Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg
Von Wiebke Dreeßen
Eingebunden in das für Norddeutschland bedeutende klassizistisch geprägte Stadtbild Oldenburgs an exponierter Stelle im Bereich des großzügig geplanten südlichen Stadteinganges, verkörpert das 1876–78 als Naturhistorisches Museum errichtete Gebäude, Damm 40, als zweiter der Öffentlichkeit zugängiger Museumsbau in Oldenburg neben dem zwölf Jahre zuvor erbauten Augusteum das hohe bildungspolitische Anliegen in einem norddeutschen Kleinstaat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Als Hauptausfallstraße der Stadt Oldenburg nach Süden unterlag der Damm, der im Mittelalter in Form eines Knüppeldammes, ab 1619 als Steinstraße nach Osternburg durch die Hunteniederung führte, besonders vielen Veränderungen. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Schlossplatzes steht der Ausbau des südlichen Dammabschnittes ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Nachdem Oldenburg 1773 nach gut einhundertjähriger Zugehörigkeit zur dänischen Krone wieder ein selbstständiger Staat geworden war, verlegte der junge, durch Reisen gebildete Herzog Peter Friedrich Ludwig (1755–1829) mit seinem Regierungsantritt ab 1785 die Residenz des Herzogtums von Eutin nach Oldenburg und begann mit dem Umbau der kaum über ihren mittelalterlichen Kern hinausgewachsenen Stadt zur würdigen und repräsentativen neuen Hauptstadt. Dabei stand die Umgestaltung der Stadtzugänge am Anfang der städtebaulichen Entwicklung, um dem von außen auf die Stadt Zukommenden einen möglichst guten und modernen Eindruck zu vermitteln. Der Klassizismus wurde die bestimmende architektonische und stadtplanerische Leitlinie und prägte nachhaltig das Oldenburger Stadtbild. Ab 1832 wurde unter dem Nachfolger Großherzog Paul Friedrich August die klassizistische Konzeption des Stadtzuganges von Süden über den Damm umgesetzt. Diese sah eine platzähnliche Erweiterung vor, die durch das Zurückweichen gegenüber den Fluchtlinien des nördlichen, zum Schloss führenden Straßenabschnittes gewonnen und mit repräsentativen Neubauten ausgestattet wurde, um eine städtebaulich imponierende Eingangssituation zu schaffen. Während auf der Ostseite drei klassizistische Walmdachbauten für Angehörige des großherzoglichen Offizierskorps entstanden und als Abschluss der Platzsituation nach Norden, indem sie nach der älteren, eingezogenen Fluchtlinie ausgerichtet sind, zwei zweigeschossige Walmdachbauten in schlichten klassizistischen Formen errichtet wurden, waren auf der Westseite drei größere Gebäude vorgesehen. 1841/42 wurde als südlichstes Gebäude eine zweigeschossige Kastellanei mit Mezzaningeschoss in den Formen des in Oldenburg dominierenden Klassizismus nordischer Prägung erbaut. Nördlich der Kastellanei entstand zwischen 1842–46 nach Plänen des Architekten Hero Dietrich Hillerns die großherzogliche Bibliothek mit Archiv (Damm 42), die neben den Gebäuden in Frankfurt und München zu den frühesten Bibliotheksbauten in Deutschland gehört.
Als drittes Gebäude sollte ein der Kastellanei entsprechendes Gebäude nördlich der Bibliothek ausgeführt werden. Bereits bei der Bibliothekskonzeption war die Unterbringung eines naturhistorischen Museums von der herzoglichen Baukommission diskutiert worden, zu dessen Bau es aber dann erst in den Jahren 1876–79 kam.
Das Museum, das 1836 als Naturhistorisches Museum gegründet wurde und zunächst in angemieteten Räumen untergebracht war, sollte von Beginn an zur „Stärkung der Volksbildung“ dienen. Erster Grundstock war eine vom Herzogshaus erworbene „Sammlung hiesiger Vögel, einiger Säugethiere, einer Schmetterlingssammlung und mehrere kleinere Insektensammlungen“. Im Laufe der Zeit wurden die Bestände auch durch exotische Exponate, mitgebracht von Kapitänen und Hofangehörigen, erweitert und hatten bereits um 1850 überregionale Bedeutung erlangt. Nachdem der Bestand so angewachsen war, dass er zum Teil eingelagert werden musste, wurde der Neubau am Damm zur Sammlung und Präsentation naturkundlicher und vorgeschichtlicher Exponate aus nah und fern beschlossen. Nach Plänen des späteren Hofbaumeisters Gerhard Schnitger (1841–1917) wurde ein über hohem Sockel dreigeschossig in gelbem Ziegelmauerwerk aufgeführtes Gebäude in einem mit Neorenaissanceformen durchsetzten spätklassizistischen Stil errichtet, das am Dezember 1880 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Die Fassade zum Damm wird von einem dreiachsigen, als Risalit vorspringenden Mittelbau beherrscht, dessen abgeflachtes kuppeliges Walmdach im Zuge der Neugestaltung Ende der 1960er Jahre entfernt wurde. Zu seinem Eingangsbereich führt eine über die gesamte Breite des Mittelrisalits sich erstreckende Freitreppe, die seit 1885 von zwei auf seitlichen Wangen liegenden Sphingen flankiert wird. Diese im Zementguss-Verfahren von dem Hofbildhauer Heinrich Boschen 1881 gefertigten Figuren hatte der Großherzog 1885 auf der Gewerbeausstellung in Oldenburg gekauft, und ergab Order aus Eutin, sie an der Treppe vor dem Museum aufzustellen.
In den Jahren 1967–1971 erfolgten Um- und Erweiterungsbaumaßnahmen des am 22. September 1943 durch Brand- und Sprengbomben schwer zerstörten Bibliothekbaus (Damm 42). Durch eine zurückhaltende Stahl-Glas-Konstruktion wurde er mit dem benachbarten, ebenfalls durch Kriegseinwirkungen beschädigten Museumsbau verbunden und Teil des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, heute Landesmuseum Natur und Mensch. Der Museumseingang wurde in das Gebäude Damm 42 verlegt, sodass der repräsentative Haupteingang des alten Museums funktionslos wurde und auch die Bedeutung der im Eingangsbereich liegenden, durch die Geschosse führenden Treppenanlage mit aufwendig gestaltetem Brüstungsgeländer geschmälert war.
Im Zuge der kürzlich erfolgten Bau- und Restaurierungsmaßnahmen wurde der 1972 stillgelegte historische Haupteingang der Bedeutung des Objektes entsprechend wieder geöffnet, einhergehend mit einer Umstrukturierung der Besucherwege und Neukonzeption des Empfangsbereiches im Innern. Die erhaltene historische Türanlage wurde aufgearbeitet. Die Restaurierung der schadhaften Freitreppe mit den seitlichen Wangen und den imposanten Sphingen erforderte viel planerisches, handwerkliches und restauratorisches Können, da die Schäden größer waren als zunächst angenommen. Die Figuren mussten herabgenommen und restauriert sowie der Unterbau grundlegend saniert werden. Seit dem 12. November 2015 ist der alte Haupteingang wieder für die Besucher geöffnet.
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 36. Jg. (2016), Heft 2, S. 66-67.