Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Wittmund
Von Elke Onnen
Der Landkreis Wittmund – auf der ostfriesischen Halbinsel gelegen – wurde 1885 gegründet und die Stadt Wittmund zur Kreisstadt erhoben; infolgedessen wurde an der Ostseite des Marktplatzes ein repräsentatives Kreishaus nach den Entwürfen des Oldenburger Architekten Ludwig Klingenberg errichtet.Nördlich der Kreisstadt erstreckt sich die Harlebucht, die vor allem durch die Marcellusflut 1362 entstanden ist. Die Bucht verlandete ab dem 15. Jahrhundert und wurde sukzessive eingedeicht, so dass immer wieder neue Sielorte entstanden. Zu diesen gehört auch Carolinensiel, errichtet 1729 unter dem ostfriesischen Fürsten Georg Albrecht mit einer höher gelegenen Umbauung des Hafenbeckens. Der Boom des Hafens als Handelsort in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts führte dazu, dass es zu einem Kirchenneubau kam. Ansonsten gehörten die Sielorte zu Kirchspielen mit mittelalterlichen Kirchen. Landschaftsprägend in dem flachen Marschland und der Geest sind die künstlich aufgeschütteten Kirchwurten mit ihren Kirchbauten und den freistehenden Glockentürmen – beispielhaft ist die Kirchwurt in Westochtersum, ein Ensemble aus der mittelalterlichen Sendkirche des Harlingerlandes, Glockenturm und Friedhof. Ein Wahrzeichen des Landkreises ist die Reepsholter Kirche mit ihrer markanten Turmruine, der Westturm wurde 1474 bei einer Häuptlingsfehde zerstört. Die Häuptlinge hoben sich u.a. durch ein umgräftetes Steinhaus von der übrigen ländlichen Bevölkerung ab. Diese Steinhäuser sind die ältesten Profanbauten der Region, die in späterer Zeit häufig um eine Gulfscheune erweitert wurden. Ein besonderer Typ dieser Erweiterung ist das sog. „Kreuzelwerk“ bei dem Wohnhaus und Scheune im rechten Winkel zueinanderstehen, wie Werdum, Nordwerdum 17.
Die "Hauptstadt" des Harlingerlandes, das erst 1600 zur Grafschaft Ostfriesland kam, ist Esens. Ein Zeugnis der früheren Residenzstadt und des späteren Verwaltungssitzes ist das von Wangelinsche Palais am Markt, eines der wenigen erhaltenen barocken Adelpalais in Ostfriesland aus der Zeit um 1700. Das heute als Rathaus genutzte Gebäude wurde 1758 in ein Witwenstift umgewandelt. Nördlich davon erhebt sich seit 1848–1854 die heutige St. Magnus-Kirche – ein kunsthistorisch wichtiger Bau des "Rundbogenstils" von dem Hannoverschen Konsistorialbaumeister Ludwig Hellner (1791–1862).
Zu der landwirtschaftlich geprägten Region gehört auch die Seriemer Mühle. Der Galerieholländer wurde 1804 errichtet. Die Holländermühlen besitzen nicht nur einen Schau- und Zeugniswert für die Technik- und Industriegeschichte in der Region sondern sind in der flachen Marsch auch Landmarken. Das herausragendste Industriedenkmal, allein schon durch den hohen Schornstein, ist die Ziegelei in Nenndorf mit einem sehr großen Seltenheitswert: Der Ringofen mit 18 Kammern von 1903 wird bis heute mit Torf befeuert.
Im Süden durchschneidet der Ems-Jade-Kanal das Kreisgebiet. Um ihn zu überqueren wurden um 1880/1890 verschiedenen Brücken gebaut – ein technisches Denkmal ist die erhaltene Drehbrücke Hoheesche.
So vielfältig wie der Bodenbeschaffenheit ist auch die Denkmallandschaft des Landkreises Wittmund. Es lohnt sich, sie zu entdecken.