Ev.-luth. Matthäuskirche, Lister Kirche
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- List
- Orts-/Stadtteil/Lage
- List
- Adresse
- Wöhlerstraße 13
- Objekttyp
- Kirche (Bauwerk)
- Baujahr
- 1905
- bis
- 1972
- Personen
- Wendebourg, Eduard
Vogel, Gudrun
Vogel, Klaus
Bücker, Heinrich-Gerhard
Breuste, Hans-Jürgen
Zimmermann, Siegfried
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 44225511
- Objekt-Nr.
- 6585
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- 1960+-in-Hannover Nachkriegskirchen
- Beschreibung
- Auf dreieckigem, von den Straßen An der Lister Kirche, Lister Kirchweg und Wöhlerstraße umgebenen Grundstück, zwischen erhaltenem Turm (im Osten) und Chor (im Westen) der kriegszerstörten Kirche von 1906 errichteter, flachgedeckter Massivbau aus Stahlbeton. Die einzigartigen Außenfassaden der Kirche bestehen aus einem besonderen Ortbeton (Leichtbeton mit Zuschlägen aus Blähschiefer und Schmelzkammergranulat, nach dem Ausschalen des Betons steinmetzmäßig bearbeitete Oberflächen). Als Kirchsaal der Matthäuskirche, mit eingetieft liegender Werktagskapelle in den Jahren 1971-1972 neu von den Architekten Klaus und Gudrun Vogel (Hannover) erbaut. Im Inneren heller Marmorfußboden, Altar aus Naturstein, Standleuchter, Pult und Kanzel (Entwurf jeweils wohl von Klaus und Gudrun Vogel). Altarleuchter, Altarkreuz und Taufstein aus der alten Kirche. Die auf der Empore vorhandene Orgel wurde zwischen 1974-1985 von der Firma Hillebrand (Isernhagen/Altwarmbüchen) gebaut (unter Einbeziehung von Teilen der 1951 wohl für die ehemalige Notkirche von der Firma Hammer aus Hemmingen-Arnum erstellten Orgel). In der Werktagskapelle befindet sich eine kleine Orgel, 1968 ebenfalls von der Firma Hillebrand erbaut. Altar und dortige pultartige Kanzel der Werktagskapelle wohl von Klaus und Gudrun Vogel, zwei Altarleuchter und Altarkreuz aus Metall von Siegfried Zimmermann (Hannover), Altarfenster (Cortenstahl und Glas) von Hans-Jürgen Breuste (Hannover). In der Entwicklungsgeschichte der niedersächsischen Sakralarchitektur nimmt der Kirchenbau aufgrund der beispielhaften Ausprägung der Außenfassaden aus Beton, der Positionierung zwischen den verbliebenen Teilen der historischen Kirche (als Ersatzbau für eine zwischenzeitlich dort vorhandene "Bartningsche Notkirche") und der plastischen Gesamtformensprache des blockartigen Bauwerks eine Sonderstellung ein. Die Architektur ist nur bedingt mit wenigen zeitgleichen Lösungen in Niedersachsen und Deutschland vergleichbar.
- Denkmalbegründung
- Die alte Matthäuskirche wurde zwischen 1905 und 1906 vom Architekten Eduard Wendebourg errichtet und erlitt im Zweiten Weltkrieg durch Bombenabwürfe ab 1943 starke Zerstörungen: erhalten blieben nur der Turm, der südliche Querhausarm und der polygonale Chor der Kirche. In der Nachkriegszeit steigen die Gemeindegliederzahlen durch die Rückkehr der evakuierten Bevölkerung sowie durch Zuzug infolge von Flucht und Vertreibung stark an, sodass die Gemeinde zum einen früh den Wunsch der Wiederherstellung des Kirchsaals, zum anderen den Bedarf nach einem vielseitig nutzbaren kirchlichen Raum für verschiedene Arten der gemeindlichen Zusammenkunft formulierte. Zudem wollte sich die Nachkriegsgeneration nicht mehr alleine auf die überlieferten kirchlichen Bautraditionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts berufen. Neue Materialien und Baukonstruktionen, neue Formen künstlerischen Ausdrucks sollten dem gelebten Glauben in einer neuen demokratischen Gesellschaft neuen Ausdruck verleihen. Als Provisorium blieb zunächst, bis zu ihrer Demontage im Jahre 1967, an der Stelle des alten Kirchsaals eine „Bartningsche Notkirche“ des seltenen, sogenannten „Typus B ohne gesonderten Altarraum“ stehen. Der heutige Saal der Matthäuskirche entstand zwischen erhaltenem Turm (im Osten) und Chor (im Westen) der kriegszerstörten Kirche - als letzter der Wiederaufbauzeit in Hannover zuzuordnender Kirchbau - in den Jahren 1971-1972 nach Plänen und unter der Leitung der Architekten Klaus und Gudrun Vogel (Hannover). Die einzigartigen Außenfassaden der Kirche bestehen aus einem besonderen Stahlbeton, der nach dem Ausschalen steinmetzmäßig maschinell abgespitzt wurde. Die Architekten entwarfen in direktem Anschluss an den verbliebenen Westchor einen flachgedeckten Kirchsaal aus vor Ort gegossenen, winkelartigen, gebäudehohen Beton-Wandelementen, der Kircheninnenraum wird lediglich von den drei Chorfenstern und den raumhohen, schlitzartigen Befensterungen aus transluzentem Drahtglas, die zwischen den Beton-Wandelementen liegen, belichtet. Der introvertierte Saal wird unter einer expressiven, massiven, abgerundeten, und im Gegensatz zu den Außenwänden der Kirche brettschalungsrauen Betonattika erschlossen. Hier sitzt - zwischen dem alten Turm und dem neuen Saal – ein zur Straße hin großzügig verglaster Vorraum, von dem aus das Turmerdgeschoss, der Saal und auch eine zwischen „Alt und Neu“ liegende Werktagskapelle zugänglich sind. Vorraum und Werktagskapelle waren ursprünglich eingeschossig und flach gedeckt. Sie waren bis zum erneuten Umbau der Kirche im Jahr 2007 (Erweiterung, Architekturbüro Woelk und Wilkens, Hannover) als deutlich niedrigere Bauteile zwischen Turm und Saal erkennbar. Die Gestaltung der Freitreppenanlage im Osten und der Freiflächen im Süden der Kirche stammt ebenfalls aus den 1970er Jahren (Landschaftsarchitekt Joachim Adam). Die Kirche wird in der einschlägig bekannten Fachliteratur mehrfach erwähnt und beschrieben. Die Nennung des Baus auf der 2007 herausgegebenen Vorschlagsliste schützenswerter Bauten der Architektenkammer Niedersachen war Anlass für die denkmalfachliche Beschäftigung mit den Bauwerk, welche letztendlich in die Aufnahme der Kirche in das Verzeichnis der Kulturdenkmale mündete. Die Kirche der Nachkriegszeit wurde 1976 mit dem Architekturpreis des BDA ausgezeichnet. Die Hinzufügungen des Architekturbüros Woelk Wilkens (Hannover) zur Schaffung eines Gemeindezentrums aus den Jahren 2006-2007 wurden ebenfalls mit dem Architekturpreis des BDA Niedersachsen ausgezeichnet. In der Entwicklungsgeschichte der niedersächsischen Sakralarchitektur nimmt der Kirchenbau aufgrund der beispielhaften Ausprägung der Außenfassaden aus Beton, der Positionierung zwischen den verbliebenen Teilen der historischen Kirche und der plastischen Gesamtformensprache des blockartigen Bauwerks eine Sonderstellung ein. Die Architektur ist nur bedingt mit wenigen zeitgleichen Lösungen (z. B. Architekten Klaus und Gudrun Vogel, Dietrich-Bonhoeffer-Kirchenzentrum, 1978-81, Hannover; z.B. Architekt Heinz Siegfried Laessig, Heilig-Geist-Kirche und Kindergarten, 1975-76, Hannover; und z. B. Architekten Toni und Hannes Hermanns, St. Raphael Kirche und Gemeindezentrum, 1969-73, Wolfsburg Detmerode, oder mit Sichtbetonbauten von Rolf-Dieter Ramcke wie z.B. der Musikhochschule Hannover, 1970-73) in Niedersachsen vergleichbar. Die zeittypische Tendenz zu skulpturaler Betonarchitektur und die Abkehr vom „Funktionalistischen Bauen“ sind deutlich erkennbar. Skulpturale Gestaltungsansätze in Beton finden sich zwar im niedersächsischen Kirchenbau bereits ab den 1960er Jahren – vgl. hierzu das Kirchenzentrum St. Thomas in Helmstedt von Dirk-Erich Kreuter und Ulrich Hausmann aus dem Jahr 1963 (im Bereich der Braunschweigischen Landeskirche) und die Zwölf-Apostel-Kirche in Hildesheim von Dieter Oesterlen aus dem Jahr 1967 (im Bereich der Hannoverschen Landeskirche), die Bauaufgaben unterscheiden sich jedoch grundsätzlich vom Saalbau der Matthäuskirche. In Hannover List waren Bestandsbauteile in den Neubau zu integrieren und die Art der Oberflächenbehandlung ist als sehr eigenständige Lösung zu bezeichnen. Im bundesweiten Vergleich wäre am ehesten noch der Mariendom in Neviges aus dem Jahre 1972 von Gottfried Böhm als Bezugspunkt zu nennen, auf den sich die Architekten Vogel und Vogel laut eigenen Angaben bezogen haben wollen. In der Ausprägung der Bauaufgabe und -form bespielhaft und mit einem hohen Aussage- und Zeugniswert, besteht an der Erhaltung der Matthäuskirche daher aufgrund ihrer geschichtlichen Bedeutung für die Orts-, Siedlungs-, Stadtbau- und Sozialgeschichte der Stadt Hannover, zudem für die Bau- und Kunstgeschichte wegen der beispielhaften Ausprägung eines Baustils und -Typus, ebenso als Werk lokal und überregional bekannter Künstler und Architekten, aufgrund ihrer künstlerischen Bedeutung wegen der nicht alltäglichen Gestaltwerte und wegen der bedeutenden Innenraumgestaltung, aufgrund ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wegen des Seltenheits-, Beispiel- und Überlieferungswertes sowie aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung, mit prägendem Einfluss auf das Straßenbild, ein öffentliches Interesse.
- Gruppen (ID | Typ | Beschreibung)
- 30591698 | Kirchenanlage (Baukomplex) | Matthäuskirche mit rahmender Bebauung
- Literatur
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- Weiterführende Links
- Denkmaltopographie Stadt Hannover, Teil1 10.1: Objekterwähnung
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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