Die ostfriesische Insel Juist

Von Birte Rogacki-Thiemann

Juist ist eine der sieben ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer und mit 17 Kilometern Länge in Ost-West-Richtung die längste, flächenmäßig aber wegen der geringen Breite von maximal 900 Metern nicht die größte. Die Denkmallandschaft von Juist ist geprägt vom Meer, von Wasser, Stürmen, Sonne, Sand und natürlich von der besonderen abgeschiedenen Lage – bis heute ist Juist tideabhängig nur einmal am Tag mit dem Schiff erreichbar. Die Einwohnerzahl liegt bei etwa 1500, jahresbedingt kommen jedoch viele Saisonkräfte und natürlich Touristen hinzu, ist die Insel Juist mit den beiden Orten Juist und Loog doch v.a. ein viel genutztes Seebad.

Die Denkmallandschaft von Juist umfasst 22 Objekte, von denen die ältesten erhaltenen Bauten einfache eingeschossige Katen unter niedrigen Satteldächern sind, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Diese liegen sowohl im Kern des Hauptortes Juist als auch im heutigen Nebenort Loog, der eigentlich der ältere der beiden Siedlungskerne ist.

Juist war vermutlich bereits vor 1400 in der ausgehenden ostfriesischen Häuptlingszeit besiedelt, wie archäologische Funde nahelegen. Von 1398 stammt auch bereits die erste urkundliche Erwähnung in einer Lehnsurkunde. Ihren Lebensunterhalt verdienten die Juister traditionell eher durch Landwirtschaft als durch Schifffahrt, worauf 1636 bei 22 Hausstellen der Bestand von 72 Kühen, 500 Ochsen, 176 Schafen und 187 Lämmern eindrücklich hinweist. Der Hauptort lag damals ganz im Westen der Insel.

1651 wurde Juist bei der so genannten „Petriflut“ in zwei Teile auseinander gerissen, es entstanden bis 1715 nach mehreren verheerenden Stürmen und Fluten das so genannte Billdorf im Westen und das Loogdorf im Osten. Beide Orte erhielten zu diesem Zeitpunkt eine eigene einfache Kirche, wobei die Kirche im Billdorf bereits 1717 durch eine weitere Sturmflut zerstört und der Ort auf der Bill danach aufgegeben wurde. Man zog weiter nach Osten, um den Inselabbrüchen, die traditionell und bis heute vor allem im Westen stattfinden, zu entkommen. Das bis heute vorhandene „Loogdorf“ wurde zum neuen Hauptort der Insel. Die einstmals guten landwirtschaftlichen Grundlagen wurden durch die immer wiederkehrenden Sturmfluten und Landabbrüche schlechter, sodass der Lebensunterhalt der Juister im 18. Jahrhundert dann eher durch Walfang und Dienst auf Handelsschiffen bezogen wurde. Die Expansion des Ortes nach Osten setzte sich fort und es entstand neben dem Loog (zwischenzeitlich auch „Westdorf“) das Ostdorf, das in seiner Lage dem heutigen Hauptort Juist entspricht. 1742 wurden die ersten Bestattungen auf dem heutigen Friedhof an der Juister Kirche vorgenommen.

Die bereits erwähnten ältesten Insulanerhäuser stammen aus der Zeit, bevor Juist 1840 schließlich zum Seebad ernannt wurde. Da die Anreise nach Juist Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch äußerst beschwerlich war, konnte sich der Betrieb nur langsam etablieren. Erst als Juist 1866 preußisch wurde, begann der allmähliche Aufschwung. 1881-83 wurde auf dem Festland die Bahn Emden – Norddeich eingerichtet, was dazu führte, dass Juist 1884 erstmals über 700 saisonale Badegäste verzeichnen konnte. Der Bau der Mole in Norddeich (heute Norddeich-Mole) 1893 und die Errichtung der ersten Landungsbrücke auf Juist 1894 brachte dann den entscheidenden Umbruch. Ab 1898 wurde Juist nach und nach ausgebaut, es entstanden das große Strandhotel („Kurhaus“) oberhalb der Dünen, die Warmbadeanstalt an der Friesenstraße, es wurde eine Pferdebahn eingerichtet und nur kurze Zeit später sogar eine Benzollokomotive angeschafft. Zwei Rettungsbootschuppen stammen ebenfalls aus dieser Zeitspanne, als Juist zunehmend touristisch an Bedeutung gewann: der eine steht am Billriff, der andere im heutigen Ostdorf. Die Bebauung des Hauptortes veränderte sich zunehmend durch die Errichtung von Gast- und Logierhäusern, von denen nur wenige in ihrer ursprünglichen Form mit großen vorgelagerten verglasten Frühstücksveranden überkommen sind, so zum Beispiel die Villa Charlotte an der Wilhelmsstraße von etwa 1900 oder die etwas jüngere Villa Seestern an der Friesenstraße.

Eine zweite, eher kommunal motivierte, Ausbaustufe erlebte Juist dann in den 1920er und 1930er Jahren, als die Infrastruktur der wachsenden Zahl von Juist-Reisenden angepasst wurde. Auf der 22 Meter hohen Düne am Hauptort, dem höchsten Punkt der Insel, wurde 1927/28 der Juister Wasserturm errichtet, Rathaus, Post und Bahnhof stammen aus derselben Zeitspanne bis 1936. Auch mehrere Wohnhäuser sind aus dieser Zeit, in der mit Backstein in expressionistischer Formensprache gebaut wurde, erhalten, so beispielsweise die ehemalige Arztvilla van Lessen südlich der Inselkirche.

Noch stärker als andernorts ist ein touristischer Ort wie Juist einem besonders großen Veränderungsdruck unterlegen und so sind viele historische Gebäude in Juist, wie der alte Bahnhof, der nach der Aufgabe der Inselbahn 1984 nicht mehr benötigt wurde, mittlerweile mehrfach umgenutzt und werden in veränderter Form heute als  Hotel, Restaurant oder ähnliches geführt. Der Denkmalort Juist bietet dennoch einige interessante erhaltene Bauwerke, die gleichsam die Entwicklung des Seebades wie auch den kleinen geschlossenen Inselkosmos selbst widerspiegeln.


Zum Weiterlesen:

Cornelius Janssen/Elisabeth Tobaben: Fünf Inselkirchen in fünf Jahrhunderten. Ein Ausschnitt aus der Geschichte der Insel Juist. Uns Karkenshipp, Sonderheft, Juist 2019

Jochen Büsing: Im Loog: die wechselvolle Geschichte des anderen Juister Ortsteils. Borkum 2010

https://www.juist.de/vor-ort/toewerland/mein-toewerland-alles-zum-toewerland/#c15414

https://nordsee-inseln.de/info/nordseeinseln-2/juist/history-culture/

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