Von Feldern in Wäldern – mit Airborne Laserscans auf der Spur prähistorischer Felder

Von Michael Wesemann

Seit einiger Zeit stehen dem Landesamt für Denkmalpflege die Daten eines landesweiten Airborne-Laserscans zur Verfügung, aus denen sich hochauflösende digitale Geländemodelle (DGM) erstellen lassen. In diesen rechnerisch von Gebäuden und Vegetation bereinigten Modellen können mit speziellen Algorithmen selbst subtilste Reliefmerkmale verblüffend deutlich dargestellt werden. So überrascht es nicht, dass nun eine Fülle von bisher unentdeckten Bodendenkmälern erkennbar wird, wie historische See- und Flussdeiche, Reste von Landwehren, uralte Wegespuren, selbst noch unerkannte Grabhügel – aber auch Agrarstrukturen in Form von mittelalterlichen Wölbackerbeeten und vieles mehr.

Besonders eindrucksvoll jedoch zeigt sich nicht zuletzt eine Vielzahl von noch älteren, prähistorischen Ackerfluren, den sog. Celtic Fields. Diese aus der Luft als Bodenverfärbungen in rezenten Ackerflächen entdeckten prähistorischen Strukturen haben ihren Namen daher, dass sie zuerst in England entdeckt wurden. Hierzulande haben sie allerdings nichts mit den Kelten zu tun, wurden sie doch größtenteils während der vorrömischen Eisenzeit in den Gebieten rund um die Nordsee und in Teilen von Südskandinavien angelegt. Ihre Anfänge liegen nach jüngeren Forschungsergebnissen schon in der späten Bronzezeit und sie existierten über 1.000 Jahre lang bis in die ältere Römische Kaiserzeit hinein.

 

In einem begrenzten Gebiet, im Elbe-Weser-Dreieck, fanden sich ca. 15-30 m breite Wallstrukturen, von denen angenommen wird, dass sie angelegt wurden, um auf ihnen den tiefgründig-humosen Boden mit dem Hakenpflug zu beackern. Fast überall sonst überwiegen bei weitem aber deutlich schmalere Wälle von 3-8 m Breite, die ehemals bewirtschaftete Felder von häufig mehr oder weniger rechteckiger oder schiefwinkliger Form und Größen zwischen unter 1.000 und 2.500 m² umgrenzen. Manchmal bedeckten mehrere Hundert dieser Felder Flächen von bis zu einigen Quadratkilometern mit einem halbregelmäßig-wabenartigen Gitter. In Niedersachsen konnten sie bislang nur aus der Auswertung älterer Schwarzweiß-Luftbilder aus den 60er- bis 80er Jahren kartiert werden. Dort wiesen neuzeitliche Äcker, die frisch bestellt waren, also noch nackte Erde zeigten, anhand von Austrocknungsmustern die Geometrien der längst durch die maschinelle Bewirtschaftung eingeebneten Wälle auf. Ihre Zahl war aufgrund der Auswertungsmöglichkeiten naturgemäß recht begrenzt.

Überraschend war nun bei der Auswertung der digitalen Geländemodelle nicht die Tatsache, dass Celtic Fields in heutigen Wäldern mit wenig verändertem Bodenrelief erhalten geblieben sind, sondern welch große Flächen sie in diesen sog. historisch alten Wäldern einnehmen, und dass sie sich in fast allen dieser Wälder finden lassen. „Historisch alter Wald“ ist ein Begriff aus der Vegetationskunde, mit dem ein Wald bezeichnet wird, der – soweit urkundliche Quellen zurückreichen – niemals gerodet wurde. Solche Wälder zeichnen sich durch ein spezielles Arteninventar in der Krautschicht aus, und in der vegetationsgeschichtlichen Forschung wurde die These aufgestellt, dass dieser Umstand ein Hinweis darauf sei, dass sie die letzten Reste der ehemals unsere Landschaft dominierenden Urwälder seien. Dieses – schöne – Bild muss nun tiefgreifend relativiert werden: Große Teile gehörten vor Tausenden von Jahren zu einer ausgedehnten Kulturlandschaft. Allein in den Landkreisen Oldenburg und Cloppenburg, in denen in einem ersten Durchlauf neue Funde von Celtic-Fields kartiert wurden, hat sich die Zahl dieser prähistorischen Ackerkomplexe verzehnfacht, ihre Fläche gar verhundertfacht!

Ein besonders schönes Beispiel – und damit denkmal.objekt – ist eine ausgedehnte Celtic-Field-Flur in einer rund 2400 ha großen Waldfläche in der Gemeinde Emstek, zwischen Ahlhorn (Ldkr. Oldenburg) und Cloppenburg, bekannt unter dem sicherlich bereits mittelalterlichen Namen „Baumweg“, der auf eine alte Wegeverbindung hinweist, die von Nord nach Süd durch das Gebiet verlief. Ein Teil dieses Waldgebiets wird von dem Naturwaldreservat „Urwald Baumweg“ eingenommen (Abb.1 & 3). Der Name suggeriert, dass hier nicht nur ein historisch alter Wald stehe, sondern dass es sich sogar um einen Urwaldrest handle. In der Tat wirken die uralten, teils malerisch alternden und sterbenden Eichen durchaus so. Sie sind in Wirklichkeit aber die letzten Zeugen einer Jahrhunderte alten Hutewirtschaft: Hier weidete das Vieh der umliegenden Bauernschaften, besonders die Rinder, aber auch Schweine, die zur Eichelmast hineingetrieben wurden. Laubstreu- und Brennholzgewinnung, selbst Plaggenhieb, also die Entnahme von Erdsoden als Einstreu in die Viehställe, führten dazu, dass der „Urwald“ immer weiter aufgelichtet und wohl gänzlich zerstört worden wäre, wäre die Fläche nicht zu Beginn des 19. Jhs. in Oldenburgischen Staatsbesitz übergegangen und großflächig wieder aufgeforstet worden. Angesichts dieser bewegten Geschichte und der auch in den Boden eingreifenden intensiven Nutzung lag die Vermutung nahe, dass sich hier kaum noch das ursprüngliche Relief erhalten haben könne.

Ein digitales Geländemodell, mit einer vierfachen Überhöhung, einer Relieffarbrampe und einer Schummerung versehen, mit einer künstlichen Beleuchtung gleichzeitig aus Nordwest, Nord und Nordost in einem Winkel von 45 ° über dem Horizont, lässt einen rund 15 ha einnehmenden Celtic-Field-Komplex von bis zu 750 m Ausdehnung in Ost-West-Richtung und über 2.600 m von Nord nach Süd verblüffend deutlich erkennen (Abb. 2).

Die Qualität dieser Darstellung erlaubt mithilfe weiterer Algorithmen eine weitere Verbesserung der Darstellung. Ein „Simple Local Relief Model“ filtert alle großskaligen Höhenunterschiede aus dem DGM heraus und betont besonders die kleinformatigen, sodass unter anderem die Wallstrukturen der Celtic Fields extrem hervortreten (Abb.4). Jetzt werden weitere Merkmale sichtbar: zum einen stellt sich heraus, dass innerhalb der Felder häufig kleinere, langgestreckte Mulden die Wälle begleiten, zum anderen erscheinen die Bereiche, in denen die Wälle aneinanderstoßen, besonders hoch. Beides deutet tatsächlich auf eine Erdentnahme für ihre Errichtung hin – ein überraschendes Ergebnis, das im Gegensatz zu den jüngeren niederländischen Forschungsergebnissen steht, die besagen, dass die Wälle zumindest zum großen Teil aus an anderen Stellen gewonnenem Bodenmaterial bestehen.

Nunmehr wird eine exakte Kartierung und Vermessung der Felder, der sie einhegenden Wälle und darüber hinaus ihrer noch erhaltenen Höhen möglich (Abb. 5). Solche Vermessungen werden die Grundlage bilden für weitere Forschungen zum Alter, zur Entstehung, räumlichen Entwicklung und Nutzungsweise dieser eindrucksvollen Bodendenkmäler, die bis jetzt ihren Dornröschenschlaf in Niedersachsens alten Wäldern hielten...

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