Ein Schuh im Moor

Von Marion Heumüller

Prähistorische Bohlenwege sind ein einzigartiges Zeugnis der Mobilität früherer Zeiten. Sie zeigen uns, welchen Wert die Menschen bereits vor Jahrtausenden der Existenz gesicherter Verbindungswege beimaßen. Den einzigartigen Erhaltungsbedingungen der Moore für organische Materialien ist es zu verdanken, dass nicht nur die hölzernen Wege selbst überliefert sind, sondern auch außergewöhnliche Fundstücke aus Holz, Wolle, Fell oder Leder, die unter normalen Bedingungen keine Erhaltungschancen haben.

Archäologische Grabungen an prähistorischen Bohlenwegen fördern immer wieder besondere Funde zutage. Sie zeugen von Mobilität und Transport früherer Zeiten. Die jüngste derartige Entdeckung ist ein hervorragend erhaltener Lederschuh. Er wurde unmittelbar neben dem Bohlenweg Pr 6 entdeckt, der in der späten Eisenzeit das große Moor zwischen Diepholz und Lohne überquerte. Als einer der weltweit längsten Moorwege überquerte der mehr als vier Kilometer lange Bohlenweg Pr 6 vor über 2.000 Jahren das Moor zwischen Diepholz und Lohne. Im Vorfeld von Torfabbau wurden in der Vergangenheit immer wieder Abschnitte archäologisch untersucht. Derzeit muss eine 520 Meter lange Teilstrecke dem laufenden Torfabbau und geplanten Wiedervernässungsmaßnahmen weichen.
Bei dem aktuellen Fund handelt sich um eine Art Sandale, die am vorderen Ende gerafft und mit einem Lederriemen zusammengehalten wird. Es ist der älteste, sicher datierte Schuh, der aus Norddeutschland bekannt ist. Besonders in Mooren sind schon früher Lederschuhe gefunden worden, die jedoch einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte jünger sind. Jeder dieser Schuhe ist ein mit großem handwerklichem Geschick hergestelltes und für seine Trägerinnen und Träger
angepasstes Einzelstück.

Im unmittelbaren Umfeld des Schuhs fanden sich Reste einer zerbrochenen Wagenachse und weitere Wagenbruchstücke. Man kann das Ereignis, bei dem der Schuh seinem Träger oder seiner Trägerin abhandenkam, beinahe mit Händen greifen: Die Achse eines hölzernen, vermutlich von Rindern gezogenen Wagens, ging entzwei, und der Wagen verunfallte auf der holprigen Strecke. Dabei oder beim Versuch, die Wagenteile zu bergen, stürzte oder trat der Besitzer bzw. die Besitzerin des Schuhs neben den Weg, und der Schuh blieb im klebrigen Morast stecken – wo er jetzt, über 2.000 Jahre später, gefunden wurde.

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