Jüdischer Friedhof an der Helmstedter Straße, Braunschweig
- Landkreis
- Braunschweig, Stadt
- Gemeinde
- Braunschweig, Stadt
- Gemarkung
- Altewiek
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Braunschweig
- Adresse
- Helmstedter Straße 40
- Objekttyp
- Friedhof
- Baujahr
- 1914
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, wissenschaftlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 36007005
- Objekt-Nr.
- 1005
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Juedische-Friedhoefe
- Jüdische Topographie Nach der Einweihung des Zentralfriedhofs an der Helmstedter Straße 1887 schlug der Magistrat der jüdischen wie auch katholischen Gemeinde vor, ihre Begräbnisplätze an den neuen Friedhof anzubinden. Die jüdische Gemeinde ging auf das Angebot ein und erwarb 1895 von der Klosterkammer Riddagshausen ein östlich angrenzendes 10.124 qm großes Grundstück (Bein 2004, S. 58). Bereits 1908 kaufte sie wegen der verstärkten Zuwanderung osteuropäischer Juden eine weitere 4.473 qm große Fläche hinzu. (Bein 2004, S. 59) Die Planungen für die gärtnerische Gestaltung und die Trauerhalle übernahm ab ca. 1909 der Architekt Georg Lübke (1859-1924), der 1901 die Nachfolge von Constantin Uhde an der Technischen Hochschule Braunschweig angetreten hatte. (Bein 2004, S. 59) Hinsichtlich der gärtnerischen Anlage orientierte er sich an den Planungen von Stadtbaurat Ludwig Winter und des herzoglichen Hofgärtners Gustav Burmester für den benachbarten Zentralfriedhof. (vgl. Lemke-Kokkeling 1993, S. 97, 99) Da die Friedhofsangelegenheiten der jüdischen Gemeinde bis 1922 von der Verwaltung des Hauptfriedhofs übernommen wurden, schuf man im Westen eine Verbindung zum evangelischen Friedhof und beauftragte Lübke 1912 mit dem Entwurf für das neue Tor, das entsprechend dem an der Helmstedter Straße gestaltet werden sollte. (Bein 2004, S. 58/59) 1914 wurde der neue Friedhof feierlich eingeweiht. Danach fanden erste Beerdigungen, wie die des Landrabbiners Gutmann Rülf 1915 statt. Regulär belegt wurde der Friedhof an der Helmstedter Straße allerdings erst ab 1917, als es auf dem Begräbnisplatz an der Hamburger Straße bis auf einzelne Familiengräber keine freien Plätze mehr gab. (Bein 2004, S. 59) 1939 mussten wegen der Verbreiterung der Hamburger Straße 90 zwischen 1904 und 1917 eingerichtete Gräber des alten Friedhofs aufgehoben, Grabsteine und Leichname auf den neuen Friedhof überführt werden. (Bein 2011, S. 71) 1941 war die jüdische Gemeinde gezwungen, die noch unbelegten 9.263 qm große Flächen südlich und östlich der Trauerhalle zu verkaufen. Schon vorher hatte sie 1929 eine Teilfläche von 1.050 qm an die Stadt abtreten müssen. (Bein 2004, S. 70) Das Gelände des jüdischen Friedhofs geriet zum Torso. Erhalten blieb nur der nordwestliche Bereich des ursprünglichen Begräbnisplatzes. Die ca. 260 erhaltenen Grabsteine (Ebeling 2005, S. 303) verteilen sich heute auf drei Bereiche. In Nachbarschaft zur Trauerhalle wurden ausgewählte Gemeindemitglieder und zwischen 1918 und 1923 verstorbene Personen beerdigt. Daran schließt westlich ein von 1924 bis 1945 belegtes und ein jüngeres Gräberfeld an. In einem dritten Abschnitt, nahe des Hauptfriedhofs, stehen in fünf Reihen die vom Friedhof an der Hamburger Straße versetzten Steine. (Bein 2004, S. 59) Bemerkenswert ist das Grabmal des Künstlers und Zionisten Ephraim Moses Lilien (1874-1925) und dessen Frau Helene Magnus (1880-1971), das in der Gestaltung an seine Jugendstilgrafiken erinnert. An der Nordseite der Trauerhalle befindet sich eine Kopie der Gedenktafel für die 18 jüdischen Braunschweiger Gefallenen des Ersten Weltkriegs vom Maler Philipp Erlanger, die ursprünglich in der Eingangshalle der 1938 zerstörten Synagoge hing. (Bein 2004, S. 79/80) Gegenüber wurde am 16. November 1958 ein Denkmal für die im Holocaust ermordeten Juden aufgestellt. Auf dem schlichten Findling ist zu lesen: „Mein Blut erstarrt ob / der Erschlagenen meines / Volkes / dem Andenken unserer / Brüder und Schwestern / geweiht, die der National- / sozialistischen Gewalt- / Herrschaft zum Opfer / fielen.“ (Bein 1996, S. 92) Literatur Bein 2011 Bein, Reinhard: Die beiden jüdischen Friedhöfe in Braunschweig 1939-1945. In: Juden in Niedersachsen 1938-1945. Forschungsansätze und Forschungsdesiderate, Tagung in Hannover 24./25. März 2011, hg. vom Arbeitskreis Geschichte der Juden in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Hannover 2011, S. 67-73. Bein 2004 Bein, Reinhard: Ewiges Haus. Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig. Braunschweig 2004; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 58-81, S. 257. Bein 2005 Bein, Reinhard: Die jüdische Gemeinde von 1945-1976. In: „Wenn man ein Haus baut, will man auch bleiben.“ Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Braunschweig nach 1945, hg. von der Stadt Braunschweig. Braunschweig 2005, S. 11-57; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 45-48; zur Friedhofskapelle: S. 48-52. Bein 2009 Bein, Reinhard: Sie lebten in Braunschweig. Biografische Notizen zu den in Braunschweig bestatteten Juden (1797 bis 1983) (Mitteilungen aus der Stadt Braunschweig; Bd. 1). Braunschweig 2009; zum Friedhof Hamburger Straße: S. 12/13, 49-366; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 14, 367-586. Bein 1996 Bein, Reinhard: Zeitzeugen aus Stein. Bd. 2: Braunschweig und seine Juden. Stadtrundgänge. Braunschweig 1996; Kapitel „Der jüdische Friedhof“: S. 77-111. Ebeling 2005 Ebeling, Hans-Heinrich: Braunschweig. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 257-306; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 292, 303. Keßler/Knufinke 2017 Keßler, Katrin/Knufinke, Ulrich (Hg.): Jüdische Kultur und Geschichte in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Jewish culture and history in the region of Braunschweig-Wolfsburg (Merian guide). München 2017; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße, S. 33/34. Kimpflinger 1996 Kimpflinger, Wolfgang: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1, Teil 2: Stadt Braunschweig. Braunschweig 1996; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 80. Knufinke 2007 Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland (Schriften der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur; Bd. 3). Petersberg 2007; zur Trauerhalle Helmstedter Straße: S. 246-250, 431. Knufinke 2014 Knufinke, Ulrich: Wandlungen jüdischer Friedhöfe und ihrer Bauwerke im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Meiners, Werner/Obenaus, Herbert: Juden in Niedersachsen auf dem Weg in die bürgerliche Gesellschaft (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen; Bd. 275). Göttingen 2014, S. 159-187; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 181-183. Lemke-Kokkelink 1993 Lemke-Kokkelink, Monika: Ludwig Winter (22.1.1843 – 6.5.1930). Stadtbaurat und Architekt des Historismus in Braunschweig (Braunschweiger Werkstücke, Reihe A; Bd. 34). Braunschweig 1993. Paulus/Herbote/Knufinke 2013 Paulus, Simon/Herbote, Arne/Knufinke, Ulrich: Wege in die Moderne. Architektur im Braunschweiger Land 1900-1930. Braunschweig 2013; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße, S. 97/98. Schulze 2003 Schulze, Peter: Mit Davidsschild und Menora. Bilder jüdischer Friedhöfe in Braunschweig, Peine, Hornburg, Salzgitter und Schöningen. Ausstellungen 1997-2002 (Regionale GewerkschaftsBlätter; H. 18). o.O. [Braunschweig] 2003; zum jüdischen Friedhof Helmstedter Straße: S. 9-14.
- Beschreibung
- Jüdischer Friedhof mit Trauerhalle, im Südosten des Hauptfriedhofs gelegen, 1914 eingeweiht, 6764 qm großes Areal mit ca. 260 erhaltenen Grabstellen, Baumbestand ist denkmalkonstituierender Teil des jüdischen Friedhofs. Hauptzugang von Westen mit repräsentativ gestaltetem Eingangstor mit Werksteinpfeilern und Urnenbekrönungen von G. Lübke, Gedenktafel für die 18 jüdischen Braunschweiger Gefallenen des Ersten Weltkriegs von Philipp Erlanger an der Nordseite der Trauerhalle in Kopie, Denkmal von 1958 für die im Holocaust ermordeten Juden.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des 1914 eingeweihten jüdischen Friedhofs an der Helmstedter Straße in Braunschweig besteht aufgrund seiner historischen und wissenschaftlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse: Als Begräbnisplatz der jüdischen Gemeinde von Braunschweig mit ca. 260 erhaltenen Grabsteinen aus der Zeit ab 1904 und der noch in Ansätzen erkennbaren gärtnerischen Anlage mit Baumbestand ist er sowohl ein aussagekräftiges Objekt der lokalen Geschichte als auch der Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte und der Geschichte der jüdischen Bestattungskultur. Als eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse für die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Niedersachsen besitzt der Friedhof einen hohen Dokumentations- und Erinnerungswert.
- Weiterführende Links
- Denkmaltopographie Stadt Braunschweig, Teil 2: Objektbeschreibung
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Wikipedia: Geschichte der Juden in Braunschweig
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland Heidelberg
Wikipedia: Jüdischer Friedhof (Braunschweig)
The Bezalel Narkiss Index of Jewish Art
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- CC BY-SA 4.0
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