Jüdischer Friedhof am Treckfahrtsweg Emden
- Landkreis
- Emden, Stadt
- Gemeinde
- Emden, Stadt
- Gemarkung
- Emden
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Emden
- Adresse
- Treckfahrtsweg
- Objekttyp
- Jüdischer Friedhof
- Baujahr
- um 1530
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, wissenschaftlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 36371881
- Objekt-Nr.
- 184
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Juedische-Friedhoefe Juedische-Friedhoefe-ohne-Grabsteine
- Jüdische Topographie Ab wann es in Emden einen jüdischer Begräbnisplatz gab, ist unklar. 1586 wurde ein „Jodenkerckhoff“ vor den Toren der Stadt am „Konicks-Rebbersweg“ [Conrebbersweg] erwähnt. Ob es sich hierbei tatsächlich um einen Judenkirchhof handelte oder sich die Bezeichnung lediglich auf ein für die Bewirtschaftung ungeeignetes Grundstück bezog, wie es in Ostfriesland häufiger vorkam, muss offen bleiben. (Lokers 1990, S. 54, Anm. 233) Der älteste nachweisbare Friedhof lag „etwa eineinhalb Kilometer von der eigentlichen Stadt entfernt und an früher recht einsamer Stelle mitten zwischen Viehweiden, aber an einem der vielen das Land durchziehenden schiffbaren Kanäle, dem sogenannten Treckfahrtstief nach Aurich“ (Valk 1991, S. 29.07). Wolf Valk geht davon aus, dass der Begräbnisplatz vom Vorsteher der Gemeinde [Jechiel bar Simson] und dessen Frau [Reina bath R. Jacob ha Kohen] gekauft wurde, die nach seiner Schätzung um 1530 in der Gemeinde lebten. Hierbei bezieht er sich auf einen undatierten Eintrag im Memorbuch der Emder Gemeinde für den Zeitraum von 1657 und 1672, in dem der Kauf eines Friedhofs erwähnt wird. (Valk 1991, S. 29.06/29.07; Markreich 1933/34, S. 31) Bis 1670 diente der Emder Friedhof auch den Juden von Weener, Bunde, Jemgum und Stapelmoor als Begräbnisplatz. (Reyer 1991, S. 82) Wie Valk berichtet, wurden bei Reinigungsarbeiten des Kanals immer wieder Schlamm auf die angrenzenden Weiden und den Friedhof abgeladen, was zur Folge hatte, dass die meisten Grabsteine schließlich bis zu einem Meter im Boden versanken und nur noch ca. zwanzig Steine – darunter einige aus dem 16. Jahrhundert – sichtbar waren. (Valk 1991, S. 29.07) Nach Alfonso Cassuto hat sich die Zahl der Steine im Laufe der Zeit dezimiert, weil Schiffer immer wieder Leichensteine mitgenommen und an Häusern verbaut hätten. (Cassuto 1929, S. 173) 1953 wurden bei Straßenbauarbeiten in Tholenswehr Grabsteine des alten jüdischen Friedhofs wiederentdeckt. (Asaria 1979, S. 260) Anstatt diese vollständig zu bergen, geschah dies nur mit den zwei Meter großen Grabplatten, der Großteil der kleineren Grabsteine und Grabsteinfragmente wurde zu Schotter verarbeitet und für den Straßenbau verwendet. Als die wenigen Überlebenden der jüdischen Gemeinde Emden und der jüdische Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen gegen dieses Vorgehen intervenierten, bemühte sich die Stadt Emden um Aufklärung. Die großen Platten wurden 1954 auf den neuen Friedhof verbracht und die verbliebenen Bruchstücke rituell beigesetzt. (Claudi 2007, S. 16/17 u. S. 70, Anm. 39) Heute befindet sich auf dem 136 qm Restgrundstück des ehemals 718 qm großen israelitischen Begräbnisplatzes (Diamant 1982, S. 45) eine Grünanlage mit Gedenkstein, der 1955 seitens der Stadt Emden zur Erinnerung an den Friedhof aufgestellt wurde. (Claudi 2007, S. 17) Die Grünanlage liegt am Treckfahrtsweg in Tholenswehr, westlich des Treckfahrtstiefs, gegenüber der Kapelle des Städtischen Friedhofs. Der schmale, langgestreckte und mit Bäumen bestandene Grünstreifen ist nur mittels einer Hecke von der Fahrbahn getrennt. An der Uferseite steht der Gedenkstein, der 1955 von der Stadt Emden in Erinnerung an den alten Friedhof aufgestellt wurde. Der Text stammt vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen: ZUM GEDENKEN/AN DEN ISRAELI=/TISCHEN FRIED=/ HOF [zwei hebräische Zeilen] FÜR DICH LIES=/SEN WIR UNS/WÜRGEN ALLE/TAG GEACHTET/WIE DIE SCHA=/FE AN DER [Blume]/SCHLACHTBANK 44. PSALM 23. VERS Quellen/Literatur Manuskript Handbuch jüdischer Ritualbauten Niedersachsen | Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, TU Braunschweig Asaria 1979 Asaria, Zvi: Die Juden in Niedersachsen. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leer 1979; zum jüdischen Friedhof: S. 260. Cassuto 1929 Cassuto, Alfonso: Über portugiesische Juden in Emden. In: Jüdische Familien-Forschung, 5. Jg., September 1929, Nr. 3, S. 173-175. Valk 1991 Valk, Wolf: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Emdens. In: Claudi, Marianne/Claudi, Reinhard: Die wir verloren haben. Lebensgeschichte Emder Juden, hg. von der Volkshochschule Emden u. der Ostfriesischen Landschaft (Einzelschriften/Ostfriesische Landschaft; Bd. 28). Aurich 1991; S. 29.00 – 29.47; Kapitel Jüdische Friedhöfe: S. 29.06-29.08. Claudi 2007 Claudi, Marianne/Claudi, Reinhard: Unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte. Der Jüdische Friedhof in Emden (Schriftenreihe des Stadtarchivs Emden; Bd. 3). Emden 2007. Diamant 1982 Diamant, Adolf: Jüdische Friedhöfe in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. Frankfurt am Main 1982; zum jüdischen Friedhof: S. 45. Heymann 1932 Heymann, Joseph: Wanderungen und Schicksale sephardischer Juden in Deutschland. Der erste Ansiedlungsversuch portugiesischer Juden in Ostfriesland (1706); ihr Verhältnis zu den aschkenasischen Juden. In: Menorah, 10. Jg., 1932, H. 11/12, S. 464-476. Lokers 1990 Lokers, Jan: Die Juden in Emden. Eine sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Studie zur Geschichte der Juden in Norddeutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zur Emanzipationsgesetzgebung (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands; Bd. 70). Aurich 1990; zu den jüdischen Friedhöfen: S. 54, 231, Abb. 6. Lokers 2005 Lokers, Jan: Emden. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 1, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Göttingen 2005, S. 533-569; zum jüdischen Friedhof: S. 549, 566, 567. Markreich 1933/34 Markreich, Max: Das Memorbuch der Judengemeinde in Emden. In: Jahrbuch für die jüdischen Gemeinden Schleswig-Holsteins und der Hansestädte, 1933/34, Nr. 5, S. 24-36; zu den jüdischen Friedhöfen: S. 25, Abb. alter Jüdischer Friedhof zwischen S. 32 und 33. Reyer 1991 Reyer, Herbert: Juden in Jemgum. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Reyer, Herbert / Tielke, Martin (Hg.): Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands; Bd. 67). Aurich 3. erw. Aufl. 1991.
- Beschreibung
- Der im Grundriss unregelmäßig geformte jüdische Friedhof liegt nordöstlich der Altstadt von Emden direkt am Ostufer des Trecktiefs, eines alten Schiffahrtsweges nach Aurich. Ehemals außerhalb der Stadt gelegen, befindet der Friedhof sich heute in dessen Weichbild. Sein Ursprung geht nach heutiger wissenschaftlicher Annahme auf die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück. Die Belegung erfolgte bis zur Inbetriebnahme des jüdischen Friedhofs an der Bollwerkstraße, danach wurde er entsprechend jüdischen Verständnisses als Begräbnisort tradiert. Eingriffe während der vierziger und fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts haben zu deutlichen Störungen im Erscheinungsbild geführt, so dass der Friedhof heute als schmale von Bäumen bestandene Grünanlage in Erscheinung tritt. Grabsteine haben sich obertägig nicht erhalten, stattdessen wurde 1955 von der Stadt Emden ein Gedenkstein aufgestellt, dessen nachfolgende Inschrift vom Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen ausgewählt wurde: "ZUM GEDENKEN AN DEN ISRAELITISCHEN FRIEDHOF [zwei hebräische Zeilen] FÜR DICH LIESSEN WIR UNS WÜRGEN ALLE TAG GEACHTET WIE DIE SCHAFE AN DER [Blume] SCHLACHTBANK 44. PSALM 23. VERS"
- Denkmalbegründung
- Der jüdische Friedhof am Treckfahrtsweg ist nach heutiger Kenntnis die älteste überkommene Anlage dieser Art in Niedersachsen. Obwohl keine Grabdenkmale mehr obertägig zu finden sind und deutliche Störungen im Erscheinungsbild das visuelle Erleben schmälern, ist die Anlage in ihrer ursprünglichen Lage und Ausdehnung immer noch vor Ort nachvollziehbar. Der historische Kontext der Entstehungsgeschichte des Friedhofs lässt eine überregionale Bedeutung sogar im Sinne von europäischer Geschichte erkennen. An der Erhaltung des Friedhofs besteht aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse. Aufgrund seines Ursprungs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nimmt das Objekt unter den baulichen Dokumenten jüdischen Lebens im niedersächsischen Raum eine singuläre Stellung ein.
- Weiterführende Links
- Wikipedia
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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