Mikrowellentherapie für die evangelische Kirche in Nordwohlde
In der Verknüpfung von Ursachen, Abläufen und Wirkungen wird es zunehmend schwieriger die Gotteshäuser in den ländlichen Regionen zu erhalten. Die Gemeinden schrumpfen und werden zusammengelegt, Gotteshäuser werden säkularisiert und einer anderen Nutzung zugeführt. Der Erhalt der Kirchen ist für die Gemeinden häufig kostenintensiv und komplex. Erfreulich ist es, wenn die Möglichkeit besteht, eine Kirche weiterhin in ihrer ursprünglichen Funktion zu nutzen und entsprechend zu sanieren und präventiv zu konservieren.
Nordwohlde liegt im Landkreis Diepholz und gehört als Stadtteil zu Bassum. Im historischen Sinne handelte es sich hierbei um ein kleines Pfarr-und Kirchdorf, dem Kirchspiel Nordwohlde. In der Kirche wurde ein starker Schädlingsbefall der Holzteile sowohl im Inneren als auch an den tragenden Holzteilen im Dachstuhl festgestellt. Im Februar 2022 fand ein Auftaktgespräch zur Schädlingssanierung vor Ort zusammen mit Vertretern der Kirchengemeinde, der Evangelischen-lutherischen Landeskirche Hannovers sowie dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege statt. Die Sanierung umfasst die Bekämpfung der Schädlinge an Ort und Stelle, die Sanierung der historischen Holzbauteile, hier den Dachstuhl und die Restaurierung der Prinzipalstücke der Kirche, der Kanzel und des Epitaph.
Die Maßnahmen sind derzeitig noch nicht vollständig umgesetzt. Das voraussichtliche Maßnahmenende ist 2024.
Bei der Kirche in Nordwohlde handelt es sich um eine Saalkirche mit Satteldach im Kern aus dem 13. Jahrhundert mit einem nachträglich angefügten Glockenturm aus den Jahren 1852/53. Erstmalig wird die Kirche 1307 urkundlich in Zusammenhang mit einem ortsansässigen Priester erwähnt. Die unterschiedlichen Bauphasen bis hin zur Moderne lassen sich gut durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien entlang des Kirchenschiffes nachvollziehen. Das Kirchenschiff besteht aus einem grob behauenen Feldsteinmauerwerk und geht in ein Backsteinmauerwerk mit Läufer-Binder-Verband über. Der Übergang vom Feldsteinmauerwerk in das Backsteinmauerwerk ist an den Seiten mit jeweils einem Strebepfeiler gestützt. Die Ziegel sind teils mit der Hand geformt. In Teilen ist noch der historische Mörtel vorhanden mit enormen Kalkanteilen. In das Mauerwerk sind Rundbogenfenster in unterschiedlichen Größen in unregelmäßigen Abständen und Höhen eingelassen. Im Mauerwerk selbst sind unterschiedliche vermauerte Öffnungen zu erkennen. Hier ist vor allem eine ehemalige Türöffnung an der Südseite der Kirche bemerkenswert, deren Sandsteingewände unterschiedlich tiefe Strukturen aufzeigt. (Laut Überlieferung soll es sich hierbei um Spuren vom „Entschärfen“ der Waffen vor dem Kirchbesuch handeln, damit die Kirchenbesucher sicher vor Angriffen waren.) Das Kirchenschiff zeigt sich seit 1532 in seiner heutigen Form. Im Norden ist nachträglich passend mit dem Glockenturm eine Sakristei angebaut worden, welche aus Backstein gefertigt worden ist. Es gibt keinen Chor und keine Apsis. Der östliche Giebel springt leicht zurück und ist aus rasterartigem Fachwerk mit Backstein-Ausfachungen gefertigt. Er trägt die Datierung 1834 unter den beiden Fensteröffnungen in arabischen Ziffern.
Der Turm hat ein Zeltdach und ist vollständig aus Backstein gefertigt. Die Kirche wird durch das Erdgeschoss des Glockenturms erschlossen. Von hier führt eine Treppe auf die nachträglich eingezogene hölzerne Orgelempore und in das Dach, sowie zum Geläut. Zwei Bankreihen, jeweils links und rechts vom Mittelgang, leiten nach Osten in den leicht erhöhten Altarbereich. Aus dem 17. Jahrhundert existieren noch eine Kanzel und ein Epitaph, beide mit Holzschnitzereien kunstvoll verziert. Die Kanzel ist heute das älteste Ausstattungsstück der Kirche, sie wurde 1664 eingebaut. Die Fenster sind nach-reformatorisch ausgetauscht worden. Die Kirche hat eine gerade verputzte Decke, der Innenraum präsentiert sich in der heutigen Fassung schlicht.
Es gibt insgesamt 18 Gespärre, zwei davon sind Giebelgespärre. Die Zählung beginnt im Westen der Kirche und endet im Osten. Zwischen Gespärre sechs und sieben wird die Abbundrichtung gewechselt. Die ersten sechs Gespärre sind von Osten und die übrigen Gespärre von Westen her aufgerichtet. V und X werden als Hierarchisierungszeichen verwendet, ansonsten wird mittels Kerben aufgezählt. In Gespärre 17 ändert sich die Regelmäßigkeit der Abbundzeichen auf der nördlichen Seite, während sie auf der südlichen Seite bereits ab Gespärre 14 vollständig entfallen. In Gespärre 17 wird das gleiche Abbundzeichen wie in Gespärre 16 erneut verwendet. Der Dachstuhl zeigt Spuren von Zweitverwendungen und unterschiedliche Holzarten in unterschiedlicher Qualität. Neben neu aufgebrachten Abbundzeichen lassen sich noch systemfremde Abbundzeichen ausfindig machen. Gekennzeichnet sind jeweils die Sparrenpaare auf Höhe der ersten Kehlbalkenlage.
Bei dem Dachwerk handelt es sich um einen zweifach stehenden Stuhl mit zwei Kehlbalkenlagen - beide gezapft. Der First ist als Scherzapfen ausgefertigt. Das Sparrendreieck wird von den Sparren und der ersten Kehlbalkenlage gebildet. Die Deckenbalken korrespondieren nicht mit den Sparren und sind auf einer doppelten Mauerkrone zwischen den Sparren gelagert, was daraufhin deutet, dass die Deckenbalken nachträglich eingezogen worden sind. In den Kirchenbüchern ist festgehalten, dass die Kirche ursprünglich ein Steingewölbe hatte, welches baufällig war und im 18. Jahrhundert abgebrochen wurde. Der zweifach stehende Stuhl wurde nach Abbruch des Gewölbes eingezogen. In Längsrichtung sind Windrispen an den Sparren gesetzt. Kopfstreben in Längs- und Querrichtung unterstützen die Aussteifung des Daches.
Die Balken des Dachstuhls zeigen bereits deutliche Beeinträchtigungen durch den Schädlingsbefall. Auch im Inneren der Kirche lassen sich die Ausmaße der Schädigung durch die Insekten erkennen. Gemeinschaftlich wurde der Entschluss gefasst, die Kirche näher zu untersuchen und ein sinnvolles Konzept für die Sanierung zu erarbeiten. Hierfür wurde ein Holzschutzgutachten angefertigt und die Bauaufnahme durch einen Bauforscher ist in Planung. Zunächst wurde die komplette Einhausung der Kirche durchgeplant um sie anschließend mit Gas zu behandeln. Mit dieser Methode wird der Schädling vollständig in jedem Entwicklungsstadium abgetötet. Während der Erstellung des Holzschutzgutachtens fiel auf, dass sich im Dachstuhl des Turms der Kirche eine Fledermauskolonie eingenistet hatte. Um die Tiere zu schützen, die durch die vollständige Einhausung der Kirche beeinträchtigt werden würden, entschied man sich gegen das Einhausen des Gebäudes und die Behandlung mit Gas. Als alternative Möglichkeit ist das sogenannte Mikrowellenverfahren bevorzugt worden. Hierbei werden Mikrowellengeneratoren aufgestellt die einen kurzfristigen Temperaturanstieg im Bauholz verursachen. Dadurch werden Larven und andere Schädlinge abgetötet. Die Fledermauskolonie wird durch diese Maßnahme nicht beeinträchtigt. Die Maßnahme findet in enger Absprache mit dem Naturschutz statt.
Um die Kirche langfristig zu erhalten und von Schädlingen zu befreien hat die Kirchengemeinde einen Förderantrag bei dem Amt für die regionale Landesentwicklung Leine-Weser (ARL) gestellt. Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln des ARL, sowie den Mitteln der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers konnten die vorbereitenden Arbeiten zur Sanierung begonnen werden. Auch auf sich neu aufzeigende Befunde, hier die Fledermauskolonie und den damit verbundenen Wechsel innerhalb der Maßnahme konnte das ARL reagieren. Der Förderbescheid wurde in entsprechend der neuen Maßnahme angepasst.
Zum Weiterlesen:
Arbeitsgemeinschaft „Chronik Kirchspiel Nordwohlde“ (Hrsg.) / Meyer, Helmuth / Peters, Heinrich / Mindermann-Wawrzinek, Ilse / Rohlfs, Ursula / Meyer, Johannes / Rohlfs, Heinz: Kirchspiel Nordwohlde, Syke 1999
Nordwohlde Stadt Bassum, Kr. Diepholz, in: Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bremen Niedersachsen, München / Berlin 1992, S. 997
Kirchengemeinde Nordwohlde: https://kirchengemeinde-nordwohlde.wir-e.de/unsere-kirche.
Kirchengemeindelexikon Nordwohlde: https://kirchengemeindelexikon.de/einzelgemeinde/nordwohlde/
Kirchenführer Nordwohlder Kirche