Die Fassadensanierung am Schloss Hämelschenburg
Schloss Hämelschenburg befindet sich zwischen den Städten Hameln und Bad Pyrmont an einem Berghang hoch über dem Flusslauf der Emmer. Ca. 1,5 Kilometer südwestlich im Wald oberhalb des heutigen Ritterguts liegen die Reste der Vorgängerburg „Hünenschloss“, einer kleinen Höhenburg, die um 1300 von den Grafen von Everstein errichtet wurde. Von dieser Turmburg mit kleiner Vorburg sind heute noch Wallanlagen und einige Mauerreste als archäologisches Denkmal erhalten. Im Zuge eines Erbfolgekrieges verlor der Graf von Everstein seinen Besitz und seinen Einfluss an die Welfen, die die Burg 1437 an die Familie von Klencke als Lehen gaben, die bis heute Eigentümer sind. Nach einem Brand 1544 wurden alle Gebäude, ab 1556 beginnend mit den Gebäuden im Wirtschaftshof, komplett neu errichtet. Die Kapelle von 1563 ist eine der frühesten evangelischen Kirchenneubauten in Norddeutschland. Die dreiflügelige Schlossanlage wurde zwischen 1588 bis 1613 durch Jürgen von Klencke und Anna von Holle in zwei Bauabschnitten erbaut, nach umfangreichen Erdbewegungen zunächst der Nord- und Mittelflügel mit dem Nordturm und danach der Südflügel mit Südostturm. Das Schloss war allseitig von einem Wassergraben bzw. einem Teich umgeben. Im 19. Jahrhundert wurden nicht nur die Wallanlage größtenteils abgetragen, sondern auch insbesondere der Nord- und Mittelflügel umgebaut, während der Südflügel noch seine bauzeitlichen Gefüge im aufgehenden Mauerwerk, den Geschossdecken und dem Dachwerk besitzt.
Das Schloss im Stil der sogenannten Weserrenaissance ist auch wegen seiner unglaublichen Zahl an Zierelementen und figürlichem Dekor ein herausragendes Zeugnis norddeutscher Baukunst. Die Verwendung des lokalen Sandsteins für die Gebäude und Einfriedungsmauern des Rittergutes und auch als Material für die meisten Dächer ist eine regionale Besonderheit und in Hämelschenburg in einer selten vorhandenen Gesamtheit erlebbar.
Das Bruchsteinmauerwerk, die Werksteine der Gewände und die aufwendige Bauzier des Schlosses wurden aus dem in unmittelbarer Nähe anstehenden Sandstein geschaffen. Die Dachdeckung bestand ursprünglich aus roten Sollingsandsteinplatten. Beim Umbau von 1887 wurden die Dächer des Mittel- und Nordflügels mit Schiefer gedeckt. 1974 wurde zur Vereinheitlichung des Gesamteindrucks auch die Sandsteindeckung des Südflügels gegen Schiefer ausgetauscht. Das Bruchsteinmauerwerk der Fassaden war vermutlich bis 1887 verputzt, die Gewände und die Bauzier waren steinsichtig. 1887 wurden die Putze aus ästhetischen Gründen entfernt, das Bruchsteinmauerwerk ist seitdem größtenteils sichtbar. Dringenden Anlass zur Instandsetzung gaben die zuletzt gehäuft auftretenden Schäden an der Bauzier. Offensichtlich dringt Feuchtigkeit in das Mauerwerk ein und lässt die geschmiedeten Verankerungseisen korrodieren. Hierbei kommt es durch die Verwitterung zu einer Volumenvergrößerung des Schmiedeeisens, dass die Aufsprengung der Steine bewirkt, Risse verursacht oder schlimmstenfalls zum Herabfallen von Werksteinen führt. Eine Befahrung der Fassade und der Dachflächen mit einem Hubsteiger im Herbst 2015 zeigte umfangreiche Lockerungen im Mauerwerk, speziell der Dachaufbauten sowie großflächige Zerstörungen der Giebelrückseiten mit schalenförmigen Abplatzungen.
Insbesondere wegen der zusätzlichen statischen Probleme am Nordgiebel des Südflügels, die sich durch Risse und Verwerfungen in der ersten Fensterachse sowohl auf der Hofinnenseite wie auch auf der Außenseite bemerkbar machten, wurde dieser Giebel mit den angrenzenden Fassaden- und Dachflächen als erster Bauabschnitt ausgewählt. Durch Zusagen im Denkmalschutzsonderprogramm der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) war es möglich, den ersten Bauabschnitt als große Musterachse im Jahr 2018 erfolgreich umzusetzen.
Die im ersten Bauabschnitt gemachten Erfahrungen bildeten dann die Grundlage für die Planung und weitere Instandsetzung am Südflügel, dem zweiten Bauabschnitt. Auch diese Arbeiten konnten nur durch die großzügige Unterstützung von BKM, DSD und Stiftung Rittergut Hämelschenburg finanziert werden. Nach Reinigung mit Wasser und dem Entfernen von Bewuchs wurde die Fassade zunächst fotografisch dokumentiert. Diese Fotos dienen als Grundlage für die Kartierung der Befunde sowie der Dokumentation von Schäden und erfolgten Maßnahmen. Glücklicherweise müssen nur wenige Werksteine komplett getauscht werden. Überwiegend werden Klammern erneuert, Mauerwerk mit Antragungen überarbeitet, Vierungen und Verfugungen ergänzt, Hohlräume und Risse mit Mörtel verfüllt. Auch die Verbesserung des Wasserablaufs spielt eine entscheidende Rolle zur Nachhaltigkeit der Maßnahme – durch die Reparatur bzw. das Ergänzen von Verblechungen an Vorsprüngen und Gesimsen werden breite Flächen zukünftig vor Durchfeuchtung geschützt. Damit das Erscheinungsbild nicht beeinträchtigt wird, wurden für die Bleiabdeckungen nur neuralgische Schadstellen ausgewählt. Andere waagerechte oder zum Gebäude geneigte Stellen wurden nur mit schräg angetragener Steinersatzmasse in ihrer Wasserableitung verbessert. Die erreichbaren Dachflächen und die Anschlüsse an das Bruchsteinmauerwerk werden repariert bzw. ergänzt. Um die Gerüststellung optimal zu nutzen, werden auch die zahlreichen Fenster bequem vom Gerüst aus repariert und gestrichen. Der Abschluss der Arbeiten im zweiten Bauabschnitt wird im Winter 2020/2021 erfolgen.
Bereits im Herbst 2020 wurden Anträge in verschiedenen Förderprogrammen von EU, Bund, Land und DSD zur Finanzierung der 1,85 Millionen Euro im dritten und letzten Bauabschnitt für die Sanierung der ursprünglich als Erstes errichteten Nord- und Mittelflügel auf den Weg gebracht. In der Hoffnung auf Zusagen sollen die fehlenden Fassaden in gleicher Qualität saniert werden und die Arbeiten im Jahr 2022 abgeschlossen sein.
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 40. Jg. (2020), Heft 4, S. 59-62.