Herrenhäuser Gärten

Von Frank Achhammer und Verena Pohl

Die Herrenhäuser Gärten in Hannover bestehen aus dem Großen Garten mit der Wasserkunst, dem Berggarten, dem östlich anschließenden Georgengarten und dem Welfengarten in der Nordstadt. Die vom 17. bis ins 19. Jahrhundert angelegten großflächigen Grünanlagen mit Barock- und Landschaftsgärten, zahlreichen historischen Gebäuden und Denkmalen dokumentieren die Geschichte Hannovers als welfische Residenz und Universitätsstadt. Neben der besonderen Bedeutung für die Stadt- und Landesgeschichte gehören sie zu den größten touristischen Attraktionen und den wichtigsten städtebaulich prägenden Naherholungsgebieten der heutigen Hauptstadt Niedersachsens.

Der Große Garten – Der Einzug der Residenzkultur in Hannover

Mit dem Regierungsantritt von Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg (1582-1641) wurde Hannover 1636 zur Residenzstadt des Fürstentums Calenberg erhoben. Zur Versorgung der Hofküche errichtete man in dem Dorf Höringhusen ein Vorwerk. Georgs Sohn Johann Friedrich (1625-1679) ließ das Vorwerk 1674 zu einer Sommerresidenz mit barockem Lustschloss und Garten umbauen und Höringhusen wurde in Herrenhausen umbenannt. Die Glanzzeit des Großen Gartens begann 1679 mit dem Regierungsantritt des späteren Kurfürsten Ernst August (1629-1698). Zusammen mit seiner Gemahlin Sophie von der Pfalz (1630-1714) baute er das Schloss (1943 zerstört) aus und schuf den barocken Garten. Von der dominierenden Architektur dieser Zeit sind die Galerie und die Orangerie erhalten. Zu den neueren Gebäuden gehört das 1965/66 von Arne Jacobsen (1902-1971) und anderen gestaltete Foyer sowie das 2011-2013 als Rekonstruktion des Schlosses errichtete Museum.

Mit der Gestaltung der Gartenanlagen und den zugehörigen Wasserspielen um 1700 waren der Fontänenmeister Marinus Cadart und der Gartenkünstler Martin Charbonnier (1655-1720) beauftragt, wobei vor allem Kurfürstin Sophie die treibende Kraft war; ihr wurde 1878 ein Denkmal im Großen Garten gesetzt. Die Flächengliederung des Großen Gartens ist streng geometrisch und in eine Parterre- und eine Boskettfläche eingeteilt. Eine Achse, ausgehend von der Mittelachse des Schlosses, führt nach Südwesten durch den gesamten Garten und verbindet das Schloss mit den beiden Gartenteilen. Im nördlichen Teil befinden sich zwei der ältesten Elemente der Wasserkunst, die vollständig erhaltene Große Kaskade und die Grotte, die heute gleichzeitig eines der letzten vollendeten Werke der Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930–2002) ist. Im Zentrum der südlichen Hälfte liegt das Becken mit der Großen Fontäne von 1720. Im Osten, Süden und Westen wird der Garten durch die Graft begrenzt, den südlichen Abschluss markieren zwei im 18. Jahrhundert gebaute Pavillons. Die Friederikenbrücke östlich der Graft, 1839/40 von Georg Ludwig Friedrich Laves (1788-1864) entworfen, bildet den Übergang zum Georgengarten.

Den unvergleichlich hohen Aufwand zur Schaffung der höchsten herrschaftlichen Fontäne in Europa dokumentieren die Anlagen der Wasserkunst südwestlich des Gartens. Hier wurde 1717/18 die Leine mit einem Wehr gestaut, um eine Wassermaschine zu betreiben. Die eigens entwickelte Schwimmschleuse wurde später durch eine massive Anlage ersetzt, die Schiffen die Nutzung des Ernst-August-Kanals ermöglichte. Für den Betrieb noch leistungsfähigerer wasserbetriebener Pumpen errichtete man 1862 das Maschinenhaus im Rundbogenstil, das bis heute in Funktion ist und die Anlage prägt.

Heute bildet der Große Garten die Entwicklungsphasen vom 17. bis zum 21. Jahrhundert ab. Nach dem Ersten Weltkrieg kaufte die Stadt Hannover die Anlage und führte in Anlehnung an andere Barockgärten und theoretische Werke im Sinne einer „schöpferischen Denkmalpflege“ einige Neuerungen ein, um eine aufwändigere und attraktive Gestaltung für Besuchende zu schaffen. So wurden unter anderem das ursprünglich schlichte Rasenparterre in ein Broderieparterre umgewandelt oder der Irrgarten im Westen angelegt. Die umfangreiche Überformung von 1936 wird als Teil des Denkmals angesehen. Heute stellt sich der Große Garten nun als reiner Ziergarten da. Ursprünglich handelte es sich um eine Kombination aus Zier- und Nutzgarten.

Von der Maulbeerplantage zum Berggarten

Der Berggarten nördlich vom Herrenhäuser Schloss entwickelte sich aus kleineren eingefriedeten Gartenpartien und einem Maulbeergarten, der ab 1704 zur Anzucht von Seidenraupen genutzt wurde. 1724 wurde östlich des Maulbeergartens ein Küchengarten angelegt, der zum Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Landschaftsgarten mit botanischem Schwerpunkt und Gewächshäusern entwickelt wurde. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt er erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Landschaftsarchitekten Karl-Heinrich Meyer (1903-1988). Die vorherige Gestaltung und die Gewächshäuser wurden im Zweiten Weltkrieg zum Großteil zerstört, erhalten blieben dagegen der Bibliothekspavillon und die große Einfriedung. Die Berggartenallee ist 1727 nach den Plänen von Ernst August Charbonnier (1677-1747), dem Sohn von Martin Charbonnier, als doppelte Lindenallee angelegt worden. Ursprünglich begann sie am Ehrenhof des Herrenhäuser Schlosses und bildete von dessen Mittelachse aus eine scheinbar unendliche Allee in die Landschaft. Mit der Entwicklung des Berggartens und der Errichtung des Mausoleums für Königin Friederike (1778-1841) zwischen 1842-1847, sowie der Entwicklung der umgebenden Bebauung, der Herrenhäuser Straße und der Straßenbahnlinie, änderte sich der Bezug zu dem Großen Garten und dem Schloss. Ein Großteil der noch vorhandenen Bäume gehört wahrscheinlich zum Originalbestand und ist somit mehr als 300 Jahre alt. Das heutige Erscheinungsbild ist teilweise eine Folge von Maßnahmen zur Verkehrssicherungspflicht, die aufgrund des Auftretens des Hallimaschpilzes und des damit einhergehenden Vorkommens des Eremitenkäfers, eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Art, vollzogen werden mussten.

Die Entwicklung des Georgengartens an der Herrenhäuser Allee

Ernst Augusts Sohn Georg Ludwig (1660-1727) wurde 1714 durch den Act of Settlement als Georg I. König von Großbritannien und zog mit dem gesamten hannoverschen Hof um. Der Große Garten wurde dadurch zunächst nicht weiter verändert und wurde nicht, wie so viele andere Barockgärten, landschaftlich umgestaltet. Hingegen wurden im frühen 18. Jahrhundert westlich des Großen Gartens entlang des Überschwemmungsgebietes der Leine mehrere Landsitze angesiedelt. 1727 ließ Georg I. hier von Ernst August Charbonnier die Herrenhäuser Allee anlegen. Sie sollte als Verbindungsweg zwischen der Stadt Hannover und dem Herrenhäuser Schloss dienen. Die vierreihige Lindenallee bezieht die Contre allée mit ein, die ursprünglich von der Chaussee an der Nienburger Straße abzweigte und geradlinig auf die Galerie zuführt. Sie war als repräsentative Zufahrt zu dem Herrenhäuser Schloss gedacht. Die eigentliche Zufahrt bildete dann die Herrenhäuser Allee. 

Ab 1766 plante Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1736-1811), der uneheliche Sohn von König Georg II. (1683-1760), südlich der Allee einen landschaftlichen Garten. Zwischen 1780-1782 entstand dort das Wallmodenpalais, das 1817 in den Besitz Georg IV. (1762-1830). überging. Der König beauftragte den Gartenkünstler Franz Christian Schaumburg (1788-168) mit dem Ausbau des Landschaftsgartens. Nach seinen Entwürfen wurden 1835 die Teichanlagen im Westen ausgehoben und es entstanden 1837 die Eiserne Fahrbrücke und 1840 die Augustenbrücke. Aufgrund des Endes der Personalunion und der damit wiedererlangten Bedeutung Hannovers als Sitz des Königshauses war das Interesse am Ausbau und der Erweiterung der Gartenanlagen gestiegen. Aus der Zusammenlegung des westlich gelegenen Wangenheimgartens mit dem Wallmodengarten entstand schließlich der Georgengarten. Zum Wangenheimgarten gehörten auch die beiden Cavaliershäuser an der Jägerstraße Nr. 15/16, die von Laves 1826 geplant wurden. 1860 war die Anlage vollendet. Unter Preußischer Führung und auch durch die Stadt Hannover wurden Veränderungen an der Parkgestaltung vorgenommen. 1935 wurde der Leibniztempel, der vorher am Waterlooplatz stand, auf einem künstlich angelegten Hügel an den Teichanlagen aufgestellt. In den nachfolgenden Jahrzehnten kam es zu Veränderungen am Wegesystem und den Sichtbezügen.

Vom Barockgarten zum Universitätsstandort – Der Welfengarten

Der Welfengarten nordöstlich der Nienburger Straße entwickelte sich aus den Anlagen, die für die Halbschwester von Georg I., der Reichsgräfin Sophia Charlotte von Platen-Hallermund (1675-1725), ab 1713 angelegt wurden. Die ursprüngliche Gartenanlage wurde von Ernst August Charbonnier geplant. Im Besitz von König Georg I. entstand ein barocker Garten, der von drei Seiten von einer Graft umgeben war. König Georg II. ließ den Barockgarten durch den Gartenmeister Johann Jonas Christian Tatter (1729-1812) zu einem Landschaftsgarten umwandeln. Von Georg Ludwig Friedrich Laves ist eine der beiden 1843-46 errichteten Brücken erhalten, eine filigrane gusseiserne Konstruktion mit Linsenträgern. Der Prinzengarten, der ab 1859 westlich des Welfengartens entstand, wurde von Franz Christian Schaumburg geplant. Mittelpunkt der Anlage sollte das ab 1857 von Georg IV. als neue Residenz geplante Schloss sein, doch wurden 1866 nach der Annexion Hannovers durch Preußen die Bauarbeiten zunächst eingestellt. Ab 1875 wurde das Schloss nach revidierten Plänen für die 1831 gegründete Gewerbeschule fertiggestellt, die 1879 zur Technischen Hochschule umgewandelt wurde. Gleichzeitig entschied man sich für die Aufstellung der bereits 1861 für die Anbringung am Schloss angefertigten Bronzeskulptur des Sachsenrosses auf dem Vorplatz der Universität. Später kamen weitere Hochschulgebäude dazu, am nordwestlichen Ende des Welfengartens entstand 1906-1909 das Chemische Institut, ein langgestreckter dreigeschossiger Putzbau mit Dekor im Stil der Weserrenaissance. Im Innern ist der historische Kali-Chemie-Hörsaal Teil der bedeutenden bauzeitlichen Ausstattung. Kurze Zeit später wurden die verbliebenen Teile des königlichen Marstalls von der Technischen Hochschule umgebaut und genutzt, seit der Restaurierung 1982-86 und der Erweiterung durch einen Treppenanbau als Lesesaal. 1928 bekam das Chemische Institut ein Nebengebäude zur Einrichtung eines Instituts für Physikalische Chemie. Jüngster geschützter Bau der Gruppe ist die 1955 von Ernst Zinsser (1904-1985) gebaute Kindertagesstätte Schneiderberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Trümmerschutt des Schlosses 1953 die Graft eingeebnet und im Osten teilweise überbaut. Zum Ende des 20. Jahrhunderts erfolgten noch weitere Veränderungen. Kamel Louafi und Dörte Eggert-Heerdegen überarbeiteten 2016-2018 im Rahmen eines Wettbewerbs das Wegesystem und machten die ehemaligen barocken Strukturen der Graft durch weiße Podeste wieder sichtbar.

Zum Weiterlesen:

Marieanne von König [Hrsg.]: Herrenhausen: die Königlichen Gärten in Hannover, Göttingen 2006

Friedrich Lindau: Hannover: Der höfische Bereich Herrenhausen, München/Berlin 2003

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