Der Brüggemannhof in Hannover

Von Lara Frommert

Der Brüggemannhof, bis 1947 Schloßwender Garten genannt, befindet sich in Hannovers Nordstadt und fällt vor allem durch seine dreieckige Form im Stadtgrundriss auf.

Die Errichtung des dreiflügeligen Wohnhofs erfolgte in mehreren Bauabschnitten zwischen 1913 und 1924 durch Franz Hoffmann (1881–1948). Dabei wurden 22 vier- bis fünfgeschossige Häuser auf einem 10.000 Quadratmeter großen Grundstück arrangiert. Die drei dabei ausgebildeten Flügel wurden unterschiedlich bespielt. In zwei Flügelköpfen befinden sich die Zugänge und im Dritten befand sich als Sonderbaustein ein Dreiecksgiebel. Die Erschließung aller Häuser erfolgt über den Innenhof.

Zur Planungs- und Errichtungszeit des Brüggemannhofes Anfang des 20. Jahrhunderts dominierte eine große Wohnungsnot das Bauwesen. Dies bedeutete für viele Menschen ein Wohnen in prekären Verhältnissen. Der Spar- und Bauverein Hannover wurde 1885 zur Verbesserung der Lebensumstände der Genossen aus dem hannoverschen Mieterverein gegründet. Die Genossenschaft zielte darauf ab, "gesunde und billige Wohnhäuser" (Gäßler; Riechmann; Weiß; Zehnpfennig 1980, S. 38) zu errichten. Ebenso hat der Spar- und Bauverein neue Bauten in der Nähe von Industrien angesiedelt und die Bauten über die Stadt verteilt. So bewirkte der Spar- und Bauverein eine soziale Durchmischung der Bewohnerschaft im städtischen Umfeld.

Vor dem Bau des Brüggemannhofes befand sich bis 1901 der Firmensitz der Wachstuchmacherei JH Benecke, einer der ältesten Industriebetriebe Hannovers, auf dem Grundstück. 1913 erwarb der Spar- und Bauverein das Grundstück und der Bau begann im Herbst desselben Jahres. Aufgrund der überwiegenden Hinterhoflage des Grundstückes mit dem Anschluss an nur zwei kurze Straßenseiten, war das große Grundstück vermutlich günstiger zu erwerben. Die ungewöhnliche Form des Grundstückes bedingte auch ein neues Denken über die Anordnung der Bauten. Statt einer u-förmigen Anordnung, wie es sonst üblich war, hat Hoffmann die Bauten introvertiert zum Wohnhof orientiert.

1914 wurde der Schloßwender Garten erstmals im Straßenverzeichnis der Stadt Hannover geführt. Als "Schloßwende" wurde das Areal östlich des Welfenschlosses, die heutige Nordstadt, bezeichnet. Bis 1924 entstanden insgesamt 197 Wohnungen. Vom Herbst 1913 bis zum Juli 1914 wurden elf Häuser mit 110 Wohnungen fertiggestellt.

Vermutlich wurde mit den beiden Häusern an der Schloßwender Straße, Haus 1 und 22, 1913 begonnen. Somit wurde unter anderem sichergestellt, dass die Spar- und Bauverein eG zügig ihre Büroräumlichkeiten beziehen konnte. Danach wurden wahrscheinlich die Häuser in beide Richtungen fortlaufend errichtet, um von der Straße Am Judenkirchhof Baumaterial liefern zu lassen und gleichzeitig den Bewohnern den Einzug in die fertigen Wohnungen zu ermöglichen. Es bewarben sich 600 Bewerber auf die ersten 24 Wohneinheiten. Dies zeigt den großen Bedarf an Wohnraum zu der Zeit.

Trotz des Ersten Weltkrieges und der daraus resultierenden Finanzierungsprobleme konnten bis 1918 weitere 108 Wohnungen fertiggestellt werden. Während des Ersten Weltkrieges übernahm der Architekt Adolf Kubick die Bauleitung, da Hoffmann im Kriegseinsatz war. 1919/1920 bedingten die wirtschaftlichen Verhältnisse und vor allem die Handelsbeschränkungen der Siegermächte, dass nur zwölf Wohnungen fertiggestellt werden konnten. Die instabilen politischen Verhältnisse führten ebenso zu dieser Situation.

1924 wurden die restlichen 27 Wohnungen, Häuser 7 bis 11, errichtet. Die soziale Struktur der Mieterschaft prägten hauptsächlich Handwerker und Arbeiter. Die zwei Flügelköpfe mit den Zugängen zum Wohnhof schließen an eine Hauptverkehrsstraße, die Schloßwender Straße, und die Straße Am Judenkirchhof an. Diese zwei eher repräsentativen Fassaden unterscheiden sich zum einen untereinander aber auch im Vergleich mit den Hoffassaden. Die monumentale, verputzte Fassade zur Schloßwender Straße stellt das Gesicht im Stadtraum dar. Durch die architektonische Formensprache erweckt diese auch den Eindruck eines Hauses, das dem gutsituierten Bürgertum zuordenbar wäre. Die Ausführung als Backsteinfassade zur Straße Am Judenkirchhof kontrastiert, ist jedoch auch repräsentativ. Die repräsentativen Straßenfassaden sind auf die Abneigung der Genossen zurückzuführen, nicht in von außen direkt erkennbaren Arbeiterwohnhäusern wohnen zu wollen.

In den Häusern zur Schloßwender Straße befand sich bis Anfang der 1980er neben einem Laden auch die ehemalige Geschäftsstelle des Spar- und Bauvereins. Die historistischen Hoffassaden bieten durch ihre Gestaltung einen besonderen Mehrwert. Den Wohnhof umgeben die einheitlich gestalteten Fassaden, die durch ihre Vor- und Rücksprünge die Fassade gliedern und durch die Gestaltung mit sichtbarem Fachwerk, Erkern, Pilastern und Gesimsen keine Monotonie aufkommen lassen. Die Handwerkerplastiken stellen realitätsnah die Berufe der meisten Bewohner dar, sodass das persönliche Identifizierungspotenzial im Wohnhof sehr hoch war.

Gemeinschaftliche Einrichtungen im Inneren der Häuser waren nicht geplant. Dafür integrierte Hoffmann in den Wohnhof einen Spielplatz. Spielplätze waren zu der Zeit sehr selten und durch die Kombination wurde eine Vorreiterrolle eingenommen. So erhielten sowohl die jüngeren als auch älteren Bewohnern einen Rückzugsort in der lauten Stadt.

Die Planungen für den Wohnhof, zur Errichtungszeit treffender als Schmuckhof bezeichnet, begannen 1914. Eine differenzierte Planung des Wohnhofes erfolgte vermutlich ab 1919. Dabei wurden Rasenflächen, Schmuckbeete, Hecken und diverse Baumarten wie Ahorn, Kastanie, Esche und Birne vorgesehen.

Als innere Fassaden zeugt die Gestaltung der Treppenhäuser auch einen hohen gestalterischen Anspruch. Die Treppenhäuser sind ähnlich gestaltet, jedoch unterscheiden sich beispielweise die Fliesen im Eingangsbereich und auch die Ausführung der Ausstattungselemente, sodass jedes Treppenhaus ein Unikat ist und sich trotzdem ein einheitliches Erscheinungsbild vorfindet. Heute besteht durch den Vergleich der Ausstattungselemente die Möglichkeit, den erstbauzeitlichen Zustand nachzuzeichnen.

Die fortschrittliche Grundrissgestaltung ist für die damaligen Verhältnisse ebenso besonders. Sie unterscheidet sich vom Regelgrundriss von Arbeiterwohnungen der Zeit sowohl in der Kombination von Wohnungsgrößen als auch beim Raumprogramm.

Im Brüggemannhof finden sich Ein- bis Fünfzimmerwohnungen. Hoffmann arrangierte die Wohnungen geschickt im dreieckigen Grundriss mit Flügeln, indem er die Dreizimmerwohnungen in den Längsseiten anordnete, die Fünfzimmerwohnungen an der Straßenseite und die restlichen Wohnungen je nach benötigter Anordnung. Vermutlich bezweckte der einzigartige Grundriss, dass die "Berliner-Zimmer-Problematik" mit einem schlecht belichteten (Durchgangs-)Zimmer gelöst wurde und schuf damit einzigartigen Wohnraum in einem hochverdichteten Kontext. Das Raumprogramm des Regelgrundrisses der Zeit sah neben maximal zwei Stuben, eine Kammer sowie eine Küche vor. Zwei Wohneinheiten teilten sich den in der Regel in der Zwischenebene angeordneten Abort.

Hoffmann entwarf die Wohnungen des Brüggemannhofes überwiegend mit Toiletten, einer Badenische sowie einer kleinen Abstellkammer in der Küche. Ein Drittel der Wohnungen verfügte sogar über einen Balkon. Alle Wohnungen können gut (quer-)gelüftet und sehr gut belichtet werden. Ausstattungstechnisch standen sie somit bürgerlichen Wohnungen dieser Zeit in fast nichts nach.

In den sukzessiven Wohnungsmodernisierungen ab den 1970er- und 1980er-Jahren wurde der Grundriss den heutigen Bedürfnissen angepasst. Neben haustechnischen und energetischen Ertüchtigungen wurde im Grundriss die Badenische, das WC und die Speisekammer zusammengeschaltet.

Im Zweiten Weltkrieg wurden 50 Prozent der Immobilien des Spar- und Bauvereins zerstört. Der Brüggemannhof wurde höchstwahrscheinlich bei der Bombardierung 1943 ebenso wie die angrenzende Druckerei getroffen. Der westliche Flügel, der westliche Schenkel des nördlichen Flügelhofes zur Straße Am Judenkirchhof sowie Teile des östlichen Schenkels des südöstlichen Flügelhofes zur Schloßwender Straße wurden stark getroffen. Weitere Gebäudeteile wurden ebenso beschädigt.

Der Wiederaufbau fand Anfang der 1950er-Jahre statt. Der Wiederaufbau muss unter den Bedürfnissen der schnellen Wiederherstellung von Wohnraum sowie immenser Kosten betrachtet werden. Daraus folgte, dass der Wiederaufbau auf das Wesentliche beschränkt wurde. Die westlichen Flügelhofbauten, in dem sich der Dreiecksgiebel und ein Arkadengang mit Türmchen befand, wurde reduziert, jedoch orientiert an der Nachbarbebauung, wiedererrichtet. Die Gestaltung des rechten Schenkels des südöstlichen Flügelhofes zur Schloßwender Straße wurde dagegen annähernd dem Vorkriegszustand entsprechend wiederhergestellt.

Der Wohnhof wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und reduziert wiederangelegt. Die Wiederanlegung erfolgte wie bei den Fassaden orientiert am Vorzustand. 1968 begannen die Planungen für eine autogerechte Gestaltung, die bis zur Umgestaltung, die bis Ende 2022 erfolgte, den Wohnhof prägte.

Die Nutzung des Brüggemannhofes hat sich bis heute – bis auf die Umwandlung des Ladens und der ehemaligen Geschäftsstelle der Genossenschaft in Wohnungen – nicht verändert. Hoffman schuf den Brüggemannhof mit einer hohen architektonischen Qualität, von der es bis dahin in Hannover nichts Vergleichbares gab.


Literatur

Baumgart, Isa; Bernhardt, Johann: Brüggemannhof Nordstadt, in: Städtebau in Hannover: ein Führer durch 50 Siedlungen, hg. Michael Braum, Berlin Reimer 2000, S. 62-63.

Gäßler, Ewald; Riechmann, Ilse; Weiß, Gerd; Zehnpfennig, Marianne: Baugenossenschaften in Hannover bis 1930, eine Publikation des Deutschen Werkbunds Niedersachsen-Bremen e.V., Hannover 1980, S. 9-25, 37-52.

Grohmann, Martina; Grohmann, Olaf: Wohnen. Die Geschichte der ersten hannoverschen Baugenossenschaft Spar- und Bauverein, Hannover, 2014.

Grohmann, Olaf: Wohnen in Hannover – 125 Jahre Spar- und Bauverein. Arbeiterwohnungsbau vor dem Ersten Weltkrieg – der Brüggemannhof, in: unter uns. Mitgliederzeitschrift der Spar- und Bauverein eG, Hannover, hg. Vorstand der Spar- und Bauverein eG, 93 (2007), S. 16-19.

Neß, Wolfgang; Rüttgerodt-Riechmann, Ilse; Weiß, Gerd; Zehnpfennig, Marianne: Exkurs: Genossenschaftlicher Wohnungsbau. Brüggemannhof, in: Baudenkmale in Niedersachsen. Stadt Hannover Teil 1, hg. Hans-Herbert Möller, Braunschweig 1983 a, S. 113.

Neß, Wolfgang; Rüttgerodt-Riechmann, Ilse; Weiß, Gerd; Zehnpfennig, Marianne: Spannhagengarten und Umgebung, in: Baudenkmale in Niedersachsen. Stadt Hannover Teil 1, hg. Hans-Herbert Möller, Braunschweig 1983 b, S. 191 f.

Neumann, Thomas: Hannovers „Rote Burg“. Der Brüggemannhof/Schloßwender Garten, in: Alltag zwischen Hindenburg und Haarmann. Ein anderer Stadtführer durch das Hannover der 20er Jahre, hg. Geschichtswerkstatt Hannover, Hamburg 1987, S. 77–81.

Vogel, F. Rudolf: Die Kleinwohnungshäuser des Spar- und Bauvereins zu Hannover, in: Deutsche Bauhütte, 21 (1917), H. 1/2, S. 5-9.

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