Sehen und gesehen werden: Die verschwundene Burg von Melloh
Von Ulrich Kinder
Fund des Monats Februar ist eine kleine Gräftenburg im Landkreis Diepholz, die bisher völlig unbekannt war.
Auf den ersten Blick ist auf der Weide am Westufer der kleinen Aue zwischen den Weilern Melloh und Dahlskamp (Gemeinde Sulingen) nichts zu erkennen und auch ein aufmerksamer Fachmann geht achtlos an ihr entlang und vorbei. Ist er aber nicht vor Ort sondern sitzt im Büro vor einem digitalen Geländemodell, wird er der unscheinbaren Weide schnell seine ganze Aufmerksamkeit schenken. Denn schwach, aber einem geübten Auge sofort erkennbar, zeichnen sich hier zwei rechteckige Strukturen ab, die auf ein archäologisches Baudenkmal schließen lassen. Ein langrechteckiger Graben umschließt auf drei Seiten einen deutlich kleineren Rechteckgraben. Beiden fehlt die Ostseite an deren Stelle sich das alte und neue Bachbett der Kleinen Aue befinden.
Solche ineinander gesetzten Rechteckgräben direkt an einem Bachlauf lassen auf eine mittelalterliche Niederungsburg vom Typ der Gräftenburg schließen. Diese besteht aus einem zumeist rechteckigen von einem nassen Graben umgebenen Plateau auf dem die, zumeist hölzernen, Burggebäude standen. Dieser innere Graben wird von ein bis zwei weiteren nassen Gräben umschlossen, deren Aushub in die Zwischenräume geworfen wird, sodass hier Wälle entstehen. Diese mehrfachen Wallgräben verlaufen immer symmetrisch um das zentrale Plateau, sodass zwischen dieses und einen Angreifer möglichst viel Raum und möglichst viele Annäherungshindernisse geschoben wurden.
Im Falle der vorliegenden Gräftenburg sind es zwei Gräben. Am Südwesteck des äußeren Grabens ist eine Struktur erkennbar, die auf einen dritten Graben hinweist, der aber sonst nirgends zu erkennen ist. Im Osten bildete die Kleine Aue den inneren Graben, querte im Norden und Süden den äußeren Graben (der im Bereich des heutigen Bachbetts verlief) und hat vielleicht mithilfe eines Wehrs beide Gräben mit Wasser versorgt. Nördlich des zentralen Plateaus quert eine moderne Straße die Burg und nördlich davon schließt die Vorburg an, die vom äußeren Graben umgeben wird. Sowohl das Südwesteck, als auch das Nordwesteck dieses Grabens sind abgeschrägt. Am Nordwesteck mündete ein schmaler Bachlauf in den Graben, der zusätzlich für das Fluten der Gräben genutzt wurde.
Von all dem, was am Rechner schnell zu erkennen ist, ist im Gelände selbst nur noch etwas zu sehen, wenn man genau weiß wo man nach den nur noch 0,1 – 0,2 m tiefen Gräben suchen muss. Ihre geringe Tiefe erklärt ihre Unsichtbarkeit beim Vorbeigehen, dennoch lassen sie sich, einmal gefunden, gut verfolgen, aber auch nur dann, wenn die Wiese frisch gemäht oder abgeweidet wurde. Historische Daten zur Burg liegen noch nicht vor, lediglich von ihrem Ende wissen wir: Das alte Bachbett der Kleinen Aue hat im Laufe der Zeit oder bei einem starken Hochwasser über die Hälfte der Vorburg weggespült und auch das zentrale Plateau beschädigt. Solche Zerstörungen sind bei einem so exponierten Bauplatz nicht zu vermeiden und haben über kurz oder lang dazu geführt, dass sich die uns unbekannten Bewohner der Burg auf einen höher gelegenen Wohnplatz zurückgezogen haben. Erbaut wurde die mit 102 x 125 m Gesamtumfang gar nicht so kleine Burg vermutlich erst im Spätmittelalter, wie vergleichbare Anlagen zeigen, verlassen wurde sie wohl schon nach recht kurzer Zeit, wie die fast komplett verfüllten Gräben und das Fehlen jeglicher Überlieferung zu ihrem Standort nahelegen.
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