Landesirrenanstalt (Gebäude Nr. 1-6 und 8)
- Landkreis
- Göttingen
- Gemeinde
- Göttingen, Stadt
- Gemarkung
- Göttingen
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Göttingen
- Adresse
- Rosdorfer Weg 70
- Objekttyp
- Krankenhaus (Bauwerk)
- Baujahr
- 1863
- bis
- 1865
- Denkmalstatus
- Teil einer Gruppe baulicher Anlagen (gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 35875465
- Objekt-Nr.
- 556
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Beschreibung
- Ursprungsanlage der Göttinger Landesirrenanstalt an der Ascherberg-Hangkante, 1863-69 errichtet nach Plänen von Adolf Funk und Julius Rasch. Zentraler Dreiflügelbau in neugotischen Formen mit nach Südosten zum Leinetal orientierter Hauptfassade. Auf der Rückseite geräumiger Gartenhof mit Verbindungsgängen und Kapellenbau sowie ehemaligem Tobsüchtigenhaus. Der dreiflügelige Hauptbau ist zweigeschossig, der Mittelteil des Ostflügels tritt dreigeschossig hervor. Dieser Mittelbau enthielt ursprünglich die Verwaltung und Dienstwohnungen. Die zweigeschossigen Seitenflügel beinhalteten die Stationen, getrennt nach Frauen (Südostflügel) und Männern (Nordwestflügel). Vorder- und Seitenflügel umschließen rückwärtig einen geräumigen Gartenhof, wobei auch hier die durch Risalite gegliederte Fassade des mittig gelegenen Traktes der Verwaltung und Dienstwohnungen am aufwändigsten in neugotischen Formen gestaltet ist und oben durch einen Dachreiter bekrönt wird. Die Materialverwendung der Fassaden war differenziert: Während alle Außenseiten aus aufwändigeren Sand- und Kalksteinquadern hergestellt sind, erhielten die zum Gartenhof weisenden Seiten gelbe Backsteinfassaden mit Gliederungselementen aus Sandstein. Im Inneren sind die historischen Grundrissstrukturen der verschiedenen Funktionsbereiche durchweg erhalten bzw. ablesbar. Glanzstück ist die repräsentativ und mit neugotischen Elementen und Ausmalung reich ausgestaltete Eingangshalle des Verwaltungs- und Dienstwohnungs-Traktes mit offenem Treppenhaus. Die Flure der Stations-Seitenflügel weisen Schmuck-Kamine auf; in allen Trakten sind bauzeitliche Türen (mit Rahmungen und Beschlägen) sowie ebenfalls aufwändig konstruierte und verzierte Nebentreppenhäuser erhalten. Das Dachgeschoss mit seinem vollständig aus der Erbauungszeit erhaltenen Pfettendachwerk ist nicht ausgebaut; auch die durchfensterten Mezzaningeschosse der vier Eckpavillons sind im Innern ohne Nutzung. In der Mittelachse des dreiflügeligen Hauptgebäudes befindet sich gegenüber auf der anderen Seite des umschlossenen Gartenhofs das Kapellen- und Festsaalgebäude. Es war ursprünglich Teil eines Gebäudekomplexes aus gelbem Klinkermauerwerk. Während die Wirtschaftsgebäude eingeschossig ausfielen, kam der hoch aufragenden Kapelle in neugotischen Bauformen gestalterisch herausragende Bedeutung zu. Das Patrozinium liegt bei dem Evangelisten Lukas, dem Schutzheiligen der Ärzte und Kranken. Die Kapelle ist eingespannt in einen reich durchfensterten, zweigeschossigen Querbau, der einen nach Südosten ausgerichteten zweigeschossigen Polygonalbau mit 5/8-Schluss, Strebepfeilern, Wimpergen und Spitzbogen-Maßwerkfenstern einrahmt. Im Erdgeschoss unter der Kapelle befindet sich der ehemalige Anstalts-Festsaal mit einer bauzeitlichen Eisenträger-Decke sowie seitlichen Sälen, die für Vorlesungen in der psychiatrischen Medizinausbildung der Universitätsstudenten dienten. Im von zwei Treppen erschlossenen Obergeschoss liegt der eigentliche Kapellenraum, der mit einem verzierten Holzgewölbe auf Eisensäulen ausgestattet, reich gestaltet und ausgestattet ist. Die Kanzel entwarf Architekt Julius Rasch, ebenso den Altar, für den das hölzerne Kruzifix von dem Hildesheimer Bildhauer Friedrich Küsthardt stammt. Zwischen den Kopfbauten der Hauptgebäude-Dreiflügelanlage und dem mittigen Kapellen- und Festsaalgebäude sind zwei zum Gartenhof mit Rundbögen geöffnete Laubengänge eingespannt. Sie waren ehemals Teil eines den Gartenhof umgebenden, dreiseitigen Gangs. Die beiden heute verbliebenen Gänge im Nordwesten des Gartenhofs weisen gegliederte Hoffassaden mit Strebepfeilern, Dreifenstergruppen und Attiken auf, hinter denen sich ein flaches Pultdach verbirgt. Im Innern ist die Dachkonstruktion offen sichtbar und wird mit Schmuckkonsolen und Zierhölzern gezeigt. Außerhalb des kreuzgangartig abgeschlossenen Hauptgebäudes liegt nordöstlich angrenzend das gleichzeitig erbaute „Tobsüchtigenhaus für Frauen“, wozu einst ein symmetrisch gegenüber liegendes „Tobsüchtigenhaus für Männer“ gehörte, das in den 1970er-Jahren abgebrochen wurde. Beide pavillonartig abgesonderten Gebäude sollten ursprünglich je acht Zellen „für besonders störende Kranke“ enthalten, doch wurden sie schon vom ersten Anstaltsdirektor Ludwig Meyer umgenutzt, da er programmatisch von einem gefängnisartigen Erscheinungsbild absehen wollte. Stattdessen ließ Meyer im langgestreckten, eingeschossigen Bau mit Seiten- und Mittelrisaliten unter flachen Satteldächern hier die Wohnungen des Maschinisten und des Rechnungsführers der Anstalt einrichten. Die gelben Klinkerfassaden nehmen Elemente des hannoverschen Rundbogenstils und der Neugotik des Hauptgebäudes auf. Die Gestaltung korrespondierte bis in die Einzelheiten nicht nur mit dem symmetrischen Pendant gegenüber, sondern auch dazwischen mit dem zentralen, 1982 abgebrochenen ursprünglichen Küchen- und Wirtschaftsgebäude. Am südöstlichen Kopfbau ist Anfang des 20. Jahrhunderts ein zweigeschossiger Anbau mit Rundbogenöffnungen hinzugefügt worden, der sich mit gelbem Klinkermauerwerk materialmäßig anpasst. Das Innere ist bis auf ein Jugendstil-Treppenhaus im Anbau im wesentlichen überformt.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung der 1863-66 erbauten, ursprünglichen Kernbauten der ehemaligen Königlichen Landesirrenanstalt besteht ein öffentliches Interesse aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen. Die schon in den 1860er-Jahren publizierte, mehrteilige Anlage ist von landes- und ortsgeschichtlicher Bedeutung sowie wegen ihrer krankenhausgeschichtlichen Bedeutung auch von sozialgeschichtlichem Wert. Sie ist zudem bedeutend aufgrund des Zeugnis- und Schauwertes für die Baugeschichte als Anstaltsbau der Mitte des 19. Jahrhunderts, auch durch die beispielhafte Ausprägung des neugotischen Baustils in Kombination mit älteren Stilelementen des hannoverschen Rundbogenstils. Das Gebäude ist darüber hinaus bedeutend wegen der Beispielhaftigkeit für den Bautypus einer Irrenanstalt der Mitte des 19. Jahrhunderts und als Werk der überregional bedeutenden Architekten Adolf Funk und Julius Rasch. Die künstlerische Bedeutung besteht im durchentwickelten und gelungenen Entwurf der Gesamtanlage sowie ihrer Details, was sich nicht allein auf das Fassadenäußere beschränkt, sondern sich auch auf erhaltene wandfeste Innenraumgestaltungen (gewölbtes Foyer im Mitteltrakt, Treppenhäuser, Flure, Kapelle, Festsaal usw.) der Erbauungszeit erstreckt. Es liegt zudem städtebauliche Bedeutung vor, wegen des prägenden Einflusses auf das Ortsbild (was vor der Bewaldung des Ascherbergs sogar landschaftsbildprägende Ausmaße hatte) und als Element des räumlichen Gefüges der historischen Gesamtanlage der Anstalt.
- Gruppen (ID | Typ | Beschreibung)
- 35854132 | Krankenhaus (Baukomplex) | Königliche Landesirrenanstalt Göttingen
- Literatur
- Weiterführende Links
- Denkmaltopographie Stadt Göttingen: Objektbeschreibung (seitenübergreifend)
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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