Ehemalige Benediktiner-Klosterkirche St. Michaelis
- Landkreis
- Hildesheim
- Gemeinde
- Hildesheim, Stadt
- Gemarkung
- Hildesheim
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Hildesheim
- Adresse
- Michaelisplatz 1
- Objekttyp
- Klosterkirche
- Baujahr
- 996
- bis
- 1033
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 37515967
- Objekt-Nr.
- 339
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Welterbe Welterbe-Hildesheim
- Beschreibung
- Zum Benediktinerorden gehörend wurde das Kloster St. Michaelis auf einem westlich vor der Stadt Hildesheim gelegenen Hügel errichtet. Als Gründer des Eigenklosters ist Bernward überliefert, der seit den 980er Jahren als kaiserlicher Berater tätig und von 993 bis 1022 Bischof von Hildesheim war. Das früheste Datum des Baubeginns der ebenfalls dem Erzengel Michael geweihten Klosterkirche ist für 996 überliefert. Einer von wahrscheinlich mehreren Grundsteinen fand sich 1908 beim Wiederaufbau des südlichen Westquerhauses. Auf einer eingemeißelten Inschrift trägt dieser Grundstein den Hinweis auf Bernward als Initiator sowie das Datum 1010. Nach mehreren Abschnittsweihen soll 1033 unter Bernwards Nachfolger Godehard die Klosterkirche fertiggestellt worden sein. Die Errichtung der Konventsbauten zog sich indessen über Jahrhunderte hin; bis heute erhalten blieb lediglich ein Teil des westlichen Kreuzgangflügels aus dem 13. Jahrhundert. Die doppelchörige Klosterkirche hat ein knapp 17 Meter hohes, flach gedecktes Mittelschiff und besitzt zwei ebenso hohe Querschiffe mit Holzbalkendecken. Entsprechend dem Basilikalschema befinden sich die Holzdecken der Seitenschiffe ungefähr in halber Höhe des Mittelschiffs. Der nach 1900 rekonstruierte Ostchorbereich endet in drei apsidialen Raumabschlüssen. Über der auf die Ursprungszeit zurückgehenden dreischiffigen kreuzgratgewölbten Westkrypta erhebt sich der hohe Westchor aus dem 12. Jahrhundert, dessen polygonaler Abschluss um das nach Kriegsende 1945 noch vorhandene zweite Obergadengeschoss abgesenkt wurde. Weitere wesentliche Stilelemente sind die Raumsymmetrie entlang der basilikalen Längsachse, die durch jeweils vier gleichhohe Arkaden hervorgehobenen Vierungen, das aus den Vierungsquadraten hervorgehende quadratische Maßsystem des Grundrisses, der auf die Aachener Pfalzkapelle Karls des Großen Bezug nehmende sächsische Stützenwechsel mit jeweils zwei Säulen zwischen zwei tragenden Pfeilern, die inneren Stirnwandaufrisse der Querhäuser mit den zwei großen, vier mittleren und sechs kleineren Bogenstellungen übereinander, der zu Strenge neigende Charakter der ursprünglichen Würfelkapitelle sowie schließlich die rotweißen Steinschichten, die der Eck- und Bogenbetonung im Innenraum dienen. Die meisten ursprünglichen Würfelkapitelle im Mittelschiff wurden in späteren Jahrhunderten gegen vegetabil und figürlich geschmückte Prachtkapitelle ausgetauscht. Hinter den Stirnwandarkaden der Querhäuser befinden sich offene Kapellenräume. Besonders der erhalten gebliebene Kreuzgangflügel vor dem nordwestlichen Querhaus der Michaeliskirche belegt den architektonischen Wandel und die steinmetztechnische Entwicklung von der strengen und schlichten Formgebung der frühromanischen Bildhauerkunst hin zu den ungleich aufwändigeren Steinmetzarbeiten in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Profilierte Pfeiler und Wandvorlagen gliedern den Raum. Basen, Kapitelle und Kämpfer verstärken die räumlich-plastische Wirkung, spitzbogige Gewölbegurte sowie figürlich und vegetabil geschmückte Schlusssteine schmücken die Gewölbeabschlüsse. Zur weitgehend purifizierten, gleichwohl hochrangigen Ausstattung der Michaeliskirche gehören heute die um 1250 entstandene weltberühmte Bilderdecke im Mittelschiff mit der Wurzel-Jesse-Darstellung, die wenige Jahrzehnte vorher eingebauten Engelschorschranken an der Nordseite der Westvierung sowie die Seligpreisungsfiguren über den Arkaden des südlichen Seitenschiffs. Für das Verständnis der Michaeliskirche sind die teils einschneidenden Veränderungen des Kirchenbauwerks wichtig, die schon lange vor der Reformation 1542 begannen und schließlich – durch die Nutzung als evangelisch-lutherische Pfarrkirche – über die folgenden Jahrhunderte hinweg das Erscheinungsbild außen wie innen erheblich veränderten. Die Krypta hatte man schon um 1200 umgebaut, um den Westchor neu zu errichten. Im Jahr 1650 brach man die Ostchorapsiden ab – mit der Folge, dass der östliche Vierungsturm mit dem dazugehörigen Südquerhausflügel einstürzte. Mit dem Wiederaufbau des beschädigten Querhauses sowie der Vermauerung der Vierungsarkade zum Mittelschiff hin schuf man einen neuen, nordsüdlich ausgerichteten Sonderraum. Über diesem erhob sich auf dem alten Vierungsquadrat ein Turm, der außenwirksam einen hohen barocken Tambour erhielt. Zwölf Jahre später brach man den westlichen Vierungsturm mit dem dazu gehörigen Südquerhausflügel ab und verlängerte auf diese Weise das Langhaus nach Westen. Dem weiteren Verfall im 18. Jahrhundert fiel 1822 nochmals die Außenmauer des nördlichen Seitenschiffs zum Opfer. Vor allem mit dem Verlust der beiden südlichen Querhausflügel hatte die Michaeliskirche, auch wenn sie immer noch als Wahrzeichen von Hildesheim galt, eine äußere Gestaltung angenommen, die den bernwardinischen Ursprungsbau kaum noch erkennen ließ. Mit dem aufkeimenden baugeschichtlichen Interesse setzte ab 1855 das Zurück zum ursprünglichen Erscheinungsbild ein. Kein Geringerer als Conrad Wilhelm Hase errichtete die fehlende nördliche Seitenschiffmauer neu und restaurierte die Ostfassade, zunächst jedoch ohne das 200 Jahre zuvor beseitigte Chorjoch und die Chorapsiden wieder anzubauen. Unter der Leitung des Hochschullehrers Karl Mohrmann aus Hannover folgte 1907-10 die Rekonstruktion des westlichen Südquerhauses. Erst nochmals fünf Jahrzehnte später, nach den gewaltigen Zerstörungen im März 1945, entwickelten Denkmalpflege und Bauforschung sowie Landeskirche und Politik in der Wiederaufbauzeit das teils erschließbare, teils fiktive Rekonstruktionskonzept. Mit Hilfe ansehnlicher Spendengelder aus Amerika ließ sich die vorher kaum für möglich gehaltene Wiedererrichtung des Ursprungsbaus, wie man sie sich als Bernwards Schöpfung vorstellte, realisieren. Nach den Ausgrabungsbefunden von 1907 ließ sich das Chorjoch mit den drei Ostapsiden rekonstruieren. Zeichnungen der Michaeliskirche und ein Holzmodell des 17. Jahrhunderts waren die Vorlagen für die Neuaufrichtung der zwei Vierungstürme sowie der vier runden, sehr hoch geratenen Querhaustürme. Die dazwischen liegenden Konstruktionen der stählernen Dachstühle setzte man mit den zwar als richtig empfundenen, aber nicht mit den an den Anschlussstellen ablesbaren Dachneigungen auf. Das im Krieg erhalten gebliebene Obergeschoss des Westchorpolygons und einen erhaltenen wimpergartigen Giebel über dem westlichen Südeingang trug man zugunsten des Rekonstruktionsplans ab. Deren Existenz passte nicht ins Bild des Wiedergewinnungsprojekts, mit dem man das tausendjährige Wahrzeichen Hildesheims wieder aufleben lassen wollte.
- Denkmalbegründung
- Die evangelisch-lutherische Michaeliskirche ist mit dem an das Westquerschiff angebauten Flügel des Kreuzgangs, der ein letzterhaltener Bauteil des mittelalterlichen Benediktinerkonvents ist, als Einzeldenkmal nach § 3 Absatz 2 in das niedersächsische Verzeichnis der Bau- und Kunstdenkmale eingetragen. Sie gehört zu einer größeren Gruppe baulicher Anlagen auf dem Michaelishügel, zu der aus historisch-funktionalen Gründen das heutige Pfarramt, verschiedene Mauerrelikte auf dem Michaelishügel, die barocke Klosterpforte sowie das Gymnasium Andreanum von Dieter Oesterlen, das in freier Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers steht, hinzuzuzählen sind. Um die erste Jahrtausendwende entstanden, gilt die Michaeliskirche bis heute als baulicher Endpunkt der ottonischen Kaiserzeit und als Auftakt der romanischen Baukunst unter dem salischen Kaiserhaus. Mehr noch wird sie gerne als Frühwerk der romanischen Architektur in Europa angesehen, deren Formensprache und künstlerische Gestaltung einen Bezugspunkt für die ganze Architekturepoche der Romanik setzte. Diese Auffassung erweiterte die UNESCO in der Welterbe-Anerkennung, indem sie der Michaeliskirche einen großen Einfluss auf die Entwicklung der mittelalterlichen Architektur zusprach. Wie weit das Vorbild Michaeliskirche tatsächlich Einfluss auf die mittelalterliche Architekturentwicklung hatte, wäre nach heutigem Forschungsstand erneut zu überprüfen. Besser erforscht ist dagegen die bemalte Mittelschiffdecke, die von der UNESCO als Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft anerkannt ist. Sie nimmt unter den wenigen in Frage kommenden Vergleichsbeispielen – im Schweizer Ort Zillis, im schwedischen Dädesjö sowie im englischen Peterborough – eine herausragende Stellung ein. Neben der künstlerischen Bedeutung für die Architekturgeschichte kommt der Michaeliskirche eine außergewöhnliche geschichtliche Bedeutung zu. Sie manifestiert sich in den reichsgeschichtlich-kaiserlichen, den regionalgeschichtlich-kirchlichen und den mit dem Bronzeguss verbundenen technologiegeschichtlichen Zeugnisfacetten. Hervorgerufen wurden sie im Wesentlichen durch die außergewöhnliche Persönlichkeit Bischof Bernwards, die sich durch die Archivalien erschließen lässt und die in zahllosen geschichtswissenschaftlichen Publikationen ihren Niederschlag gefunden hat. Mit der Erforschung der Michaeliskirche, die bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann und die weit über den heutigen Tag hinausreichen wird, liegt insofern auch die wissenschaftliche Bedeutung der Michaeliskirche auf der Hand. Schließlich ist die Michaeliskirche durch ihre exponierte Lage auf einer Hildesheimer Hügelkuppe als Wahrzeichen aus der Fernsicht relevant. In einer kriegsbedingt ihres baulichen Reichtums beraubten Stadt wie Hildesheim hat ein solches Wahrzeichen eine unverkennbare städtebauliche Bedeutung. Der hohe künstlerische Rang, die schöpferische Leistung, aber auch das Bildungspotential des Monuments Michaeliskirche und der daraus resultierende Identifikationswert begründen das große öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung.
- Gruppen (ID | Typ | Beschreibung)
- 37503569 | | Michaeliskloster
- Literatur
-
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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