Neuer mesolithischer Fundplatz nahe Nordhorn?
Im Jahr 2021 gab der private Sammler Günter Kleine Vennekate in der Bezirksarchäologie Oldenburg ein Konvolut von Funden ab, das er über mehrere Jahrzehnte hinweg auf unterschiedlichen Äckern abgesammelt hatte. Bei der Durchsicht stach seine Sammlung schon alleine aufgrund der extrem geringen Zahl an „Ausschuss“, also archäologisch nicht relevanter Stücke, hervor. Besonders großes Interesse erregte ein reichhaltiges Inventar von Flintartefakten, das von einem Flurstück in der Gemarkung Klausheide, Gemeinde Nordhorn (Stadt) stammt. Der Fundplatz liegt auf einer ehemaligen Uferterrasse am Rande einer einst wasserführenden, später vermoorten und heute vollständig verlandeten Niederung. Das Fundspektrum umfasst eine größere Zahl an Lamellen und Klingen, auffallend viele Kernreste, einige Geräte (darunter einen typologisch unsicheren Klingenstichel) sowie insgesamt acht Mikrolithen. Dazu kommen Abschläge und Apsplisse und auch eine kleinere Zahl an Artefakten und Artefaktfragmenten aus gebranntem Flint. Sehr auffällig sind der gute Erhaltungsgrad sowie die überwiegend hohe handwerkliche Qualität der Artefakte wie auch des Ausgangsmaterials. Letzteres besteht aus grauem Senonflint in unterschiedlichen Farbschattierungen und weist nur wenige Einschlüsse oder andere Unreinheiten auf. Der größere Teil der Artefakte ist nur sehr schwach patiniert und teils noch fast kantenscharf. Nur wenige Stücke zeigen Spuren einer längeren Liegezeit an der Geländeoberfläche. Anhand der Schlagmerkmale ist überwiegend eine Herstellung der Artefakte in Punch-Technik nachweisbar. Unter den Kernresten dominieren Lamellen- und Klingenkerne, auch drei sogenannte Handgriffkerne finden sich darunter (Abb.1). Alle Kerne sind weitgehend abgebaut, bis hin zu Mikrokernen. Abgesehen von einseitig bearbeiteten Handgriffkernen wurden die Kerne aus unterschiedlichsten Richtungen abgebaut. Analog dazu lässt sich an den Klingen eine Herstellung aus bipolar bearbeiteten Kernen ablesen.
Bei den Mikrolithen handelt es sich um sieben ungleichmäßige Dreieckspitzen, die typologisch die Variationsbreite einfacher Spitzen repräsentieren, die eine chronologisch lange Laufzeit besitzen. Einzig eine qualitätvolle Querschneide sticht hervor (Abb.2). Das Spektrum der Geräte umfasst u.a. Klingenkratzer, Halbrundschaber und drei Daumennagelkratzer. Unter den Abschlägen fällt besonders auf, dass es sich überwiegend um typische Präparationsabschläge handelt, wie sie bei der Weiterbearbeitung einfacher Artefakte anfallen. Insgesamt belegt das Artefaktspektrum eindeutig eine Artefaktproduktion vor Ort, deren Schwerpunkt dem Inventar nach auf der Herstellung von Lamellen (z.B. als Seiteneinsätze für Flintschneiden) und Geschossspitzen gelegen hat. Das Vorkommen von Schabern und Kratzern belegt weitere Tätigkeiten wie sie an einem temporären Lagerplatz anfallen. Die Lamellen, Kernreste, Daumennagelkratzer und insbesondere der auf Geweihbearbeitung hinweisende Klingenstichel deuten typologisch auf einen eher frühen Abschnitt des Mesolithikums hin. Dazu passt auch die Herstellung in Punch-Technik. Die Mikrolithen sind mit ihrer typologisch langen Laufzeit überwiegend unspezifisch, nur die Querschneide deutet eher auf eine mittel- bis spätmesolithische Datierung hin. Zuletzt zu erwähnen ist eine typologisch etwas unsichere Stielspitze, die offensichtlich längere Zeit an der Oberfläche gelegen hat und ein erster Hinweis auf die Anwesenheit spätpaläolithischer Jäger und Sammler am Standort sein könnte. Der allgemein sehr gute Erhaltungsgrad der Artefakte spricht dafür, dass sie aus einer intakten Fundschicht ausgepflügt wurden. Der Fundort ist typisch für die Standorte temporärer Lagerplätze mobiler Jäger- und Sammlergruppen des Mesolithikums. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass an der Stelle die Reste eines solchen Lagerplatzes im Boden konserviert liegen. Die mutmaßliche Stielspitze deutet eine größere zeitliche Tiefe des Fundplatzes an. Das Areal ist laut Bodenkarten nicht tiefgepflügt, es besteht also Hoffnung, dass Teile des Fundplatzes noch erhalten sind. Weitere Untersuchungen sind geplant.