Mahnmal Synagoge
- Landkreis
- Göttingen
- Gemeinde
- Göttingen, Stadt
- Gemarkung
- Göttingen
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Göttingen
- Adresse
- Platz der Synagoge
- Objekttyp
- Mahnmal
- Baujahr
- 1970
- bis
- 1973
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 48409422
- Objekt-Nr.
- 2184
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Beschreibung
- „Mahnmal Synagoge“ auf dem Grundstück der 1938 niedergebrannten Göttinger Synagoge, angelegt auf einem nahezu dreieckigen Platz am Zusammentreffen von Untere- und Obere-Masch-Straße. Künstlerische Skulptur-, Bauwerks- und Platzgestaltung, 1970 entworfen vom römischen Bildhauer Corrado Cagli, 1973 eingeweiht. Vorgeschichte Die 1869-70 errichtete und 1895 erweiterte Göttinger Synagoge stand auf einem großen Grundstück an der Unteren-Masch-Straße, Ecke Obere-Masch-Straße. Sie wurde am 9. November 1938 in der Reichsprogromnacht angezündet und damit ein Opfer nationalsozialistischer Zerstörung. Tags darauf erfolgte die Sprengung und 1939 die Einebnung. Das 1940 enteignete Grundstück wurde 1952 an die Jüdische Gemeinde zurückgegeben, die es an den Deutschen Gewerkschaftsbund verkaufte, der 1955 auf dem eigentlichen Synagogen-Ort ein Gewerkschaftshaus errichtete. Der nördlich vorgelagerte, dreieckige Platz gehörte mit zum Synagogen-Grundstück und wurde bis zur Errichtung des Mahnmals als öffentlicher Parkplatz genutzt. Einzig eine 1960 am Gewerkschaftshaus Obere-Masch-Str. 10 angebrachte Bronzetafel bot Erinnerung. Mahnmal-Geschichte In den meisten deutschen Kommunen wurden Synagogen-Mahnmale, die raumgreifend und in künstlerischer Gestaltung an den Standort der zerstörten Synagoge der Gebetshäuser und an die jüdischen Gemeinden erinnern sollen, erst in den 1990er Jahren aufgestellt. In Göttingen gab es bereits im März 1970 im Stadtrat eine politische Initiative zur Errichtung eines Mahnmals auf dem Dreiecksplatz, wo zuvor seit 1960 die erste Gedenktafel angebracht war. Hauptinitiatorin war die Ratsherrin Hannah Vogt, gleichzeitig örtliche Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Beauftragt wurde der in Göttingen 1970 durch eine Ausstellung bekannt gewordene römische Künstler Corrado Cagli (1910-1976). Cagli war jüdischen Glaubens und hatte selbst 1938 vor den Nationalsozialisten nach Amerika fliehen müssen. Das im Herbst 1970 aus Rom gelieferte Mahnmal-Modell begleiteten die römischen Architekten Franco Muzzi und Cosimo Gentile als Caglis Mitarbeiter, die den Entwurf Ende 1970 und 1972 in Göttingen vorstellten. Die Entwurfsarbeiten zur Gesamtgestaltung in drei Varianten sowie Finanzierung und Ausführung zogen sich drei Jahre hin. Die Federführung der Stadt Göttingen lag bei Kulturdezernent Konrad Schilling, die bauliche Umsetzung leitete Stadtbaurat Herbert Wiltenstein. Den Stahlbau des Mahnmals führte die Schlosserei Willi Funke (Göttingen) aus. Die Einweihung des Mahnmals erfolgte am 9. November 1973, auf den Tag 35 Jahre nach Zerstörung der Synagoge, unter Polizeischutz und auf Einladung der Stadt Göttungen, unter Beteiligung von hoher politischer und gesellschaftlicher Prominenz, einschließlich ehemaliger jüdischer Bürger Göttingens und mit einem mehrtägigen Rahmenprogramm. Bescheibung Das Mahnmal Synagoge ist eine raumgreifende, begehbare Raumgestaltung. In der Mitte des Dreiecksplatzes steht eine erhöht auf einem Stahlträgerrost aufgestellte Stahlrohrskulptur über einem sechseckigen Stahlbetonunterbau mit etwa 15 Metern Duchmesser. Die zentrale 5,25 Meter hohe Plastik besteht aus 86 Stahlrohr-Dreiecken, die um zwei Achsen rotierend aufeinander geschichtet sind und nach oben hin kleiner werden. Jeweils zwei Dreiecke ergeben zusammen das bedeutungsvolle Grundmotiv des Davidsterns, was in der Seitenansicht durch die Drehungen zusätzliche an eine brennende Fackel erinnert, was nachts durch die von Anfang an geplante Anleuchtung optisch verstärkt wird. Das Davidstern-Motiv lässt sich besonders gut von unten betrachten, wofür man über eine der sechs Treppen zehn Stufen in einen sechseckigen Zentralraum hinab steigt, wo der Davidstern auch das Bodenpflaster ziert. Im oben offenen Raum unter der Plastik befindet sich an der östlichen Seitenwand eine zuletzt im Planungsprozess 1973 noch hinzugekommene Natursteintafel mit der versöhnlichen hebräischen und deutschen Inschrift: „BERGE WERDEN WEICHEN / UND HÜGEL WANKEN / ABER MEINE GNADE / WIRD VON DIR NICHT WEICHEN“ (Nach Jesaja Kapitel 54, Vers 10), mit der Ergänzung: „ZUR ERINNERUNG AN DIE 1938 / NIEDERGEBRANNTE SYNAGOGE / UND DEN LEIDENSWEG DER / JÜDISCHEN GEMEINDE. / STADT GÖTTINGEN / ENTWURF PROFESSOR CORRADE CAGLI, ROM / EINGEWEIHT AM 9. NOVEMBER 1973“. Im Sepember 1995 kamen an den übrigen Wänden fünf Bronzetafeln hinzu, welche an die 282 Namen (mit Geburtsdaten) der in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Bürger aus Stadt und Kreis Göttingen erinnern. (Einleitende Inschrift: „DIE JÜDISCHEN BÜRGER / DER STADT UND DES KREISES GÖTTINGEN / KINDER, FRAUEN UND MÄNNER / ERMORDET IN DUNKLER ZEIT / 1933 – 1945“.) Mehr als zwanzig Jahre nach Einweihung des Mahnmals erhielten somit die Opfer ihre Namen zurück, was im jüdischen Glauben von besonderer Bedeutung ist. Die unteren Raumwände und Treppenwände sind aus hellem Stahlbeton und zeigen Abdruckspuren der hölzernen Schalbretter, während die Außeneinfassungen der sechs umgebenden Grünflächen aus dunklerem Kunststein bestehen. Die Gestaltung des zentralen Skulpturbauwerks greift städtebaulich und künstlerisch auf die gesamte Fläche des Dreiecksplatzes aus, der mit hellem und dunklem Kunststeinpflaster belegt ist. Zum einen verlängern sich die sechs Treppenläufe außen in hell abgesetzten Bahnen und zum anderen werden die dazwischen liegenden Felder zu einem Teppichmuster mit geknickten, hellen und dunklen Streifen gegliedert, die sich aus dem Sechseck des Davidsterns ableiten und bis an die umgebenden Bordstein- und Häuserkanten verlaufen. Von diesem Muster werden auch zwei Baumstandorte umschlossen. An den Straßenseiten bilden zusätzlich niedrige, bauzeitliche Waschbeton-Poller eine Grenze. Diese sind teilweise mit Steckzapfen im Boden befestigt, um gelegentliche Zufahrten zu ermöglichen. Rezeption Das Mahnmal Synagoge hatte seit Anbeginn einen hohen kulturpolitischen Anspruch zu Gedenken und Versöhnung. Schon 1974 veröffentlichte die Stadt Göttingen Beschreibungen, Dokumente und Presseecho zum Mahnmal Synagoge in einer 120 Seiten umfassenden Dokumentation. Jährlich am 9. November findet am Mahnmal eine städtische Gedenkfeier statt. Ende 1991 erhielt der bis dahin namenlose Platz offiziell die Bezeichnung „Platz der Synagoge“. Im September 1995 wurde das Mahnmal um fünf Bronzeplatten mit den Namen der ermordeten Göttinger Juden ergänzt. Für die regelmäßige Pflege und Unterhaltung sorgt der bei der Stadt zuständige Fachdienst Kultur. Zum verbesserten Verständnis stellte 2018 die Stadt eine erläuternde Ergänzungstafel an den Rand des Mahnmals. 2018 und 2020 fanden Instandsetzungen statt.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des Mahnmals Synagoge in Göttingen als Kulturdenkmal besteht ein öffentliches Interesse wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung. Die ortsgeschichtliche Bedeutung besteht aufgrund des Zeugnis- und Schauwertes für die Kultur- und Geistesgeschichte Göttingens betreffend die Zerstörung der Synagoge in der NS-Zeit und das kommunale Gedenken in der Nachkriegszeit. Die Bedeutung für die Kunstgeschichte liegt in der deutschlandweit einzigartigen Gestaltung sowie als besonders frühes Synagogen-Mahnmal, das zudem eine Platz-Architektur schafft. Das Mahnmal Synagoge ist außerdem das Werk des bekannten Künstlers Corrado Cagli. Die künstlerische Bedeutung beruht auf den überregional nicht alltäglichen künstlerischen Gestaltwerten, die ein symbolisch aufgeladenenes und ausdrucksstarkes Mahnmal mit Platzgestaltung bilden. Städtebauliche Bedeutung besteht wegen des prägenden Einflusses auf das Straßen- und Ortsbild mit dem „Platz der Synagoge“ im Schnittpunkt von vier Innenstadt-Straßen als zentraler Ort und als Platz der ehemals hier vorhandenen Göttinger Synagoge.
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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