner Johannsen war nach Aussagen von Zeitgenossen ein Architekt, der auch noch während der Bauzeit flexibel auf geänderte Ansprüche und Wünsche eingehen konnte. Auch hierdurch schuf Johannsen Kirchenanlagen, die in ihrer Gesamtkonzeption aber auch in ihren Einzelheiten und Details noch heute beeindruckend wirken und für den ländlichen Raum trotz aller Schlichtheit und Einfachheit einen bedeutenden Beitrag zur dortigen Architektur leisten.
Zum Weiterlesen:
Christiane Curti: Die evangelischen Sakralbauten von Werner Johannsen im Landkreis Osnabrück, in: Markus Jager / Christina Krafczyk (Hg.): Sakrale Architektur in Niedersachsen nach 1945, S. 200-211
Hans Weichsler: Handbuch Sprengel Osnabrück, Bramsche 1996
Benno und Dorothea Haunhorst: Eine neue Kirche am Abhang des Dörenbergs – Zur Entstehung der Heilig-Geist-Kirche und ihrer Gemeinde, in: Georgsmarienhütte. Junge Stadt – Alte Traditionen. Festschrift anläßlich 900 Jahre Kirche in Oesede, 825 Jahre Kloster Oesede, 135 Jahre Georgsmarienhütte, 25 Jahre Stadt Georgsmarienhütte, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Georgsmarienhütte (= Beiträge zur Geschichte Georgsmarienhütte und seiner Stadtteile 2), Georgsmarienhütte 1995, S. 245-265 sowie
Hans-P. Krause-Heiber: Kleine Kirchenchronik der König-Christus Gemeinde, in: ebda, S. 271
Reiner Bretzingheimer: Geschichte der Evangelisch-lutherischen Auferstehungs-Kirchgemeinde Kloster Oesede-Harderberg, in: ebda., S. 273-275
Ernst und Heiko Bockstiegel: Die St.-Petrus-Kirche in Quakenbrück. Chronik zum 40-jährigen Jubiläum, Quakenbrück 2006
Emil Johannes Guttzeit: Von der Burgkapelle zur St. Michaeliskirche in Diepholz. Ein geschichtlicher Rückblick auf die Gotteshäuser der ev.-luth. Kirchengemeinde Diepholz, Diepholz 1963
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Sankt Johannis Bramsche (Hrsg.): 40 Jahre St. Johannis. St. Johannis-Kirche Bramsche-Gartenstadt 1961–2001, Bramsche 2001