Der Hexenstein bei Dötlingen

Von Michael Wesemann

In der nördlichen Wildeshauser Geest, zwischen den Orten Dötlingen und Kirchhatten, liegt inmitten einer reichen archäologischen Landschaft (Abb. 1) südlich des Waldes „Wehe“ auf einem Acker ein großer erratischer Block, der „Hexenstein“ genannt wird (Abb.2). Auf ihm sind etliche sogenannte Schälchen zu erkennen, kleine, meist kreisrunde Vertiefungen, die wenige Millimeter bis 2 cm tief muldenförmig in den Granit hineingepickt und ausgeschabt wurden. Solche Findlinge werden daher auch Schälchensteine genannt. Am häufigsten findet sich das Schälchenmotiv – oft auch in Kombination mit anderen Felsbildern – in Skandinavien. Allgemein werden die Schälchen in die mittlere bis späte Bronzezeit datiert. Ihre Bedeutung dürfte vielschichtig gewesen sein, da sie über lange Zeit und in ganz Nordeuropa in verschiedensten Kontexten in großer Zahl angelegt worden sind.

Im westlichen Niedersachsen gibt es nur einige wenige davon, wie den Schalenstein von Bippen im Emsland („Teufelsstein“), zwei der Decksteine des Großsteingrabes „Driehauser Steine“ bei Schwagstorf im Osnabrücker Land oder den Deckstein der spätneolithischen Bargloyer Steinkiste nur wenige Kilometer südlich des Dötlinger Hexensteins. Die Beispiele zeigen, dass sie auch auf Steinen angebracht wurden, die zu weit älteren Grabanlagen gehören.

Häufig knüpfen sich an diese Steine Volksbräuche und Sagen, in denen es entweder um Fruchtbarkeit, den Teufel oder eben um Hexen geht. Der Name „Hexenstein“ bezieht sich auf Hexen, die angeblich in der Johanni-Nacht vom Stein aus nach Bremen und wieder zurück flogen. Dabei spielte auch ihr Spinnrad eine Rolle, von dem gesagt wurde, dass es auf dem Stein aufgestellt wurde. Seine drei Beine hätten Standspuren in Form von drei besonders tiefen Schälchen hinterlassen. Leider mussten wir feststellen, dass diese in jüngerer Zeit weiter ausgeschliffen wurden, um sie besonders zu betonen oder gar Steinpulver zu gewinnen. Es ist bekannt, dass am Hexenstein an bestimmten Tagen heute noch „Rituale“ vollzogen werden; ganz sicher sind diese „Ausbesserungen“ darauf zurückzuführen. Sein vermutlich älterer Name „De breede Steen“ sagt dagegen ganz profan nichts weiter aus, als dass er flach und breit ist.

Die Zahl der Schälchen des Steins schwankt deutlich; sie wird je nach Quelle mit mehr als 20, über 30, 33, 38, 41 oder mehr angegeben. Die Zahlen variieren, weil einige Vertiefungen bisher nicht sicher als Schälchen anzusprechen waren. Die drei besonders tiefen Schälchen fallen natürlich auf – aber ist diese Gruppierung wirklich so prominent? Und wie viele Schälchen sind es denn nun wirklich?

Bisher hat sich noch niemand die Mühe gemacht, die Schälchen zu kartieren. Dem wollten wir nun mithilfe von zahlreichen Fotos, die bei verschiedenen Sonnenständen gemacht wurden, abhelfen. Anhand der Bilder wurden die Schälchen mit Tafelkreide weiß markiert, damit sie gut erkennbar sind (Abb. 3). Zur genauen Verzeichnung ihrer Größe und Lage wurden sodann mithilfe einer Drohne angefertigte Senkrechtaufnahmen herangezogen, die mithilfe von eingemessenen Passpunkten entzerrt wurden. Auf dieser Grundlage wurde eine lagegenaue Kartierung der Schälchen mithilfe eines GIS (geografischen Informationssystems) erstellt (Abb.4).

Das Bild ist jetzt nicht nur klarer – es hat sich auch gezeigt, dass einige der nun 47 Schälchen weitere geometrische Anordnungen erkennen lassen als nur das Dreieck der Hexenspinnradbeine, das ­– da nun ein viertes besonders großes und tiefes Schälchen hinzugerechnet werden kann – keines mehr ist, sondern eine Rhombe. Um die vier großen Schälchen herum liegt eine Gruppe vieler kleinerer Schälchen, die sich auf die größeren zu beziehen scheinen. Weitere bilden mehrere Dreier-, eine Vierergruppe sowie einige Paare. Auch Reihen, die allerdings nur wenige Schälchen vereinen, lassen sich konstruieren. Immerhin macht die Kartierung es nun möglich, Vergleiche mit anderen Schälchensteinen anzustellen. Vielleicht finden sich gleichartige geometrische Anordnungen auch dort, so dass sie zumindest verifiziert werden können. Was aber hinter diesen Gruppierungen an Bedeutungen liegen mag, wird wohl ein Rätsel bleiben.

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