Zachäuskirche
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- Herrenhausen
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Burg
- Adresse
- Harzburger Platz 13
- Objekttyp
- Kirche (Bauwerk)
- Baujahr
- 1966
- bis
- 1968
- Personen
- Brockes, Johannes
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 42091563
- Objekt-Nr.
- 6489
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Nachkriegskirchen
- Beschreibung
- Inmitten der Siedlung Burg an der Ostseite des Harzburger Platzes gelegene Kirche mit Eingangsbauwerk, Kirchenschiff, Sakristei, Turm und südwestlicher Freifläche, errichtet 1966 bis 1968 von Johannes Brockes und Klaus Doerr. Kirchenschiff in Mischbauweise, teils mit Eternitschieferbehang und hohem Satteldach, unter Verwendung der Bartning‘schen Notkirche von 1949 vom ehemaligen Standort Matthäuskirche Hannover-List. Komplette Ausstattung von 1968 mit Ergänzungen aus den 1970er bis 1980er Jahren erhalten, unter anderem die Fenster vom Künstler Hans Sasse (Ausführung wohl Gerd Stallbaum). Westlich ein eingeschossiges Eingangsbauwerk, massiv, Flachdach mit Oberlichtern. Im Inneren Windfang und Vesperkirche mit großflächigem Wandbild, Gold auf Betonrelief von 1984 (Künstler Doppelfeld, Hannover). Nordöstlich des Kirchenschiffs Sakristei, massiv, Flachdach. Südwestlich des Kirchenschiffs Turm über quadratischem Grundriss, Stahlbetonkonstruktion teils mit Eternitschieferbehang, drei Bronzeglocken, Uhrengeschoss, nach oben hin nachträgliche Turmbekrönung als Abschluss.
- Denkmalbegründung
- Die im westlichen Teil des Stadtteils Burg am Harzburger Platz gelegene evangelisch-lutherische Kirche ist eine Tochtergründung der Herrenhäuser Kirche. Burg wird westlich des Vinnhorster Wegs als nahezu reines Wohngebiet überwiegend von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt und wurde erst ab Ende der 1930er Jahre des 20. Jahrhunderts planmäßig besiedelt. Die Entstehung des heutigen Kirchbaus ist in mehrfacher Hinsicht mit den Einwirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die Stadt und die Bevölkerung und mit der durch Flucht und Vertreibung in der Nachkriegszeit stark ansteigenden Gemeindegliederzahlen verbunden. Infolge des Anwachsens der Gemeindemitgliederzahlen in Herrenhausen auf 15.000 Mitglieder im Jahre 1960 wurde neben der Gustav-Adolf-Gemeinde in Leinhausen die Zachäusgemeinde im sogenannten Harzer Viertel in Burg gebildet. Der Grundsteinlegung am 30. Oktober 1966 folgten das Richtfest am 31. Mai 1967 und die Einweihung am 05. Mai 1968 durch Landesbischof Hanns Lilje. Die Architekten der Kirche, Johannes Brockes und Klaus Doerr, integrierten im Bereich des Kirchenschiffs Teile der Bartning‘schen Notkirche vom ehemaligen Standort der Matthäuskirche in Hannover-List, die dort 1949 aufgestellt worden war. Die Lister Notkirche war ein Bau des sogenannten „Typs B“ in der eher seltenen Ausführung ohne gesonderten Altarraum. Sie stand dort als Provisorium bis zu ihrer Demontage im Jahre 1967 an der Stelle des alten, kriegszerstörten Kirchsaals. Mit Hilfe von ausländischen Spendengeldern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland 43 Notkirchen errichtet. Die sogenannten Bartning‘schen-Notkirchen wurden im Rahmen eines 1945 vom Evangelischen Hilfswerk ins Leben gerufenen Kirchenbauhilfsprogramms deutschlandweit ausgeführt. Auf Grundlage des vom Architekten Otto Bartning (1883-1959) entwickelten Konstruktionsprinzips sollte – mittels Einsatz einer standardisierten Holzbinderkonstruktion im Zusammenspiel mit nichttragenden Außenwänden aus vor Ort vorhandenen Materialien oder Trümmerziegeln – dem durch die kriegsbedingten Zerstörungen und den Zuzug vieler Flüchtlinge entstandenen Mangel an Räumen für den Gottesdienst abgeholfen werden. Otto Bartning zählt zu den berühmtesten deutschen Architekten und Architekturtheoretikern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es zeichnete vor allem für eine Vielzahl im In- und Ausland errichteten Kirchen verantwortlich und beschäftigt sich in seinen Schriften intensiv mit dem zeitgenössischen Kirchenbau. Bartning hatte für das Hilfsprogramm ein einfaches, materialsparendes Modulsystem aus tragenden Holzbindern entwickelt, das andernorts vorgefertigt, an den Einsatzort transportiert und dort in kurzer Zeit montiert werden konnte. Die Zachäuskirche weist somit wohl als einziger Bau in Deutschland die Besonderheit auf, dass hier die Holzbinder eine Notkirche aus des späten 1940er Jahren in Zweitverwendung bei der Errichtung des Neubaus der späten 1960er Jahre genutzt wurden. Insgesamt war in Burg gestalterisch nicht die originalgetreue Wiedererrichtung der Bartning’schen Notkirche intendiert: die nützlichen Teile wurden – lediglich im Saal sichtbar – integriert und bewahrt, der Entwurf des Kirchbaus wurde aber aus den örtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten des Raumprogramms heraus neu entwickelt. Die komplette Ausstattung von 1968 mit Ergänzungen aus den 1970er bis 1980er Jahren ist erhalten geblieben. Hier sind als prominenteste Künstler der von 1975 bis 1998 als Professor an der Fachhochschule Hannover im Fachbereich Kunst und Design beschäftigte Maler Hans Sasse (Hannover, Fenster der Giebelseiten und der Südseite, Ausführung wohl Gerd Stallbaum, 1968) und der vielbeschäftigte Kunstschmied Heinz Kerstan (Hüpede, Portaltüren, Altarleuchter, Altarkreuz, Wandkreuz, Standleuchter, 1968) aber auch die Textilkünstlerin Emmi Becker zu nennen. Die Architektur der Kirche ist in vielerlei Hinsicht beispielhaft und Ausdruck einer experimentierfreudigen Zeit der späten 1960er Jahre im gestalterischen Spannungsfeld zwischen Tradition und Erneuerung: es liegt einerseits ein annähernd geosteter Kirchenbau im Typ einer gerichteten Wegekirche vor, er verfügt andererseits über wenig traditionelle Elemente. Auf Bankreihen wurde zugunsten einer Bestuhlung verzichtet, im Inneren der Zeltkirche ist die Holzbinderkonstruktion der alten Notkirche mit straffem Achsmaß gestalterisch wirksam. Die Verwendung moderner Materialien und die Gliederung in Funktionseinheiten zeichnen sich deutlich nach außen hin ab. Ebenso zeitgenössisch stellt sich die Positionierung des Glockenturms dar. Der hochschlanke Betonturm steht frei aber nur leicht abgerückt an der Südwestecke des Kirchenbaus. Hinsichtlich der Entwicklung der Kirchbaugeschichte ist hier in den 1960er Jahren die klare Tendenz eines Abrückens der Türme von den Kirchsälen erkennbar. Aufgrund der seltenen Nutzung von Bauteilen einer Bartning‘schen Notkirche in Zweitverwendung, weiterhin aufgrund der hochwertigen Ausstattung mit Kunstgut ist die Kirche als ein bedeutender Bau seiner Zeit in Niedersachsen zu bezeichnen. In der Ausprägung der Bauaufgabe und -form bespielhaft und mit einem hohen Aussage- und Zeugniswert, besteht an der Erhaltung der Zachäuskirche aufgrund ihrer geschichtlichen Bedeutung für die Orts-, Siedlungs-, und Sozialgeschichte der Stadt Hannover, zudem für die Bau- und Kunstgeschichte wegen der beispielhaften Ausprägung eines Baustils und -typus, ebenso als Werk lokal und überregional bekannter Künstler und Architekten, aufgrund ihrer künstlerischen Bedeutung wegen der nicht alltäglichen Gestaltwerte und wegen der bedeutenden Innenraumgestaltung, aufgrund ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wegen des Seltenheits- und sehr guten Überlieferungswertes sowie aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung, mit prägendem Einfluss auf das Ortsbild und mit prägendem Einfluss als Element das Straßenbild, ein öffentliches Interesse.
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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