Gulfhof Kankena
- Landkreis
- Aurich
- Gemeinde
- Dornum
- Gemarkung
- Westerbur
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Westerbur
- Adresse
- Westerburer Polder 6
- Objekttyp
- Wohn-/Wirtschaftsgebäude
- Baujahr
- 1806
- bis
- 1806
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 51532241
- Objekt-Nr.
- 101
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Beschreibung
- Ostfriesischer Gulfhof in Einzellage. Eingeschossiges Backsteingebäude mit Drempel, Steilgiebel und ziegelgedecktem Satteldach. 1806 errichtet. Der fünf auf vier Achsen messende Wohnteil über die nordöstliche Achse traufseitig erschlossen. Vermutlich späteres Zwerchhaus über dem Eingang. Dach über dem Wirtschaftsgiebel halb abgewalmt, der Giebel ein Wiederaufbau nach Sturmschaden von 1962. Dreiseitig umgräftet.
- Denkmalbegründung
- Eine Gruppe von neun privaten Interessenten wandte sich 1770 an die Königlich Preußische Kriegs- und Domänenkammer in Aurich mit der Bitte, das nahe Westeraccum gelegene Deichvorland, den sogenannten Westerburer Heller, eindeichen zu dürfen. Unter ihnen war Hajo Laurenz Damm, ab 1752 Amtsverwalter von Norden, der 1764 bereits den westlich angrenzenden Dammspolder eingedeicht hatte. Als Mitinteressent war er insgesamt an der Eindeichung von fünf weiteren Poldern beteiligt. Das vor dem Deich anwachsende Land fiel nach altem Harlinger Recht eigentümlich an den Landesherrn, der es verwalten und üblicherweise als Viehweide verpachten ließ. Mit Blick auf die aus der Erbpacht zu erzielenden Einnahmen aber bewilligte König Friedrich II. von Preußen das Vorhaben, sodass im Laufe des Jahres 1771 die 175 Hektar große Fläche des 1787 erstmals urkundlich als Westerburer Polder in Erscheinung tretenden Landstrichs eingedeicht werden konnte. Südlich wird der Westerburer Polder durch den zwischen Westerbur und Bensersiel verlaufenden und aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammenden, alten Deich begrenzt. Als einer von insgesamt nur zwei Höfen befindet sich der 1806 errichtete Gulfhof Kankena in diesem etwa fünf Kilometer nordwestlich der Stadt Esens gelegenen Polder. Das Wohnwirtschaftsgebäude zeigt anhand der schlichten und strengen Fassadengestaltung des Wohnteils typische Elemente ostfriesischer Gulfhäuser der zweiten Hälfte des 18. bzw. des frühen 19. Jahrhunderts. Der ostfriesische Gulfhof, ein Eindachhof bestehend aus einem ein- bis zweigeschossigen Wohnteil und einem rückwärtig anschließenden, breiteren Wirtschaftsteil mit tieferen Traufen, war seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis ins zweite Drittel des 20. Jahrhunderts die dominierende Hausform Ostfrieslands, weshalb dem Gebäude neben seiner eingangs erläuterten ortsgeschichtlichen Bedeutung auch noch eine geschichtliche Bedeutung aufgrund seines Zeugnis- und Schauwertes durch die beispielhafte Ausprägung eines Stils und Gebäudetypus zukommt. Siedlungsgeschichtliche Bedeutung erlangt der Gulfhof aufgrund seiner Lage in einem frühneuzeitlichen Polder. Erst nach Eindeichung der ostfriesischen Halbinsel im Laufe des 13. Jahrhunderts gelang es den Menschen dauerhaft in der ebenen Marsch sesshaft zu werden. Bis dato konnten ganzjährig bewohnbare Plätze nicht abseits der Schutz bietenden Flussrücken und Warften angelegt werden. Ziel der im späten 11. Jahrhundert einsetzenden Eindeichung war nicht allein, das Landesinnere vor Überflutungen zu schützen, sondern gleichzeitig auch Neuland hinzuzugewinnen. Erste Vorstöße, die neuen Gebiete zu besiedeln, wurden schon im Laufe des 12. Jahrhunderts unternommen. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich Teilbereiche eingedeicht waren, wurden die neuen Höfe weiterhin auf bis zu zwei Meter hohen Warften errichtet. Mit Schließung der Deichlinie, die einen deutlichen Zugewinn an Sicherheit mit sich brachte, änderte sich auch die Siedlungsweise. Statt wie bislang die Gebäude in Gruppen auf gemeinsamen Wohnhügeln zu errichten, erschloss man das Land nun vorwiegend mit Einzelhöfen, für die zum Schutz gegen das während der Winter anfallende Niederschlagswasser nur noch flache, etwa einen Meter hohe Warften angelegt wurden. Während im Mittelalter hauptsächlich die Altmarsch flächig besiedelt worden war, begann man mit Anbruch der Neuzeit vorzudeichen, das bedeutet, dem Meer mittels Eindeichung neues Marschland abzuringen. In einigen Küstenabschnitten, insbesondere entlang der großen Buchten, erfolgte die Landgewinnung etappenweise, sodass hier mehrere eingedeichte Flächen, die sogenannten Polder oder Groden, aufeinander folgten. Erst mithilfe der neuzeitlichen Einpolderungen waren die Ostfriesen in der Lage, sich selbst vollumfänglich mit Getreide zu versorgen. Insbesondere die jungen, höher gelegenen Polder, deren Böden kalkreicher, trockener und zumeist auch sandiger waren, eigneten sich für den Ackerbau. Die Lage in der freien Landschaft macht den Gulfhof auch in städtebaulicher Hinsicht zu einem typischen Element des ostfriesischen Landschaftsbildes. In der flachen Marschenlandschaft des Harlinger Landes sind die stattlichen Einzelhofanlagen, die durch ihre großen, roten Dachflächen schon von fern wahrnehmbar sind, prägend für das Landschaftsbild. Der Erhalt des Wohnwirtschaftsgebäudes liegt aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung sowie aufgrund seiner Beispielhaftigkeit für einen Stil und Gebäudetypus in Verbindung mit dem guten Überlieferungszustand im öffentlichen Interesse. Die Außenhaut sowie die Konstruktion mit dem namengebenden Gulfgerüst sind bis heute erhalten geblieben, sodass das Gebäude ein hohes Maß an Integrität und Authentizität aufweist. Die nach wie vor ungestörte Einzellage innerhalb des eingepolderten Gebiets ist daneben von hohem exemplarischem Wert für die Siedlungsgeschichte.
- Weiterführende Links
- Polder 72: Historie
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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