Jüdischer Friedhof Braunschweig, Hamburger Straße

Südwestliches Gräberfeld, Blick nach Nordosten (2006)

Südliche Einfriedungsmauer, Ansicht von der Hamburger Straße (2018)

Blick nach Südosten (2018)

Blick nach Nordwesten (2018)
- Landkreis
- Braunschweig, Stadt
- Gemeinde
- Braunschweig, Stadt
- Gemarkung
- Hagen
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Hagen
- Adresse
- Hamburger Straße
- Objekttyp
- Friedhof
- Baujahr
- 1797
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, wissenschaftlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 36002604
- Objekt-Nr.
- 80
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Juedische-Friedhoefe
- Jüdische Topographie Der kleinen jüdischen Gemeinde in Braunschweig stand im 18. Jahrhundert zunächst kein eigener Friedhof zur Verfügung. Sie nutzte den 1724 eingerichteten Friedhof in Wolfenbüttel, gelegentlich auch den in Halberstadt. Zu welchem Zeitpunkt die Anlage eines ersten jüdischen Friedhofs in Braunschweig erfolgte, ist nicht bekannt. 1782 hatte Herz Samson (1738-1794) um die Zustimmung zur Erweiterung seines vor dem Wendentor gelegenen Begräbnisplatzes gebeten und diese auch erhalten. Der genaue Standort des Friedhofs ist nicht bekannt. (Bein 2004, S. 32) 1797 erwarb die jüdische Gemeinde durch die Vermittlung des Kammeragenten Israel Jacobson (1768-1828) für 330 Taler ein Friedhofsgrundstück westlich der Straße nach Hamburg. Es umfasste dreiviertel Morgen und lag weit vor der Stadtgrenze, hinter dem Gasthaus „Zum Prinzen Leopold“. (Bein 2004, S. 33). Die erste Beisetzung auf dem Friedhof fand 1797 statt. (Bein 2009, S. 50) Anfangs wurde nur eine kleine, durch Hecke und Tür gesicherte Teilfläche belegt. 1804 ließ Israel Jacobson nach wiederholten Sachbeschädigungen mehr als die Hälfte des Grundstücks mit einer Mauer einfrieden. (Bein 2009, S. 13) In diesem Zusammenhang wurde vermutlich auch die „Alte Kapelle“ am Nordrand des Grundstücks errichtet. (Bein 2004, S. 34) 1836 wurden weitere, bisher ungenutzte Flächen für Beerdigungen freigegeben. Sieben Jahre später (1843) versah man das gesamte Areal mit einer Mauer. (Bein 2009, S. 13) 1851 wurde der Friedhof nach Norden um dreiviertel Morgen auf eine Gesamtfläche von 4.933 qm erweitert. (Bein 2004, S. 35) Im Zuge der Erweiterung erhielt der Friedhof eine neue Einfriedung und 1851/52 eine Leichenhalle mit Wächterhaus, die über eine Spende von Albert Priest finanziert wurde, der nach Amerika ausgewandert und dort zu Vermögen gekommen war. (Bein 2009, S. 237) Um 1916 war der Friedhof bis auf einzelne Familiengräber vollständig belegt. (Bein 2009, S. 13). Einschneidende Veränderungen erfuhr der Friedhof im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Hamburger Straße. 1939 war die jüdische Gemeinde gezwungen, eine 993 qm große, östlich gelegene Teilfläche des Friedhofes an die Stadt abzutreten, was den Abriss der Friedhofshalle und des Wohnhauses für den Gärtner sowie die Umbettung von 90 Gräbern auf den israelitischen Friedhof in der Helmstedter Straße zur Folge hatte. (Bein 2004, S. 51) 1942 wurden alle Grabeinfassungen in Metall ( 5.170 kg) auf Anordnung der nationalsozialistischen Reichsregierung demontiert und der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt. (Bein 2004, S. 52) Eine Veräußerung der Grabsteine und der Verkauf des gesamten Friedhofs waren ebenfalls vorgesehen. Allein die abwartende Haltung der Stadt Braunschweig verhinderte dies. (Bein 2004, S. 52-54) Im Zuge der Ausbaumaßnahmen der Hamburger Straße 1960 reduzierte sich die Fläche des Friedhofs schließlich um weitere 388 qm. (Bein 2004, S. 54) Auf dem Friedhof in der Hamburger Straße kam es 1956, 1957, 1968 und 1978 zu Schändungen. (Bein 2005, S. 55/56) Das Friedhofsgelände liegt heute eingebettet zwischen der Hamburger Straße und den Straßen Zum Ölpersee und Am Schützenplatz. Das rechteckige Friedhofsgelände mit lockerem, älterem Baumbestand wird teilweise von einer ca. 1,50 m hohen Kalksteinmauer eingefasst (Kimpflinger 1996, S. 187). Der Zugang erfolgt über die Hamburger Straße. Ein Mittelweg trennt die älteren von den jüngeren Grabstellen. Während die älteren Grabsteine südlich des Weges in recht unregelmäßigen Reihen stehen, sind die jüngeren nördlich des Weges in exakten Reihen rechtwinklig zum Mittelweg angeordnet. (Knufinke 2014, S. 171) Kinder, Ortsfremde, Witwen, im Kindbett verstorbene Frauen und Selbstmörder erhielten spezielle Plätze am Rande des Friedhofs. (Bein 2004, S. 47) Bis 1890 ist das Erscheinungsbild der Grabsteine relativ einheitlich. Sie bestehen aus Sandstein, sind in der Höhe begrenzt und schließen in der Regel mit einem Rundbogen ab. Ab 1890 variieren die Formen und Materialien stärker (Bein 2009, S. 13), die deutschen Inschriften werden länger (Knufinke 2014, S. 171). Ab 1840 tauchen die ersten knappen deutschen Inschriften auf (Bein 2009, S. 126). Heute befinden sich auf dem Friedhofsgelände noch ca. 513 Grabsteine. (Zentralarchiv Heidelberg) Eine Besonderheit stellt das Mausoleum Aschkenasy dar, das auf einen Entwurf des Architekten Bernhard Kussmann zurückgeht und nach dem Tod von Israel ben Mosche HaCohen Aschkenasy 1890 im Zentrum des Friedhofs errichtet wurde. (Kimpflinger 1996, S. 187/188) Im Stil der Neorenaissance erbaut, gehört es zu den seltenen Beispielen einer monumentalen Grabarchitektur auf jüdischen Friedhöfen. (Keßler/Knufinke 2017, S. 27) Literatur Bein 2011 Bein, Reinhard: Die beiden jüdischen Friedhöfe in Braunschweig 1939-1945. In: Juden in Niedersachsen 1938-1945. Forschungsansätze und Forschungsdesiderate, Tagung in Hannover 24./25. März 2011, hg. vom Arbeitskreis Geschichte der Juden in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Hannover 2011, S. 67-73. Bein 2004 Bein, Reinhard: Ewiges Haus. Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig. Braunschweig 2004; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 31-57, 256. Bein 2005 Bein, Reinhard: Die jüdische Gemeinde von 1945-1976. In: „Wenn man ein Haus baut, will man auch bleiben.“ Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Braunschweig nach 1945, hg. von der Stadt Braunschweig. Braunschweig 2005, S. 11-57; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 43/44. Bein 2009 Bein, Reinhard: Sie lebten in Braunschweig. Biografische Notizen zu den in Braunschweig bestatteten Juden (1797 bis 1983) (Mitteilungen aus der Stadt Braunschweig; Bd. 1). Braunschweig 2009; zum Friedhof Hamburger Straße: S. 12/13, 49-366. Ebeling 1987 Ebeling, Hans-Heinrich: Die Juden in Braunschweig. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der Jüdischen Gemeinde bis zur Emanzipation (1282-1848) (Braunschweiger Werkstücke 65, Reihe A, Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek 22). Braunschweig 1987. Ebeling 2005 Ebeling, Hans-Heinrich: Braunschweig. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 257-306; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 273, 303. Keßler/Knufinke 2017 Keßler, Katrin; Knufinke, Ulrich (Hg.): Jüdische Kultur und Geschichte in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Jewish culture and history in the region of Braunschweig-Wolfsburg (Merian guide). München 2017; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 27. Kimpflinger 1996 Kimpflinger, Wolfgang: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1, Teil 2: Stadt Braunschweig. Braunschweig 1996; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 187/188. Knufinke 2007 Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland (Schriften der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur; Bd. 3). Petersberg 2007; zu den Friedhofsbauten Hamburger Straße: S. 431. Knufinke 2014 Knufinke, Ulrich: Wandlungen jüdischer Friedhöfe und ihrer Bauwerke im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Meiners, Werner/Obenaus, Herbert: Juden in Niedersachsen auf dem Weg in die bürgerliche Gesellschaft (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen; Bd. 275). Göttingen 2014, S. 159-187; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 171/172. Schulze 2003 Schulze, Peter: Mit Davidsschild und Menora. Bilder jüdischer Friedhöfe in Braunschweig, Peine, Hornburg, Salzgitter und Schöningen. Ausstellungen 1997-2002 (Regionale GewerkschaftsBlätter; H. 18). o.O. [Braunschweig] 2003; zum jüdischen Friedhof Hamburger Straße: S. 5-8.
- Beschreibung
- Friedhof, belegt zwischen 1797 und 1937, ca. 513 erhaltene Grabsteine. Einfriedung an drei Seiten mit Kalksteinmauer, an der Westseite mit Zaun. Historischer Baumbestand als konstituierender Teil des Denkmalwertes. In zentraler Lage Mausoleum Aschkenasy, 1890 im Stil der Neorenaissance erbaut, Architekt: Bernhard Kussmann.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des 1797 angelegten jüdischen Friedhofs an der Hamburger Straße in Braunschweig besteht aufgrund seiner historischen und wissenschaftlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse: Als Begräbnisplatz der jüdischen Gemeinde von Braunschweig mit ca. 513 erhaltenen Grabsteinen aus der Zeit zwischen 1797 und 1937 ist er sowohl ein aussagekräftiges Objekt der lokalen Geschichte als auch der Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte und der Geschichte der jüdischen Bestattungskultur. Als eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse für die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Niedersachsen besitzt der Friedhof einen hohen Dokumentations- und Erinnerungswert.
- Weiterführende Links
- Denkmaltopographie Stadt Braunschweig, Teil 2: Objektbeschreibung (seitenübergreifend)
Wikipedia, Eintrag Alter jüdischer Friedhof Braunschweig
Wikipedia, Eintrag Geschichte der Juden in Braunschweig
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland
The Bezalel Narkiss Index of Jewish Art
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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