Ehemalige Klosterkirche St. Joseph in Vechta

von Wiebke Dreeßen

Als dem herausragenden monumentalen barocken Kirchenbau westfälischer Prägung im Oldenburger Land kommt der ehemaligen Klosterkirche St. Joseph in Vechta eine überregionale Bedeutung zu. Die Kirche ist ein wichtiges Dokument deutscher Geschichte durch ihre Bau- und Nutzungsgeschichte und spiegelt in besonderer Weise die politischen, konfessionellen und gesellschaftlichen Veränderungen wider, für das ehemalige Großherzogtum Oldenburg in einmaliger Weise. Im Zuge der Gegenreformation wurde in Vechta, das zum Herrschaftsgebiet des Bistums Münster gehörte, an der Stelle eines bis 1557 dort existierenden Nonnenklosters „Marienthal“ eine Franziskanerniederlassung gegründet. 1642 wurde die Klosterkirche St. Joseph errichtet, die jedoch bereits 40 Jahre später durch einen größeren Bau ersetzt wurde. Vermutlich aufgrund einer unzureichenden Gründung musste auch dieser Bau nach kurzer Zeit wieder abgebrochen werden. So entstand 1727–1731 die jetzige Kirche mit Abmessungen von circa 14,80 m x 49,00 m als einschiffige Wandpfeilerkirche aus rotem Ziegelstein mit eingezogenem, außen polygonal, innen halbrund geschlossenem Chor. Das Langhaus weist fünf Joche mit querrechteckigen Kreuzgratgewölben zwischen breiten Gurten auf, zwischen den Wandpfeilern sind quergestellte Tonnengewölbe angeordnet. Der Chor wird von zwei Kreuzgratgewölben auf Wandkonsolen überspannt.

Die Pläne zu den Klosterbauten wurden von P. Hermann Marckes (1660–1761) entworfen. Beim Kirchenbau wirkte vermutlich der Festungsbaumeister und Kommandant des Münsterschen Artilleriekorps, Generalleutnant Lambert Friedrich v. Corfey mit, der 1705–1725 die Dominikanerkirche in Münster erbaute. Der Bau zeigt die für einen Bettelorden typische Schlichtheit. Statt eines Turmes wird das Dach nur durch einen Dachreiter betont. Die Ziegelfassaden sind im Chor und an der südlichen Traufwand äußerst schlicht und zurückhaltend ausgeführt. Bemerkenswert ist die Gestaltung der Westfassade mit flachem, hoch aufragendem Mittelrisalit unter bekrönendem Dreiecksgiebel, mit Eckakroteren und geschwungenen Seitenwangen, Rundbogennischen mit Heiligenfiguren und wappenhaltenden Löwen im Giebelfeld. Das rechteckige Sandsteinportal, leicht vertiefte Blendfelder, Gesimse und Figurennischen dokumentieren die spätbarocke Auffassung der klösterlichen Bauherren. In ihrem Aufbau und in ihrer zurückhaltenden Flächenabstufung setzt die Fassade Gestaltungsprinzipien Johann Conrad Schlauns (1695–1773) voraus, wie sie in dessen Kirchen in Brakel und St. Ägidii in Münster zu sehen sind. In den Nischen befinden sich qualitätvoll in Sandstein gearbeitete Plastiken, darunter Franz von Assisi und Antonius von Padua als bedeutende Franziskanermönche sowie der Heilige Joseph und das fürstbischöfliche Wappen mit Löwen.

Durch die politische Neuordnung zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam das wegen seiner ursprünglichen Zugehörigkeit zum Bistum Münster der katholischen Konfession angehörende Gebiet des ehemaligen Niederstiftes Münster als Oldenburger Münsterland zum evangelisch geprägten Herzogtum Oldenburg. Das Kloster wurde 1812 durch die französische Besatzung aufgelöst. Unter Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg wurde 1816 in den Räumlichkeiten eine Strafanstalt eingerichtet. Im Chor der völlig ausgeräumten Kirche entstanden ab 1816 nach Einbau einer Trennwand und einer Zwischendecke Arbeitsräume. Das Kirchenschiff wurde zur Simultankirche für die Gefangenen und zur Pfarrkirche für die neu entstandene Ev.-luth. Kirchengemeinde im zuvor rein katholischen Vechta ausgebaut und wird bis heute entsprechend genutzt.

Erst 1955 konnte die räumliche Einheit von Kirchenschiff und Chor zurückgewonnen werden. Mit der Aufstellung des barocken Hochaltars aus der ehemaligen Zisterzienserkirche in Amelungsborn 1960 und einer später im Kunsthandel erworbenen barocken Kanzel sowie einem aus der Kirche Bakum stammenden romanischem Taufstein wurde begonnen, dem monumentalen Kirchenraum wieder eine angemessene Ausstattung zukommen zu lassen.

Als wesentliches Ausstattungsstück plante die Ev.-luth. Kirchengemeinde Vechta einen Orgelneubau auf der Westempore, der sich in zeitgenössisch-moderner Interpretation von Form und Volumen der bis 1813 vorhandenen barocken Orgel anlehnt und ein optisches Gegengewicht zur reichen Ausstattung des Chores bildet. Die Orgel ist zu einem erheblichen Teil durch Spendengelder finanziert und wurde 2014 eingebaut.

Die Klosterkirche in Vechta erfüllt die Anforderungen an ein Baudenkmal gemäß § 3 Abs. 2 und 3 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, sowohl als Einzeldenkmal als auch als Teil einer Gruppe baulicher Anlagen im Zusammenhang mit den Bauten der Justizvollzugsanstalt, in die Teile des alten Klosters integriert sind. Als Teil des Frauengefängnisses der Strafanstalt Vechta war die ehemalige Franziskanerkirche bereits nach dem Oldenburger Denkmalschutzgesetz von 1911 als Denkmal eingetragen. Aufgrund ihrer Bedeutung trägt sie zur Vielfalt des kulturellen Erbes in der Bundesrepublik Deutschland bei und wurde daher 2012 in das Denkmalschutz-Sonderprogramm III des Bundes aufgenommen.

Durch die in reduzierter Formensprache erfolgten Wiederherstellungsarbeiten in den 1950/60er Jahren ist die Größe und differenzierte Gestaltung des Kirchenraumes wieder erlebbar geworden. Nach einer Instandsetzung des Innenraumes in den 1980er Jahren zeigten sich Ende der 2000er Jahre jedoch erhebliche Mängel an der Heizungsanlage sowie, bedingt auch durch das Heizsystem, starke Verschmutzungen und Schäden an den Putzflächen der Innenschale.

In kleinen Schritten wurde wegen fehlender Finanzierungsmittel seit 2007 zunächst die Außenrenovierung mit der Sanierung der Fenster vorgenommen, wobei auch das zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugemauerte nördliche Fenster im Chor wieder geöffnet werden konnte, welches sich hinsichtlich der Lichtführung als großer Gewinn für den Kirchenraum darstellt. In der Westfassade wurde das Fenster über dem Eingangsportal in seiner ursprünglichen Größe rekonstruiert. Im Zuge der Heizungsmodernisierung wurde der Fußbodenbelag in Sandstein bzw. Ziegel ergänzt, zum Teil erneuert, unter den Bankblöcken wurden Holzpodeste angeordnet. In der Südfassade musste aufgrund eines Brandschutzgutachtens eine Fluchtwegtür eingebaut werden, da der Kirchenraum neben der gottesdienstlichen Nutzung häufig für Konzerte und sonstige kulturelle Veranstaltungen genutzt wird.

Das Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes ermöglichte es nun, auch die notwendige Innenrenovierung vor dem Einbau der Orgel in einem Zuge durchzuführen. Nach Putzausbesserungen wurden auf der Grundlage von Befunderhebungen die Wand- und Gewölbeflächen in einem lichten Ockerton neu gefasst, Türen und Windfang erhielten die historische Holzsichtigkeit zurück, die beiden zuletzt farbig gestrichenen Gestühlsblöcke erhielten einen dunkleren Anstrich in Holzimitation.

Durch das ideelle und finanzielle Engagement eines sehr aktiven Fördervereins konnten nach eingehenden Untersuchungen und kunsthistorischen Recherchen auch Arbeiten am Hochaltar erfolgen. Das vermutlich aus der Werkstatt E. D. Bartels, Hildesheim, stammende Retabel war 1960 aus einzelnen erhaltenen Fragmenten eines ursprünglich holzsichtigen Schnitzwerkes rekonstruiert worden, wobei anschließend originale Teile und Ergänzungen in verschiedenfarbigen Marmorierungen mit Vergoldungen gefasst worden waren. Diese Fassung wurde jetzt gereinigt, das Figurenprogramm vervollständigt und die Anordnung der Skulpturen nach dem Vorbild sonstiger Arbeiten aus der Werkstatt von E. D. Bartels neu geordnet. Die Figur des auferstandenen Christus wurde auf die Altarbekrönung versetzt und das frei gewordene Altarfeld mit einem neugeschaffenen Gemälde, welches das Licht des Ostermorgens über dem offenen Grab Christi darstellt, gefüllt. Die Figur des Evangelisten Matthäus wurde als bildhauerische Kopie nach einem Vorbild vom Hochaltar der kath. Kirche in Algermissen, der auch der Werkstatt Bartels zugeschrieben wird, neu geschaffen.

Mit einem festlichen Gottesdienst und anschließendem Empfang wurde am 3. November 2013 die Beendigung dieser Renovierungsarbeiten gefeiert. Den Besuchern präsentiert sich nunmehr ein sehr schlichter monumentaler Raum, der seine Spannung durch die hohen, sich fein im Licht abzeichnenden Pfeiler und Gewölbe, den lichtdurchfluteten Chor im Osten mit dem hoch aufragenden Barockaltar und das dunkel gefasste Gestühl im Langhaus erhält. Die Orgel im Westen als Gegenpol vervollständigt dieses Raumkonzept.

Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 34. Jg. (2014), Heft 2, S. 53-54.

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