Beste Ware aus Bornhorst!?

Von Tobias Uhlig

Der Fund des Monats Mai ist eine Handvoll spätmittelalterlicher Scherben aus dem kleinen Dorf Groß Bornhorst nordöstlich von Oldenburg. Sie wurden 1991 mit zahlreichen weiteren Gefäßfragmenten beim Leitungsbau entdeckt. Auffällig war, dass in den Grubenbefunden, die hier angeschnitten wurden, auch stark durch Hitze verformte Gefäßfragmente auftauchten. Es ist wohlbekannt, dass auch in der mittelalterlichen Keramikproduktion durch Fehler in der Feuerführung, Materialfehler oder den Standort im Ofen ein Teil der Keramik jeden Brandes entweder Sprang oder nicht den Qualitätsanforderungen für den Verkauf entsprach. Die so entstandenen Fehlbrände wurden meist in Ofennähe entsorgt. Diese sogenannten Abwurfgruben deuten also auf einen spätmittelalterlichen Töpfereistandort in nächster Nähe hin. Die spätmittelalterlichen Töpfereien im Nordwesten Niedersachsens sind bisher wenig erforscht: in den Städten, wie Bremen und Oldenburg, tauchen Töpfereien urkundlich erst sehr spät auf. Im ländlichen Raum scheint auch noch die lokale Produktion bis weit ins 13. Jahrhundert zu dominieren.

Schon aus diesem Grund sind die Bornhorster Funde von besonderer Bedeutung; gesteigert wird diese dadurch, dass die archäologische Forschung bereits in den 1970er Jahren ein mutmaßliches Produkt identifizieren konnte das hier hergestellt wurde. H. Vosgerau vom Museum für Natur und Mensch, Oldenburg, beschrieb eine Gruppe verzierter spätmittelalterlicher Dreifußkannen: Gemein war Ihnen eine vergleichsweise aufwendige Oberflächengestaltung, die durch eine sorgfältige Politur vor dem Brand und eine besondere Brenntechnik mit verschweltem Buchenholz erzeugt wurde. Als technischen Nebeneffekt ergibt sich eine für Irdenware sehr hohe Dichte und Wasserundurchlässigkeit. Selten finden sich auch ölfilmartige Flecken auf der Gefäßoberfläche, die als Hinweise auf frühe Experimente mit Salzglasur diskutiert wurden. Als Gebrauchsform waren durchweg verzierte Krüge vertreten, sodass ein Einsatz als Schankkrug bei Tisch die naheliegenste Verwendung war. In der Forschung zu mittelalterlicher Keramik werden aus der so entstandenen Summe von technischen Merkmalen und Formenspektrum Warenarten definiert. Während diese nicht immer auf ein einzelnes Produktionszentrum oder einen Produktionszeitraum hinweisen müssen, sprach bei der nun als „ Bornhorster Ware“ benannten Keramik einiges dafür.

Vosgerau fiel auf, dass neben der nahegelegenen Stadt Oldenburg Funde auch weserabwärts und im Ammerland und Friesland vorkamen, sodass er zu dem Schluss kam diese besondere Tafelkeramik sei speziell für den Export gefertigt worden. Gleich zwei der Gefäße wurden auch als Behältnis für Münzschätze dem Boden übergeben. Über diese Münzen ist ein Niederlegungszeitraum in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts wahrscheinlich. Bemerkenswert ist, dass für Groß Bornhorst ein Eintrag in dem zwischen 1428 und ca. 1450 kompilierten Oldenburger Salbuch, einem Register über Besitzungen und Einkünfte der Oldenburger Grafen, drei Töpfer erwähnt werden. An ebendieser Stelle sind auch Abgaben dokumentiert, die sie für die Verschiffung ihrer zerbrechlichen Ware auf der Hunte zu leisten hatten. Tatsächlich identifizierten viele nachfolgende Archäolog*innen in spätmittelalterlichen Fundkomplexen von Bremen über die Wesermündung bis nach Emden, Aurich und Leer Scherben vergleichbarer Keramik, die sie als „Geestkeramik“ von den wohl lokale Produzierten Grauwaren abgrenzten, und brachten sie mit dem Produktionsort Groß Bornhorst in Verbindung. Hier sind aber bereits auch erste Unstimmigkeiten zu finden: so wird die Bornhorster Feinware auch synonym mit der Schwarzirdenware der Oldenburger Geest verwendet und bei der erneuten Durchsicht der Funde von verschiedenen Oberflächenfundstellen in Bornhorst tauchen weitere Gefäßformen auf. Neben Krügen sind beispielsweise auch Schüsseln, Töpfe und Spardosen vertreten. Belieferte also Bornhorst tatsächlich die gesamte Ostfriesische Küste und Wesermündung oder ist sie nur eine Werkstatt von vielen, in der zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine neuartige Tafelkeramik gefertigt wurde?

Ein aktuelles Forschungsprojekt am Landesamt für Denkmalpflege in Oldenburg möchte unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlicher Methoden nun diese Töpfereiabfälle in den Blick nehmen um Produktionsspektrum, Produktionsdauer und die technischen Fähigkeiten in diesem ersten bekannten Nordwestdeutschen Töpferzentrums besser einschätzen zu können und zukünftig die Identifikation Bornhorster Produkte zu erleichtern. So zeigen sich bereits jetzt Hinweise darauf, dass das Bornhorster Produktionsspektrum deutlich breiter aufgestellt war als bisher bekannt. Neben der Feinware taucht in den Abwurfgruben auch eine gröbere, sandgemagerte Keramikart auf. Handelt es sich um eine Parallelproduktion für den Eigenbedarf? Oder liegt hier ein älterer Vorläufer der Bornhorster Feinware vor? Damit können die hier vorgestellten Handvoll spätmittelalterlicher Scherben als wichtige Quelle der mittelalterlichen Handels- und Technikgeschichte gelten.

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