Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis und die Stadt Cuxhaven
Von Birte Rogacki-Thiemann
Der Landkreis Cuxhaven mit der namensgebenden Stadt ganz im Norden ist einer der größten in Niedersachsen, die Besiedlung ist im Vergleich jedoch eher gering. Begrenzt wird er topographisch von der Wesermündung im Westen und der Elbemündung im Nordosten, wobei die Lage an den beiden großen Flüssen sowie direkt an der Nordsee die Denkmal- und Kulturlandschaft natürlich deutlich prägt. Die Position der Gebiete an Weser und Elbe schlägt sich auch in der ehemaligen Zugehörigkeit und bis heute traditionell auch der Ausrichtung der beiden Altkreise Wesermünde (Weser) nach Bremen und Land Hadeln (Elbe) nach Hamburg nieder. Der südwestliche Teil des Landkreises gehörte historisch zum früheren Territorium Bremen-Verden, das sich über das Elbe-Weser-Dreieck erstreckte, wobei sich viele Einzugsbereiche kirchlicher, kultureller, gesellschaftlicher oder sozialer Institutionen wie Handelskammer, evangelischer Kirchensprengel, Landschaftsverband und andere bis heute an den Grenzen dieses historischen Gebietes orientieren. Die Stadt Cuxhaven gehörte noch bis 1937 zu Hamburg, während das Land Hadeln östlich davon einen eigenständigen Kreis bildete. Erst im Zuge der kommunalen Gebietsreform in Niedersachsen wurden die Altkreise Cuxhaven, Land Hadeln und Wesermünde am 1. August 1977 zum Landkreis Cuxhaven fusioniert, für den 1982–1984 ein neues Kreishaus nach Entwürfen des Hamburger Büros APB Architektengruppe Planen & Bauen errichtet wurde.
Die erhaltenen Baudenkmale sind vielfältig. Auffallend ist der große Bestand an gut erhaltenen mittelalterlichen Kirchen, von denen es im Landkreis Cuxhaven über 30 herausragende Exemplare gibt. So entstanden im Zuge der so genannten „zweiten Christianisierung“, als im Landkreis Cuxhaven nach 1100 die christliche Lehre allmählich Verbreitung fand, zahlreiche massive Kirchenbauten als vergleichsweise einheitlicher Typ mit schlichtem Rechtecksaal und eingezogenem rechteckigem oder quadratischem Chor. Als Baumaterial diente Feldstein, der auf der Geest in Form von Graniten und Gneisen vorkam. Entsprechende Kirchen entstanden sowohl im Land Hadeln als auch im Altkreis Wesermünde (dem historisch das Land Wursten sowie die südlichen Bereiche um Hagen im Bremischen, Beverstedt, Loxstedt und Schiffdorf angehörten), wo die älteste erhaltene Kirche die romanische Feldsteinkirche St. Johannes der Täufer in Bexhövede ist. Als Kirchengründer gelten die Brüder Gelmer, Albert und Lüder von Bexhövede, deren Stiftung vor 1183 erfolgte. Der einschiffige Feldsteinbau mit Kantenquadern aus Portasandstein, teilweise auch Granitsteinen, besitzt einen eingezogenen Rechteckchor, der im 15. Jahrhundert noch einmal in Backstein auf Feldsteinsockel erweitert wurde. Abweichend von den sonstigen Kirchen des Landkreises besitzt die Kirche in Bexhövede schon eine Einwölbung des späten 12. Jahrhunderts: Die drei Joche sind mit Gratgewölben über kämpferlosen Wandpfeilern ausgestattet. Die Erhöhung des Westturms in Fachwerk datiert auf 1751. Auch das ist ein landkreistypisches Datum, wurden doch viele Kirchen im 18. Jahrhundert überformt oder erweitert, und es gibt auch einige Neubauten aus dieser Zeit. Hierbei handelt es sich zumeist um schlichte Backstein-Saalkirchen wie die St. Nikolauskirche in Oppeln (Wingst). Von den neun Kirchen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind die meisten durch überregional bekannte Architekten errichtet worden, so die Bad Bederkesa (1859) von Simon Loschen (1818–1902), in Uthlede (1864) von Otto Goetze (1832–1894), in Westerwanna (1867) von Conrad Wilhelm Hase (1818–1902), in Warstade (1897) von Eduard Wendebourg (1857–1940). Ein besonderes Beispiel stellt die 1913 durch Alfred Sasse (1870–1937) nach Brand der mittelalterlichen Kirche neuer und größer wieder aufgebaute St. Dionysiuskirche in Debstedt dar. Auf den Resten der mittelalterlichen Südwand und Teilen des Chores erbaute Sasse eine erweiterte Kirche, die er mit Elementen des Jugendstils schmückte, auch die Ausstattung mit einem dem alten Kirchenraum entsprechenden Hauptschiff, einem durch große Rundbögen abgetrennten nördlichen Seitenschiff und einer Westempore von 1913 ist gut erhalten, Chor und Schiffsdecke erhielten eine prägende Akanthusmalerei.
Der herrschaftliche mittelalterliche Profanbau ist im Cuxhavener Gebiet nur noch spärlich vorhanden, einzig der um 1340 entstandene Wohnturm in Ritzebüttel (Stadt Cuxhaven) zeigt anschaulich Reste einer ehemals vorhandenen adeligen Struktur – der Standort ist gleichzeitig als Keimzelle der Stadt Cuxhaven anzusehen. Aus dem Spätmittelalter stammt zudem die dem Bautyp des Langen Hauses entsprechende Burg in Hagen im Bremischen. Auch historische Rathäuser sind – ebenfalls aufgrund der ausgeprägten ländlichen Besiedlung – kaum überkommen. Eine Ausnahme bildet hier das Rathaus in Otterndorf, das 1583 auf Veranlassung des Landesherrn in zentraler Lage im Land Hadeln errichtet wurde. Es steht in der Tradition schlichter Saalbauten, gekennzeichnet durch einen hohen, gewölbten Keller und eher bescheidene architektonische Gestaltungsmittel.
Den größten Anteil an den Baudenkmalen des Landkreises haben die Bauten bäuerlicher Kultur, die bis heute häufig auf Wurten und von Gräben begrenzt in der flachen Landschaft liegen und häufig nur über lange Stichwege erreichbar sind. Die an diesen Gräben, gelegentlich auch an den Deichen entlang führenden Wege und Straßen haben Bezeichnungen wie „Strich“, „Niederstrich“, „Marren“, „Altendeich“ und „Neuendeich“; an ihnen reihen sich die Hofanlagen mit ihren Wohn-/Wirtschaftsgebäuden und Nebengebäuden als Zeugnisse der bäuerlichen Kultur auf. Der Landkreis Cuxhaven gehört dabei vollständig in das Verbreitungsgebiet des Niederdeutschen Hallenhauses in Form von Zweiständerbauten, wie er in ältester (erhaltener) Form zum Beispiel beim 1637 errichteten Wohn-/Wirtschaftsgebäude Lindenstraße 6 in Wulsbüttel zu beobachten ist, in späterer Form, insbesondere im Land Hadeln, auch häufig deutlich größer und prächtiger auftritt.
Die Stadt Cuxhaven bildet geschichtlich und auch bautypologisch noch einen Sonderstatus, da sie – wie bereits erwähnt – seit dem 14. Jahrhundert als Exklave dem über 100 Kilometer entfernten Stadtstaat Hamburg angehörte. Ab 1905 stationierte die Kaiserliche Marine Kräfte in Cuxhaven, wodurch die Bevölkerung beträchtlich anwuchs. Am 15. Juli 1907 wurde Cuxhaven schließlich zur Stadt erklärt, die Verbindung mit Hamburg wurde allerdings erst 1937 gelöst. Cuxhaven fiel schließlich 1946 an das Land Niedersachsen. Die relativ junge Stadt hat sich vor allem in der Gründerzeit sowie in den 1910er- bis 1930er-Jahren entscheidend entwickelt, vor allem nachdem 1922 durch die Arbeiterbewegung das Wohnungsbauunternehmen „Cuxhavener Bauhütte“ gegründet worden war. Das Stadtbild ist bis heute geprägt von zahlreichen in der Regel in Backstein erbauten Mehrfamilienhäusern des sozialen Wohnungsbaus, wozu beispielsweise die Wohnsiedlungen am Holstenplatz, am Karl-Olfers-Platz, an der Wendtstraße, an der Delft- und Abendrothstraße, an der Wernerstraße sowie ebenso in Döse an der Gorch-Fock- und der Herrmann-Allmers-Straße gehören. Die Siedlungen zeichnen sich vor allem auch dadurch aus, dass namhafte regionale Architekten wie August Küchenmeister, Hans Land, Richard Alberts, P.H. Noris und Achmet Steinmetz mit ihren Entwürfen beauftragt wurden. Doch auch Hamburger Architekten wie Fritz Schumacher oder Friedrich Ostermeyer waren in der Weimarer Republik noch in Cuxhaven tätig.
Das Wahrzeichen Cuxhavens ist die Kugelbake, die hier stellvertretend für die zahlreichen, der Lage Cuxhavens geschuldeten, wassertechnischen, schifffahrtseminenten sowie nachfolgend auch seebadabhängigen Bauten stehen soll: Das hölzerne Seezeichen markiert an der Elbmündung den Übergang von der Unter- zur Außenelbe und damit die Grenze für die Binnenschifffahrt. Gleichzeitig ist die Kugelbake ist auch das Motiv des Wappens der Stadt Cuxhaven.