Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Schaumburg

Von Marie Ellersiek

Naturräumlich am Übergang von dem auslaufenden Mittelgebirge zur Norddeutschen Tiefebene gelegen, erstreckt sich die heutige Fläche des Landkreises Schaumburg in Nord-/Südachse vom Steinhuder Meer bis zum Kamm des Wesergebirges, östlich vom Calenberger Land bis westlich vor die Tore Ostwestfalen-Lippes. Bis zur Kreisreform 1977 war das Kreisgebiet in zwei eigenständige Staatsgebiete gegliedert: Mit Aussterben der Grafen von Schaumburg im Jahr 1640 erfolgte die Teilung in Grafschaft bzw. ab 1807 Fürstentum Schaumburg-Lippe und die Grafschaft Schaumburg hessischen Anteils. Bis heute sind diese politischen Zusammenhänge in der Zugehörigkeit zu zwei unterschiedlichen Landeskirchen erkennbar: der westliche Teil, ehemals Fürstentum, gehört zur Schaumburg-Lippischen Landeskirche; der östliche, ehemals der Grafschaft zugeordnete Teil, zur Hannoverschen Landeskirche. Diese geographisch-naturräumlichen, historischen und politischen Gegebenheiten spiegeln sich u.a. auch in dem rund 1.200 Objekte umfassenden vielfältigen Denkmalbestand wider. Das im Hochmittelalter vom Bistum Minden und den Grafen Roden und Schaumburg umkämpfte Territorium wurde seit dem späten Mittelalter von den Grafen zu Schaumburg dominiert. Ihr Geltungsbereich erstreckte sich zum Ende des 14. Jahrhunderts unter Otto I. bis südlich des Wesergebirges auch auf die Ämter Sternberg (drei Vogteien), Alverdissen und Barntrup. Um 1600, noch vor der Teilung, gab es zehn Ämter innerhalb der Grafschaft. Nach der Teilung derselben wurde der südliche Teil, die Grafschaft Schaumburg, von Rinteln aus regiert und unterstand bis 1821 in Personalunion direkt den Kasseler Landgrafen bzw. ab 1803 Kurfürsten. Der nördliche Teil durchlief eine Entwicklung hin zur eigenständigen Reichs-Grafschaft Schaumburg-Lippe. Sie prosperierte v.a. unter Graf Wilhelm (amtierend 1748-1777), und unter Georg Wilhelm (amt. 1787, 1807-1860), welcher 1807 den Fürstentitel erhielt. Als Freistaat Schaumburg-Lippe behielt dieser Landesteil bis 1946 seine Eigenständigkeit.
Als die häufigste Siedlungsform des ländlichen Bereiches tauchen neben der Haufensiedlung vielerorts die Hagenhufendörfer auf. Die Hagenhufenkolonisation steht in direkter Folge der auf den nach der Rodung des Dülwaldes verfügbaren Flächen strategisch durchgeführten, mittelalterlichen Siedlungspolitik der Landesherren. Charakteristische Bautypen sind Fachwerkhallenhäuser, als Drei- und Vierständerbauten konstruiert. Eine typische Schaumburger Hofstelle wird charakterisiert durch ein Haupthaus, zumeist als ein giebelständiges Wohn-/Wirtschaftsgebäude, davor eine die Dieleneinfahrt beschattende Rosskastanie, sowie weitere angeschlossene Wohn- und Wirtschaftsgebäudetypen wie der Getreidespeicher, die Leibzucht, das Backhaus. Die Verbreitung des Rundwalms (sog. Schaumburger Mütze) ist besonders im westlichen Teil der Landesfläche, insbesondere rund um Bückeburg und bis nach Westfalen, aber auch an der Bergkette südlich von Stadthagen zu beobachten. Die Untersuchung der Entwicklung dieser Konstruktionsform und der Rahmenbedingungen ihrer Entstehung ist weiterhin ein Desiderat; ihr sinkendes Vorkommen aber rechtfertigt, den noch vorhandenen Denkmalbestand als besonders schützenswert einzustufen.

In der durch und durch agrarisch geprägten Region mit fruchtbarem Lössboden als Wirtschaftsgrundlage sind mit den zahlreichen Lehmkuhlen und späteren Ziegeleien sowie den waldreichen Hängen der Wälder gute Rohstoffvorkommen vorhanden. Dazu kommen zahlreiche Sandsteinbrüche, einer der größten bei Obernkirchen gab dem weltweit verschifften, späteren Exportschlager, dem Obernkirchener Sandstein, seinen Namen. Der Teil der einfachen Landbevölkerung, der nicht (ausschließlich) von der Landwirtschaft im Voll- oder Nebenerwerb oder dem Handwerk lebte, war in der frühen Form von Industriekultur, z.B. in der das lokale Sandvorkommen verarbeitenden Glasfabrik Heye eingebunden. Umfangreiche Holzvorkommen besonders im Deister-Süntel-Tal ließen zahlreiche Sägewerke und im 19. Jahrhundert auch Möbelfabriken entstehen, durch die wiederum eine an das großstädtische Bauen angelehnte Architektursprache entstand. Sie zeigt sich in Form von großbürgerlichen Wohnhäusern mit teilweise hohem repräsentativem Anspruch ebenso wie in den funktionalen Arbeiterwohnsiedlungen mit zugehörigem kleinem Grundbesitz und Wirtschaftsgebäuden zur Selbstversorgung. Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird im Schaumburger Land der Bergbau als eine vom landesherrlichen Grafenhaus geförderte Unternehmung betrieben: Schächte innerhalb und entlang der Bückeberge und im Deister sowie die sog. Kummerhaufen als Erdaushub charakterisieren noch heute das Landschaftsbild. Von den vielzähligen ehemaligen, bisweilen heute nur noch archivalisch überlieferten Mühlenstandorten mussten u.a. einige deshalb aufgegeben werden, weil der intensivierte Bergbau das Wasservorkommen reduzierte und den Antrieb mit Wasserkraft unmöglich machte.
Mit Etablierung der Eisenbahn erhielt auch das Schaumburger Land den verkehrstechnischen Anschluss an Hannover im Nordwesten und Minden im Westen. Nebenlinien wie die Steinhuder Meer-Bahn oder die Sünteltalbahn wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts aufgegeben. Sie spielten aber dennoch für den Personen- und Warenverkehr und für eine frühe touristische Erschließung eine bedeutende Rolle. Der Mittellandkanal entstand in den 1920er Jahren als bis heute stark frequentierte Wasserstraße. Der Bau der Autobahn erfolgte in den Jahren 1933 bis 1939 längs durch das Auetal, an der Schwelle zwischen Bückeberge im Norden und Wesergebirge im Süden. Ihre Errichtung als Zwangsarbeitsleistung von in Arbeiterlagern (u.a. Rehren, Am Horn, und Rinteln, Ahe) stationierten Häftlingen hat einerseits mahnenden Erinnerungswert und bezeugt andererseits anhand der gigantischen Ausmaße der Autobahnbrücken den baukonstruktiven Fortschritt, den politischen Machtausdruck in der monumentalen Architektursprache und den technikgeschichtlichen Entwicklungszustand der Zwischenkriegszeit.

Kuranlagen wie Nenndorf mit wertvollen, schwefelhaltigen Heilquellen und bedeutsamen Landschaftspark, oder Eilsen, wo die moderne Augenheilkunde mit der innovativen Forschung des Prof. Wiser aus der Taufe gehoben wurde, gehören ebenso zur reichen Baukulturlandschaft. Beeindruckende baukulturelle Zeugnisse von Repräsentationsbaukunst haben sich in Form von ehemaligen Residenzen, Herrensitzen und Gutshöfen des niederen Adels mit zugehörigen Parks und Gärten erhalten. Heute rein landwirtschaftlich genutzte oder touristisch-kommerziell bewirtschaftete Gutsanlagen wie in Apelern, Hülsede, Helpsen, Lauenau u.a. prägen die Kulturlandschaft. Als landesherrliche Besitzungen der Schaumburger Grafen fernab der Residenzstädte Stadthagen (bis 1609) und Bückeburg sind besonders die regionalen Höhepunkte der Repräsentationsbaukunst wie z.B. Schloss Hagenburg mit der Kanalverbindung zum Festungsbau Wilhelmstein und Schloss Baum im Schaumburger Wald, unweit einer ehemaligen Grenzstation gelegen und mit einer der bedeutendsten klassizistischen Grabpyramiden (Graf-Wilhelm-Grabmal) des norddeutschen Raumes ausgestattet, zu erwähnen. Die Denkmal- und Baukulturlandschaft der selbstverwalteten Städte Bückeburg, Stadthagen und Rinteln und ihrer Ortsteile wurde für den Denkmalatlas gesondert bearbeitet. Mit der Fertigstellung der Stadt Rinteln ist der Landkreis Schaumburg nun insgesamt freigeschaltet.

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.