Synagoge
- Landkreis
- Aurich
- Gemeinde
- Dornum
- Gemarkung
- Dornum
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Dornum
- Adresse
- Kirchstraße 3
- Objekttyp
- Synagoge
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 34637897
- Objekt-Nr.
- 31
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Synagogen
- Denkmalatlas – Denkmalthema Jüdische Topographie Geschichte Nach der Weihnachtsflut von 1717 siedelten sich verstärkt Juden in Dornum an, daher stellte der Faktor Samuel Aarons, der 1777 starb, einen jüdischen Betsaal in der Hohen Straße (heute Kirchstraße) zur Verfügung. [Manuskript; vgl. Fraenkel 2005, S. 479] Der Betsaal ist um 1730 erstmals archivalisch datiert. [Alemannia Judaica]. Im Jahr 1840 nahm die jüdische Gemeinde einen Kredit für den Bau einer neuen Synagoge auf, u.a. 100 Pistolen vom Rentner Fastenau in Schweindorf. [Reichwein 1985, S. 171; vgl. Alemannia Judaica] Als Sicherheit gaben die Familien ihre Häuser und Wertgegenstände an. [Reichwein 1978a] Die Synagoge in der heutigen Kirchstraße 3 wurde im Jahr 1841 eingeweiht; [Fraenkel 2005, S. 479] sie ersetzte den vermutlich an gleicher Stelle zuvor eingerichteten Betsaal bei Samuel Aarons. Mit der Verordnung vom 30. September 1842 wurde die jüdische Gemeinde Dornum als eine der elf Synagogengemeinden in Ostfriesland festgelegt. [Reichwein 1994, S.4] Bereits in den 1850er Jahren wurden am Synagogengebäude Reparaturarbeiten ausgeführt. [StA Aurich, Rep. 40 Nr. 626 – Reparaturen an der Synagoge zu Dornum, 1852-62] Eine Synagogenordnung gab sich die jüdische Gemeinde Dornum jedoch erst im Jahr 1886. Trotz einer ausreichenden Zahl an religionsmündigen Männern am Ort kam häufig, selbst an Sabbaten oder Feiertagen, kein Minjan zusammenkam. So wurden z. B. im Jahr 1897 nur acht Gottesdienste gefeiert. [Fraenkel 2005, S. 481] Dennoch wurde die Synagoge 1896 mit Sitzbänken modernisiert. Die Synagoge verfügte zu diesem Zeitpunkt über mehrere Torarollen, von denen jedoch nur eine brauchbar war. [Reichwein 1975, S. 75] Die jüdische Gemeinde stimmte im Jahr 1912 für den Verkauf des bestehenden Synagogengebäudes und optierte für einen Neubau, der aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht realisiert wurde. [NStA Aurich, Rep. 16/2 Nr. 1632 – Verkauf der alten Synagoge in Dornum und Aufnahme einer Anleihe zum Bau einer neuen Synagoge, 1909; vgl. Reichwein 1995, S. 76] Im Jahr 1920 wurde die Synagoge mit elektrischem Licht ausgestattet. [Reichwein 1978a] Nach 1922 fanden aufgrund der Versetzung des Vorbeters nur noch an Hohen Feiertagen Gottesdienste statt. [Reichwein 1988, S. 77] Nach 1933 fanden dann kaum noch Gottesdienste in der Synagoge statt. [Alemannia Judaica] Zwei Tage vor dem Novemberpogrom, am 7. November 1938, verkaufte die jüdische Gemeinde Dornum, vertreten durch den Gemeindevorsteher Wilhelm Rose, die Synagoge an den örtlichen Tischlermeister August Teßmer für 600 RM. Er besaß das benachbarte Grundstück und nutzte das Synagogengebäude als Möbellager. [Manuskript; Alemannia Judaica; Fraenkel 2005, S. 484] Dennoch wurden am 10. November die Scheiben des Gebäudes eingeworfen und Teile der Einrichtung durch Anhänger der SA geraubt. Auch die Torarollen, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Synagoge, sondern im Haus des Schlachters und Gemeindevorstehers Wilhelm Rose befanden, wurden mit den anderen Einrichtungsgegenständen auf dem Marktplatz verbrannt. [Fraenkel 2005, S. 484] In den Nachkriegsjahren wurde die ehemalige Synagoge als Möbellager, Brennstofflager und Geschäft genutzt. Mit dem Bauschein 635/54 vom 22.12.1954 genehmigte der Landkreis Norden den Umbau der Synagoge zu einem Geschäfts- und Ausstellungsraum. Im Zuge des Umbaus 1957 wurde die straßenseitigen Westfassade abgetragen, ca. 50 cm nach Osten versetzt und mit Schaufenstern und zwei Fenstern im Obergeschoss ausgestattet. Ein Sandstein-Inschriften-Element, das sich über dem Eingang befunden hatte, wurde dabei sichergestellt. [Baumann/Höhne 1995, o. p.] Im Jahr 1981 zog das Geschäft „Bienenkorb“, das auf Woll- und Sticksachen spezialisiert war, in die ehemaligen Synagogenräume ein. [Ebenda] Zur Erinnerung an die jüdischen Einwohner gründete sich im Februar 1990 der Förderverein „Synagoge Dornum“. Die Gemeinde Dornum sanierte im Jahr 1991 mit Mitteln des Landes Niedersachsen das ehemalige Synagogengebäude unter Leitung des Emdener Architekturbüros Werner Geiken. [Baumann/Höhne 1995, o. p.] Seither ist die Synagoge als in eine Gedenkstätte umgewandelt. Die Westwand wurde in diesem Zuge wiederhergestellt. [Fraenkel 2005, S. 485] Beschreibung Die ehemalige Synagoge in Dornum ist ein eingeschossiger Ziegelbau mit Walmdach. Er befindet sich an der Kirchstraße 3 in Dornum, südlich des Wasserschlosses Norderburg und westlich der Beningaburg. Der im Grundriss ca. 7,75 x 10,5 m große Bau hat eine leicht trapezoidal Form, bei der der rückwärtige Synagogenraum eine Größe von ca. 6,80 x 7,30 m einnimmt. Davor liegt ein zum Eingang vermittelnder Flur, an den sich nördlich und südlich zwei annähernd quadratische Bereiche für die Frauen anschließen. Dabei ist der Frauenbereich durch eine hölzerne Wand mit geschlossener Brüstung und einem darüberliegenden Gitterwerk getrennt. Der Hauptraum ist durch eine Holztonne akzentuiert, deren westliches und östliches Ende ebenfalls gewölbt sind. Zuganker spannen von Nord nach Süd. Eine kurze Stichtonne in der östlichen Wölbung markiert die ehemalige Position des Toraschreins. Die Decke über dem Frauen- und Flurbereich ist mit einer Holzbalkenkonstruktion ausgeführt. Der hölzerne, abgewalmte Kehlbalkendachstuhl ist mit Hohlpfannen im Mörtelbett gedeckt. Der Innenraum ist mit Steinzeugfliesen belegt. Die ca. 26 cm starken Außenmauern sind aus Klinkermauerwerk im Kreuzverbund mit Muschelkalkmörtel ausgeführt. Die Westfassade ist eine Rekonstruktion der Baumaßnahmen aus dem Jahr 1991 und besteht aus einem zweischaligen Mauerwerk mit 25 cm Kalksandsteinmauerwerk, einer Luftschicht von 5 cm und einer Vorsatzschale aus 12 cm Klinkermauerwerk. Sie ist symmetrisch angeordnet und verfügt über einen zentrales rundbogiges Eingangsportal, zu dem zwei Sandsteinstufen hinaufführen. Das Portal verfügt über ein gläsernes Oberlicht und über die originalen Beschläge im Biedermeierstil. Oberhalb des Eingangs befindet sich ein Sandsteinelement mit der hebräischen Inschrift des Psalms 118:20 („Das ist das Tor des Herrn, die Gerechten werden dort einziehen“), das beim Umbau 1957 entfernt und eingelagert wurde. Das Eingangsportal begleiten zwei Rundbogenfenster, deren Fensterrahmen in Spitzbogen ausgeführt sind. Die Nord- und Südfassaden gliedert eine regelmäßige Folge von drei Fenstern, bei denen das jeweils westliche im Zuge der Umbaumaßnahmen im Jahr 1957 zugesetzt wurde. Jeweils fünf schmiedeeiserne Zuganker verdeutlichen die Holztonne über dem Männer-/Hauptraum. Die Ostfassade nimmt die Gliederung der Westfassade wieder auf, jedoch ohne den zentralen Eingang. Die Nord- und Südfassaden weisen, wie das gesamte Gebäude, Setzungsspuren und deren Ausbesserungen aus. Z. T. wurden diese in Zementmörtel ausgeführt und sind gut vom Ursprungsbau absetzbar. Bei dem östlichen Fenster der Südfassade handelt es sich um Orginalsubstanz, das östliche Fenster der Nordfassade stammt ursprünglich aus der Ostfassade, nördlich des Toraschreins. Die übrigen Fenster sind 1991 rekonstruiert worden. Zwischen 1938 und 1957 scheint eine Aufdoppelung der Nordwand als Stützungsmaßnahme aufgrund von Setzungen stattgefunden zu haben. Die Inneneinbauten sind nach baulichen Resten rekonstruiert. Die Synagoge war bauzeitlich im Inneren vermutlich mit einem Stampflehmboden versehen. Der bei den 1991 durchgeführten Rekonstruktionsarbeiten in der Synagoge wurde im nördlichen Teil des Frauenbereichs ein Schacht entdeckt, der auf die Existenz einer Mikwe, eines jüdischen Ritualbads, im Vorgängerbau der Synagoge hinweisen könnte. Dieser Schacht war etwa 2,50 m x 3,50 m groß und hatte eine Tiefe von 2,40 m. Die Seitenwände waren innen blau gestrichen. Die Stufen waren jedoch nicht mehr vollständig. Die Mikwe wurde nach den Bauarbeiten wieder verfüllt. [freundliche Mitteilung von Herrn Murra-Regner 1994] An der Synagoge befand sich vor 1991 eine weiße Gedenktafel mit folgender Inschrift: „Ehemalige Synagoge Erbaut 1841 Gotteshaus der Jüdischen Gemeinde Dornum bis 1938. Danach Privatbesitz 1981 Renovierung Tonnengewölbe aus Holz. Seitenmauern in Backstein mit Herzmuschelkalk“ An der Synagoge befindet sich eine messingfarbene Gedenktafel mit folgender Inschrift: „Synagoge der ehemaligen Dornumer Israelitischen Gemeinde erbaut 1841 verkauft 7. Nov. 1938 zerstört 9./10. Nov. 1938 Renovierung 1991 Gedenkstätte seit 1992“ Literatur Manuskript Handbuch jüdischer Ritualbauten Niedersachsen | Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, TU Braunschweig Reichwein 1978a Reichwein, Horst: Judenchronik aus Dornum. In: Heim und Herd, H. 7/8 (1978) Reichwein 1978b Reichwein, Horst: Die Juden von Dornum – Bemerkungen zur Geschichte einer Minderheit. In: Unser Ostfriesland, H. 19 (12.10.1978) Reichwein 1994 Reichwein, Horst: Ein Begleitheft zum Rundgang durch das historische Dornum mit den ehemaligen Stätten jüdischen Lebens. Dornum 1994. Reichwein 1995 Reichwein, Horst: Die Juden in der ostfriesischen Herrlichkeit Dornum (1662–1940). Dornum 1995. Baumann/Höhne 1995 Baumann, Arnd/Höhne, Claus: Synagoge Dornum. Studienarbeit am Fachgebiet Baugeschichte, TU Braunschweig. Sommersemester 1995. Fraenkel 2005 Fraenkel, Daniel: Dornum. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. [1 / 2], hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Göttingen 2005, S. [478–486]. [zur Synagoge, S. asdf., asdf]
- Beschreibung
- 1-gesch. Backsteinbau mit neu zurückgesetztem Straßengiebel. Traufseite und Rückgiebel mit originalen Rundbogenfenstern. Im Innern hölzernes Tonnengewölbe. 1841. Seit 1938 Privatbesitz
- Denkmalbegründung
- Die Erhaltung der 1841 errichteten Synagoge Kirchstraße 3 liegt aufgrund ihrer historischen Bedeutung im öffentlichen Interesse. Sie ist eines der wenigen in Niedersachsen erhaltenen Bauwerke jüdischer Gemeinden aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ein sichtbares Zeugnis von jüdischer Religion, Kultur und deutsch-jüdischer Geschichte ablegen. Ihre städtebauliche Orientierung zur Straße zeugt von einem sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts vollziehenden Wandel: Zuvor waren Synagogen meist hinter Vorderhäusern verborgen, während die Dornumer Synagoge zu den frühen im Straßenbild erkennbaren jüdischen Bethäusern gehört. Eine stilistisch auffallende Gestaltung wurde hingegen nicht gesucht. Die Verluste originaler Substanz, die nach der Wiederherstellung der Straßenfassade außen zunächst nicht ins Auge fallen, machen das Gebäude auch zu einem Zeugen der Verfolgung und Zerstörung bzw. des Umgangs mit jüdischer Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Ort der Erinnerung an die jüdische Gemeinde und an die jüdischen Opfer des Holocausts ist das Gebäude seit langem auch Teil der lokalen Gedenkkultur.
- Literatur
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
- ADABweb