Ein historischer Plan der Kirche in Wietzendorf von Conrad Wilhelm Hase (1871)

Von Christina Achhammer, Frank Achhammer, Christoph Fiebiger, Anne-Kathrin Fricke-Hellberg und Heike Leuckfeld

Im Sammlungsbestand des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege befinden sich unter anderem 172 Planblätter des hannoverschen Baumeisters und Architekten Conrad Wilhelm Hase (*2. Oktober 1818 in Einbeck, † 28. März 1902 in Hannover), insbesondere zu Neubauten und Umgestaltungen von sakralen Gebäuden und deren Interieur.

Exemplarisch für das gesamte Konvolut soll in diesem Beitrag der Plan einer voraussichtlichen Umgestaltung der Kirche in Wietzendorf von 1871 hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte vorgestellt und betrachtet werden. Neben der Einordnung seiner Bedeutung für die Baugeschichte und der Beschreibung des in der Kirche befindlichen Interieurs findet auch die Betrachtung des Plans als gefährdetes Objekt Berücksichtigung, da er aufgrund der fortschreitenden Alterung in seiner Materialität Schaden genommen hat.

Conrad Wilhelm Hase prägte in seiner Funktion als Konsistorialbaumeister, Lehrkraft an der Technischen Hochschule in Hannover und Vorsitzender einer einflussreichen Künstlervereinigung über einen Zeitraum von fast fünf Jahrzehnten mit der von ihm begründeten neugotischen hannoverschen Schule die Verwendung von Backstein für anspruchsvolle Architektur. Als beratender Sachverständiger hatte er maßgeblichen Einfluss auf die 1861 veröffentlichten Richtlinien für den evangelischen Kirchenbau, das Eisenacher Regulativ, und entwarf selbst zahlreiche Kirchen im gesamten norddeutschen Raum. Zu seinem umfangreichen Schaffen gehören auch herausragende Profanbauten wie Schloss Marienburg bei Pattensen und das heutige „Künstlerhaus in Hannover“. Hases eigenes Wohnhaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und damit der Hauptteil seines Nachlasses. Den erhaltenen Originalplänen, die sein Schaffen als Architekt und Restaurator dokumentieren, kommt daher in mehrfacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Der hier vorgestellte Plan zeigt nicht die 1874 - 1876 von Hase gebaute St. Jakobi-Kirche in Wietzendorf, sondern den mittelalterlichen Vorgängerbau und seine vom ihm geplante „Restauration“, die unter anderem die Veränderung der Fenster für den Einbau von Emporen vorsah. Die Kirchengemeinde setzte damals jedoch einen Neubau durch und die alte Kirche wurde mit Ausnahme des hölzernen Glockenturms abgebrochen. Somit ist der Plan ein einzigartiges Zeugnis für den verlorenen Bau und einen aus damaliger Sicht angemessenen Umgang mit ihm. Darüber hinaus dokumentiert er den Zustand des erhaltenen Turms um 1871.

Im Pfarrarchiv Wietzendorf befindet sich eine Kopie, die zur Präsentation des fertigen Entwurfs für die Kirchengemeinde angefertigt wurde. Sie unterscheidet sich in einigen Details von dem hier vorgestellten Plan, der wohl eher die Funktion einer für die Verwendung im Büro Hase geschaffenen Arbeitsgrundlage hatte.
Materialien und Schadenskartierung

Der Plan hat eine Größe von 68 cm x 39 cm; es handelt sich dabei um ein sehr dünnes, vergilbtes, transparentes Papier, das zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einem dickeren Papier zwecks Stabilisierung rückseitig kaschiert wurde. Die Darstellungen, Aufriss von Süden und Grundriss, sind mit schwarzer Tinte gezeichnet und teilweise dunkel aquarelliert. Bestandsänderungen und Maßangaben heben sich durch rote Tinte ab, mit Bleistift wurden die Jahreszahlen 1870/71 sowie kleinere Skizzen auf Vorder- und Rückseite zu Architekturdetails hinzugefügt. Eine inzwischen etwas undeutlich gewordene rote „1“ am rechten unteren Bildrand deutet wohl auf die Nummer des Entwurfs zur „Restauration“ der alten Kirche hin. Von Hase signiert oder abgezeichnet ist dieser Plan nicht.

Die Zeichnung weist diverse und über Jahrzehnte entstandene Schäden auf, hauptsächlich verursacht durch ehemals schlechte Lagerung, Nutzung, aber auch gut gemeinte, jedoch unsachgemäße Sicherungen. Der Plan ist insgesamt sehr fragil und brüchig, ferner löst er sich partiell von der Kaschierung. Kleinere, zusätzlich aufgeklebte Sicherungen aus recht hartem Papier auf der Rückseite zeichnen sich nach vorne ab. Dunkle Stockflecken, verursacht durch früheren mikrobiellen Befall, verteilen sich über die gesamte Fläche. An den zahlreichen Knicken, Rissen, Quetschfalten und Fehlstellen zerkrümeln die Ränder, geht das Original peu à peu verloren. Ein kleinerer Tintenfleck am Turmhelm scheint eher eine Ausblutung der Tinte als ein beginnender Tintenfraß zu sein, der die Zersetzung des Papieres durch die Schreibflüssigkeit zur Folge hätte. Ein größerer, verwischter Tintenfleck am rechten Bildrand stammt wahrscheinlich aus der Entstehungszeit.

Die aktuell durchgeführte Kartierung und Beurteilung der Schäden machen deutlich, dass dringend Handlungsbedarf besteht. Der Plan von Wietzendorf ist nur einer der insgesamt 172 im NLD vorhandenen Hase-Pläne, deren Erhaltungszustände von relativ stabil bis äußerst fragil, stark beschädigt und gefährdet variieren. Alle Pläne müssen konservatorisch bearbeitet werden, bei einigen sind auch restauratorische Maßnahmen erforderlich, bevor sie digitalisiert und archiviert werden können. Als präventive Konservierungsmaßnahme werden für alle Pläne geeignete Aufbewahrungsbedingungen geschaffen werden müssen: dunkel, flach und druckfrei sowie geschützt durch säurefreie Passepartouts und Japanpapier bei einer Raumfeuchte zwischen 45 und 50 % r. F. Die Digitalisierung der Sammlung soll zukünftig weitere Schäden und Verschleiß durch Nutzung verhindern.
Die Plansammlung des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD)

Zum analogen Sammlungsbestand des NLD zählt unter anderem die Plansammlung. Sie steht mit ihren circa 45.000 zeichnerischen Dokumenten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre denkmalfachliche Arbeit zur Verfügung, ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich.

Zu dem überwiegend aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden Sammlungsgut zählen auch 172 Blätter von Conrad Wilhelm Hase sowie von seinen Mitarbeitern. Die Zeichnungen zeigen zum Teil sehr fein gestrichelte Skizzen, die durchaus als Vorstufen zu geplanten Arbeiten und als Arbeitsmaterialien des Architekten für die niedersächsische Kirchenarchitektur zu erkennen sind. Aber auch kunstvoll gezeichnete Pläne zu verschiedenen Kirchenprojekten, liebevoll koloriert, ergänzen diesen herausragenden Bestand. Er bildet sowohl Hases Entwürfe zu Neubauten als auch zum konservatorischen Umgang mit historischen Bauten ab.

Aufgrund eines Projektes im NLD, das sich mit restauratorischen sowie konservatorischen Fragen beschäftigt, sind die Hase-Pläne zurzeit nicht öffentlich zugänglich.


Die St. Jacobi-Kirche in Wietzendorf und der Glockenturm (Glockenstapel) im Denkmalatlas Niedersachsen


Quellen:
  • Deckert, Hermann: Die Kunstdenkmale des Kreises Soltau. Hannover 1939, S. 71-75.
  • Kokkeling, Günther; Lemke-Kokkeling, Monika: Baukunst in Norddeutschland. Architektur und Kunsthandwerk der Hannoverschen Schule 1850 - 1900. Hannover 1998.
  • Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Sammlungen, ADABweb.
  • Pantel, Edda: Landkreis Soltau-Fallingbostel. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen 25. 2001, S. 380 - 381.
  • Schendel, Gunther: Haus voller Himmel. Die St. Jakobi-Kirche in Wietzendorf, Lüneburger Heide. Entdeckungen, Kunstwerke, Geschichte(n). Wietzendorf 2000.
  • Die Orgel in St. Jakobi in Wietzendorf

Die Plansammlung Conrad Wilhelm Hase im Kulturerbeportal Niedersachsen

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