„Grundriss des Itzigen Bergbaus im Rammelsberg“ von Jochim Christoph Buchholtz von 1680

Von Katharina Malek und Astrid Schmidt-Händel

Im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes „Altbergbau3D. Ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung des montanhistorischen Erbes im Harz" (www.altbergbau3d.de) wurden über 400 Risse des Rammelsberges gesichtet. Sie sind ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überliefert und bilden jeweils zweidimensional die historische Situation des gesamten Bergwerks oder einzelner Grubenbereiche über- und untertage ab. Nicht selten finden sich zu den einzelnen Rissen  Befahrungsbücher. In diesen Grubenbefahrungsberichten wird die untertägige Situation beschrieben, wie sie die Bergbeamten im Rahmen ihrer Inspektionen vorfanden.

Im Rammelsberger Risswerk sind einige Generalrisse, die das gesamte offenstehende Grubengebäude, d.h. den untertägigen Bereich abbilden, enthalten. Ebenso existieren zahlreiche Grund- und Profilrisse, die für einen speziellen Zweck, wie z.B. die Wasser- oder Wetterführung, oder auch bei der Planung baulicher Veränderungen durch neue Strecken oder Radstuben angefertigt wurden. Für die montanarchäologische wie auch für die historische Forschung sind Risse und Befahrungsprotokolle sehr wertvoll. Die große partielle Detailtreue auf den Rissen erlaubt der Montanarchäologie, unbekannte Grubenräume korrekt anzusprechen und in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Das Vorhandensein von bestimmten Hohlräumen aber auch ihr Fehlen lässt Schlüsse auf den Zustand des Bergwerks zu einer bestimmten Zeit zu. Auch technische Überlegungen werden verdeutlicht, indem beispielsweise nur Strecken der Wasserhaltung oder der Bewetterung abgebildet werden. Die Befahrungsbücher gewähren einen Einblick in den baulichen Zustand der aufgesuchten Bereiche, wie Auszimmerungen oder Standfestigkeit. Darüber hinaus liefern sie genaue Maßangaben zu Strecken, Schächten und Weiten und sind zudem eine wertvolle Quelle für die Bezeichnungen der einzelnen Örtlichkeiten, die sich im Laufe der Zeit ändern konnten.

Diese „Bergwerkskarten“ sind das Ergebnis eines sich entwickelnden Markscheidewesens, wie die Vermessung im Bergbau genannt wird. Während man schon im Mittelalter Grubenbaue vermessen hat, erfolgte die maßstäbliche Übertragung in Risse erst ab dem 16. Jahrhundert. Zunächst handelte es sich um eine recht bunte Mischung aus Ansichten der Tagesanlagen mit ein paar untertägigen Strecken, bevor schließlich eine nüchterne Reduktion auf die im Zentrum der Betrachtung stehenden Inhalte erfolgte.

Der älteste bekannte Riss des Bergbaus am Rammelsberg wurde 1680 von dem Markscheider Jochim Christoph Buchholtz angefertigt. Es handelt sich dabei um einen Generalgrundriss. Bei der näheren Betrachtung fällt als erstes die große Spalte des Berges („Bruch“) im oberen Bereich auf. Die Spalten auf der Kuppe sind auch heute noch im Luftbild gut erkennbar. Dem derzeitigen Kenntnisstand nach entstanden sie durch die Auffahrung großer Abbauweiten im Mittelalter, die nicht mit Versatzmaterial verfüllt wurden. Die Folge waren große Einstürze im Innern des Berges, die an der Oberfläche zur Rissbildung führten. Unterhalb sind deutlich erkennbar die einzelnen Tagesanlagen, die durch ein scheinbares Streckengewirr miteinander verbunden werden. In der Mitte befindet sich eine Kompassrosette, im unteren Bereich ist ein Lachtermaßstab eingezeichnet. Lachter ist ein im Bergbau übliches Längenmaß, welches zunächst je nach Bergbauregion und Zeitstellung variiert bis es schließlich im 18. Jahrhundert vereinheitlicht wird. Der Harzer Lachter entsprach 1,92 Metern. Die Kompassrosette wie der Lachtermaßstab deuten auf eine maßstäbliche Darstellung hin. Allerdings erzeugt die künstlerische Darstellung der Tagesanlagen eher den Eindruck, es handele sich um eine Ansicht. Daher erfolgte eine Georeferenzierung dieses Risses. Dabei wurde zuerst die im Projekt durchgeführte Vermessung bestimmter untertägiger Bereiche in das bestehende Digitale Geländemodell eingehängt. Im nächsten Schritt wurden dann jüngere und ältere Risse eingearbeitet, die schließlich Informationen enthielten, über die es gelang auch den ältesten Riss einzuhängen. Dies hielt einige Überraschungen bereit. Das Gewirr zwischen den einzelnen Tagesanlagen stellte sich als eine tatsächlich sehr präzise markscheiderische Abbildung der untertägigen Strecken heraus. Eine bemerkenswerte Leistung! Andere Bereiche hingegen, wie der älteste bekannte Wasserlösungsstollen des Rammelsberges, der Rathstiefste Stollen, sind verkürzt dargestellt, während der zu dieser Zeit bereits fertiggestellte zweite Wasserlösungsstollen, der Tiefe Julius Fortunatus Stollen, lediglich bis auf Höhe des Voigtschen Treibschachtes abgebildet wird. Dieses lässt darauf schließen, dass die Wasserlösung hier nicht im Vordergrund stand. Deutlich macht das auch ein fast identischer Riss, den J.C. Buchholtz 1682 angefertigt hat, und der heute im Niedersächsischen Landesarchiv in Wolfenbüttel aufbewahrt wird. Hier wird lediglich auf die Fortsetzung des Tiefen Julius Fortunatus Stollens bis zum Breiten Tor verwiesen: „Tieffer continuiret von dem Signo beym Keller biß nach dem breiten Dohr vor Goßlar woselbst dieses Stollen Mundtloch“ (NLA WO, K, 5539). Ebenso sind zu dieser Zeit offenbar bereits ungenutzte oder für den Riss von 1680 irrelevante Grubenräume nicht mehr eingezeichnet, wie das mittelalterliche Feuergezäher Gewölbe, eine ausgemauerte Radstube, die heute als der älteste ausgemauerte Grubenraum Europas gilt. Die Erläuterungen zu den Treibschächten legen nahe, dass der Zweck dieses Risses wohl die Darstellung der Wetterführung war: „Kanekuler Treibschacht ist 90 Lachter tief abgesuncken daselbst fallen die Wetter ein und lauffen in dem Breitlinger Wetterschacht wieder aus“ oder „Inniger Treibschacht daselbst fallen die Wetter ein und lauffen auf der Vögtschen Lüder Süll Wetter Schacht bey dem Turm wieder aus“. Auch die präzise Illustration des Feuersetzens in den abgebildeten Grubenbereichen, mit dem das abzubauende Gebirge mürbe gemacht werden sollte, spricht für diese Annahme. Details im Wolfenbütteler Riss stützen diese These ebenfalls. Hier wird, anders als im Goslarer Riss, im Bereich der Alten Forste gewarnt: „woselbst wegen bösem wetter und gestanck nich kan gehandelt werden“. Möglicherweise ist dies nur eine weitere Abweichung zwischen den beiden Rissen, es könnte aber auch sein, dass sich die Wetter in den zwei Jahren zwischen der Anfertigung der beiden Risse in diesem Bereich tatsächlich derart verschlechtert haben.

Wenn sie auch viele Fragen aufwerfen und zu manchen Darstellungen und Beschreibungen nur Hypothesen ermöglichen, sind Risse zusammen mit den Befahrungsbüchern eine wundervolle Fundquelle für interdisziplinäres Arbeiten. Gleichzeitig dokumentieren sie den hohen technischen Stand der damaligen Zeit und helfen ein umfassendes Bild von der historischen Situation im Rammelsberg zu gewinnen.


Literatur:

Katharina Malek / Georg Drechsler, Alte Risse – Airborne Laserscanning – Archäologie unter Tage. Neue Forschungen zum Erzbergwerk Rammelsberg. In: Klaus Stedingk / Katrin Kleeberg / Johannes Großewinkelmann (Hrsg.), Das reichste Erz – im UNESCO-Weltkulturerbe Rammelsberg. – Exkurs.f. und Veröfftl. DGG 265 (Berlin 2020) 79-91.

Wolfgang Mehnert, Markscheidewesen am Rammelsberg. In: Reinhard Roseneck (Hg.), Der Rammelsberg – Tausend Jahre Mensch-Natur-Technik, Bd. 2. (Goslar 2001) 136-149.

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.