Neuer jüdischer Friedhof Emden
- Landkreis
- Emden, Stadt
- Gemeinde
- Emden, Stadt
- Gemarkung
- Emden
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Emden
- Adresse
- Bollwerkstraße
- Objekttyp
- Jüdischer Friedhof
- Baujahr
- 1703
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, wissenschaftlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 36361989
- Objekt-Nr.
- 412
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Jüdische Topographie Geschichte Für die Anlage des neuen jüdischen Friedhofs wurde 1703 ein Grundstück innerhalb der Stadtbefestigung in der Nähe der ehemaligen Judenstraße am „Sandpfad“ (heute Bollwerkstraße) angekauft. (Lokers 1990, S. 54, Anm. 233) Ob der Ankauf über die portugiesischen Juden, die sich von 1703 bis ca. 1708 in Emden niedergelassen hatten, oder über die ortsansässigen aschkenasischen Juden erfolgte, ist strittig. Zumindest waren den sephardischen Juden 1703 durch den Magistrat großzügige Privilegien gewährt worden, die auch die Anlage eines Begräbnisplatzes mit einschlossen. (Heymann 1932, S. 468) In den 1880er Jahren wurde der Friedhof erweitert. (Auskunft Stadtarchiv Emden) Wolf Valk schildert sehr eindrücklich, wie sich der Friedhof bis in die 1930er Jahre präsentierte: „Der zur Zeit noch im Gebrauch befindliche Friedhof liegt fast mitten in der Stadt, nur 200 m von der Synagoge entfernt, auf zwei Seiten von schiffbaren Kanälen umflossen, am Rande der alten, aber innerhalb der neuen, erweiterten, 1670 hergestellten Stadtumwallung. Der größte Teil der Anlage befindet sich auf einem künstlichen, später etwas abgetragenen Windmühlenhügel. Am Eingang befindet sich ein uraltes, primitiv gebautes Haus, der ganzen Bauart und Anlage nach noch das ehemalige Müllerhaus, jetzt Wohnung des Totengräbers. Die ältesten Steine sind aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts.“ (Valk 1991, S. 29.07) Besondere Beachtung fanden damals „35 Steine, sämtlich liegend in einer Reihe, welche schnurgerade verläuft“ (Cassuto 1929, S. 173), und hier insbesondere fünf Grabsteine aus den Jahren 1704-1708 mit portugiesisch-spanischen Grabinschriften, die von Cassuto und Studemund-Halévy dokumentiert und übersetzt worden sind. (vgl. Cassuto 1929, S. 174/175 ; Studemund-Halévy 1997, S. 438/439). Nach Lokers stammen diese möglicherweise vom alten Friedhof in Tholenswehr. (https://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/FRIEDHOF/NIEDERSA/PROJEKTE/liste-f.htm#EmdenNeuerFriedhof; Stand: 22.03.2021) Alle anderen Grabmäler tragen hebräische Inschriften, seit Mitte des 19. Jahrhunderts hebräische und deutsche Inschriften. Sie sind nach Osten orientiert und in Männer- und Frauenreihen unterteilt. (Valk 1991, S. 29.07/29.08) Auch für die Kinder wurden separate Reihen eingerichtet, die an den kleineren Grabsteinen erkennbar sind. 1942 wurden an der Ostseite des Friedhofs ca. 10 russische Kriegsgefangene beigesetzt. (Gräberliste für öffentlich gepflegte Gräber 1973) Ihre sterblichen Überreste wurden später zum Ehrenfriedhof Tholenswehr überführt. (Auskunft Stadtarchiv Emden) Der Begräbnisplatz wurde in der NS-Zeit geschändet und im Zweiten Weltkrieg durch Kriegseinwirkungen teilweise zerstört. (Diamant 1982, S. 45, Asaria 1979, S. 260) Erste Instandsetzungsmaßnahmen erfolgten 1946. 1947 erging die Aufforderung an ehemalige aktive Nationalsozialisten, sich an Arbeitseinsätzen auf dem Friedhof zu beteiligen, der aber nur wenige von ihnen Folge leisteten. Im Herbst 1947 waren die Arbeiten - die Aufrichtung der Grabsteine, die Teilerneuerung der Grabeinfassungen und die Bepflanzung der Grabstätten – abgeschlossen. (Asaria 1979, S. 260) Auch nach 1945 kam es wiederholt zu Schändungen, so 1953, 1980 und 2008. 1980 wurden über 100 Grabsteine umgestürzt und beschädigt. (Diamant 1982b, S. 35) 1982 erhielt der Friedhof ein neues Tor. Norbert Tilmann lieferte hierfür den Entwurf, die Umsetzung erfolgte durch die Fachklasse Metall der Berufsbildenden Schule Emden unter Anleitung ihres Lehrers Menne-Gerhard Franssen. (Claudi 2007, S. 13) 1990 wurde ein Denkmal zur Erinnerung an die 465 jüdischen Emder Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nach dem Entwurf von Norbert Tilman eingeweiht. (Claudi 2007, S. 46/47) Zwischen 2000 und 2008 wurde der neue jüdische Friedhof in Emden mithilfe der Förderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Fernsehlotterie restauriert. Beschreibung Der neue jüdische Friedhof von Emden liegt innerhalb des Stadtgebietes, nahe der Altstadt, zwischen dem Stadtgraben (Alten Graben) im Norden und der Bollwerkstraße im Süden, etwas versteckt hinter einer Häusergruppe. Das 4.683 qm große, rechteckige und mit Bäumen bestandene Friedhofsgelände fällt leicht nach Nordosten ab. Der Zugang zum Friedhof liegt an der Bollwerkstraße (zwischen den Häusern Nr. 47 und 51). Den Eingang markiert ein filigran gestaltetes Metalltor mit Davidsternen (1982), das seitlich durch gemauerte Pfeiler mit Putzrahmung eingefasst wird. Die Bekrönung der Pfeiler wurde nach dem Krieg erneuert. Bis zur Reichspogromnacht bildeten zwei aufgeschlagene steinerne Bibeln mit hebräischen Schriftzügen den Abschluss. An der Südseite der Pfeiler, zur Bollwerkstraße orientiert, sind bronzene Tafeln angebracht, die in Deutsch und Hebräisch an die in der Reichspogromnacht zerstörte Synagoge und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern. Hinter dem Tor erstreckt sich der von Linden gesäumte Hauptweg, östlich von einer Hecke begrenzt. Am Ende des Weges befindet sich ein Mahnmal, das an die 465 ermordeten Emder Juden erinnert. Es besteht aus drei Granitblöcken, die durch einen vergoldeten Edelstahlstab miteinander verbunden sind. Nach einer Bestandsaufnahme der Universität Groningen von 1982 haben sich 798 Grabsteine – in der Mehrzahl Stelen - aus der Zeit zwischen 1669 und 1963 sowie 15 Grabsteinfragmente erhalten. Eine Besonderheit stellen die 30 Grabplatten aus der Zeit zwischen 1669 und 1782, die östlich des Hauptweges angeordnet sind, dar. Der Friedhof ist mit Bäumen bestanden und gliedert sich in unterschiedliche Bereiche. Im südwestlichen und im nordöstlichen Teil befinden sich die ältesten Grabsteine. Die Belegung des südöstlichen Teils erfolgte ab Ende des 19. Jahrhunderts, die des nordwestlichen ab den 1920er Jahren, wobei die Grabstellen hier mit einer Einfassung versehen sind. An der Grundstücksgrenze zum Kanal befindet sich ein Lapidarium, in dem die Grabsteinfragmente, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Stadtgraben geborgen wurden, integriert sind. Quellen Typoskript Handbuch jüdischer Ritualbauten Niedersachsen | Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, TU Braunschweig. NLA AU Rep. 16/2 Nr. 1637 Die Erweiterung der jüdischen Friedhöfe in Aurich und Emden. Laufzeit: 1906-1911. StadtA EMD FrA 01 Jüdischer Friedhof, Bd. 1. Laufzeit 1947-1990. Literatur Arends 2010 Arends, Silke: Haus des Lebens. Der jüdische Friedhof in Emden. In: Ostfriesland-Magazin: Zeitschrift für Land und Inseln zwischen Dollart und Jadebusen, 26. Jg., 2010, H. 11, S. 8-11. Asaria 1979 Asaria, Zvi: Die Juden in Niedersachsen. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leer 1979; zum jüdischen Friedhof: S. 260. Cassuto 1929 Cassuto, Alfonso: Über portugiesische Juden in Emden. In: Jüdische Familien-Forschung, 5. Jg., September 1929, Nr. 3, S. 173-175. Claudi 2007 Claudi, Marianne/Claudi, Reinhard: Unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte. Der Jüdische Friedhof in Emden (Schriftenreihe des Stadtarchivs Emden; Bd. 3). Emden 2007. Diamant 1982a Diamant, Adolf: Jüdische Friedhöfe in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. Frankfurt am Main 1982; zum jüdischen Friedhof: S. 45. Diamant 1982b Diamant, Adolf: Geschändete jüdische Friedhöfe in Deutschland 1945-1980. Anlage zur Dokumentation Jüdische Friedhöfe in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. Frankfurt am Main 1982; zum jüdischen Friedhof: S. 35. Heymann 1932 Heymann, Joseph: Wanderungen und Schicksale sephardischer Juden in Deutschland. Der erste Ansiedlungsversuch portugiesischer Juden in Ostfriesland (1706); ihr Verhältnis zu den aschkenasischen Juden. In: Menorah, 10. Jg., 1932, H. 11/12, S. 464-476. Hildebrandt 1980 Hildebrandt, Carola, Der Judenfriedhof in Emden, Emden 1980, 6 S. [Manuskript] Lokers 1990 Lokers, Jan: Die Juden in Emden. Eine sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Studie zur Geschichte der Juden in Norddeutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zur Emanzipationsgesetzgebung (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands; Bd. 70). Aurich 1990; zu den jüdischen Friedhöfen: S. 54 mit Abb. 2, S. 231, Abb. 6) Lokers 2005 Lokers, Jan: Emden. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 533-569; zum jüdischen Friedhof: S. 549, 566, 567. Markreich 1933/34 Markreich, Max: Das Memorbuch der Judengemeinde in Emden. In: Jahrbuch für die jüdischen Gemeinden Schleswig-Holsteins und der Hansestädte, 1933/34, Nr. 5, S. 24-36; zum jüdischen Friedhof: S. 25. Reyer 1991 Reyer, Herbert: Juden in Jemgum. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Reyer, Herbert / Tielke, Martin (Hg.): Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands; Bd. 67). Aurich 3. erw. Aufl. 1991. Studemund-Halévy 1997 Studemund-Halévy, Michael: Die portugiesisch-spanischen Grabinschriften in Norddeutschland: Glückstadt und Emden. In: Aschkenas, 7. Jg., 1997, H. 2, S. 389-439. Valk 1991 Valk, Wolf: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Emdens. In: Claudi, Marianne/Claudi, Reinhard: Die wir verloren haben. Lebensgeschichten Emder Juden, hg. von der Volkshochschule Emden und der Ostfriesischen Landschaft (Einzelschriften/Ostfriesische Landschaft; Bd. 28). Aurich 1991; S. 29.00 – 29.47; Kapitel Jüdische Friedhöfe: S. 29.06-29.08. Werth 2003 Werth, Marie: "Das ... letzte Fleckchen Erde, ... das uns gehört : der Jüdische Friedhof in Emden an der Bollwerkstraße besteht seit 300 Jahren. In: Unser Ostfriesland: Beilage zu: Ostfriesen-Zeitung, 2003, S. 90/91.
- Beschreibung
- Jüdischer Friedhof, 1703 angelegt, ca. 798 Grabsteine aus der Zeit zwischen 1669 und 1963 erhalten, darunter 30 Grabplatten. Dreiteiliges Mahnmal zur Erinnerung an die unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ermordeten Emder Juden. Einfriedung, Tor und Lindenallee als Teil der Anlage.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des 1703 angelegten neuen jüdischen Friedhofs besteht aufgrund einer historischen und wissenschaftlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse: Als Begräbnisplatz der jüdischen Gemeinde von Emden mit ca. 798 erhaltenen Grabsteinen und fünfzehn Grabsteinfragmenten ist er sowohl ein aussagekräftiges Objekt der lokalen Geschichte als auch der Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte und der Geschichte der jüdischen Bestattungskultur. Als eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse für die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Niedersachsen besitzt der Friedhof einen hohen Dokumentations- und Erinnerungswert.
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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