Schuhleistenfabrik Fagus-Werk
- Landkreis
- Hildesheim
- Gemeinde
- Alfeld (Leine), Stadt
- Gemarkung
- Alfeld (Leine)
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Alfeld
- Objekttyp
- Fabrik (Baukomplex)
- Personen
- Meyer, Adolf
Gropius, Walter Adolf Georg (1883-1969)
- Denkmalstatus
- Gruppe baulicher Anlagen (gemäß §3 Abs. 3 S. 1 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 34574742
- Objekt-Nr.
- 15
- Fachbereich
- Baudenkmal Gruppe
- Denkmalthema
- Welterbe Welterbe-Fagus-Werk
- Beschreibung
- Die Schuhleistenfabrik Fagus-Werk in Alfeld – seit 2011 von der UNESCO als Erbe der Menschheit geadelt – ist ein im Kernbereich rechteckig konzipierter Gebäudekomplex mit unterschiedlich dimensionierten, dem Produktionsablauf gehorchenden und insoweit aneinandergereihten Funktionsbauten, die zwischen 1911 und 1925 errichtet wurden. Im gleichen Zeitraum entstanden einige dezentrale Gebäude auf dem Werksgrundstück mit Sonderfunktionen, die ebenfalls Teile der geschützten Gruppe sind. Die Grenzen der Gruppenausweisung nach NDSchG umfassen die als Baudenkmale ausgewiesenen Gebäude des Fagus-Werks mit Respektsabständen, die durch die Zugangsstraße, die umlaufende Werksstraße, die Grenze zum Bahngelände sowie die südöstliche Grundstücksgrenze definiert sind. Zwischen Herbst 1910 und Frühjahr 1911 von dem Hannoverschen Industriearchitekten Eduard Werner auf einem Gewerbegrundstück zwischen Reichsbahngelände und Hannoverscher Straße entworfen sowie in den Rohbauten begonnen, beauftragte der Firmengründer Carl Benscheidt bereits im Winter 1911 Walter Gropius, einen jungen Architekten aus Berlin, sowie dessen Bauingenieur Adolf Meyer mit der Fortführung der Planungsarbeiten und der Fabrikgestaltung. Die bis 1925 entstandenen Ergänzungsbauten nach dem Ersten Weltkrieg wurden ebenfalls im Büro Gropius, zum Teil unter der Federführung des Büroleiters Ernst Neufert geplant. Im Kernbereich der Produktionsstätte entstand zunächst eine eingeschossige Sägerei, gefolgt vom fünfgeschossigen, mit Holzlamellenfenstern belüfteten Lagerhaus, in dem die Holzrohlinge gedämpft, desinfiziert und mehrere Jahre natürlich getrocknet wurden. Im daran anschließenden Trockengebäude mit 30 beheizbaren, schachtartigen Trockenkammern unterzog man die Werkstücke einem weiteren, künstlichen Nachtrocknungsprozess. Sägerei, Lagerhaus und Trockengebäude sind leicht erkennbar in der konventionell-schlichten Architektursprache Eduard Werners gehalten, auf die Gropius nur wenig Einfluss nehmen konnte. Auf Eduard Werner gehen weiterhin auch das Gebäude des Kesselhauses zurück, das später als Teil des Maschinenhauses erscheint, sowie der bahnseitige Treppenhaustrakt des Hauptgebäudes und die erste querliegende Achse des sogenannten Arbeitssaals. Die zweite Hälfte des rechteckigen Kernbereichs trägt demgegenüber deutlich erkennbar die Handschrift von Walter Gropius. Unmittelbar am Trockenhaus ist der mit einem ungewöhnlich breiten Fensterband ausgestattete sowie mit Sheds überdachte Arbeitssaal angefügt, der mit seinen Markisen und den Shedluken eine in dieser Art bei Fabriken vorher wenig bekannte Belichtungs-, Lüftungs- und Wärmesteuerung an den Arbeitsplätzen erlaubt. Zweiseitig den Arbeitssaal rahmend schmiegt sich das dreigeschossige Hauptgebäude an, in dem unten Modell-, Pack- und Versandräume, oben Verwaltungs- und Büroräume untergebracht sind. Dieser L-förmige Fabriktrakt ist mit seinen vorgehängten Fensterbahnen und den blauweißen Markisen das weltberühmt gewordene Wahrzeichen des Fagus-Werks. Mit einer charakteristischen, wandhohen Glasfassade versehen ist das zur Bahnseite hin ans ältere Kesselhaus und ans Trockengebäude 1915-16 angebaute Maschinenhaus zur Erzeugung von elektrischer Energie, mit dem hohen Schornstein, der das Fagus-Werk als ‚landmark‘ weithin sichtbar macht. Zu den Arbeitsabläufen der Fabrik und ebenfalls zum Schutzgut gehören die dezentral vom Kernbereich abgesetzten Funktionsbauten. Zu nennen ist das Gebäude der sogenannten Stanzmesserabteilung mit Schmiede, Außenschornstein, Schlosserei und Härteraum. Der konventionell gestaltete Baukörper unter zwei parallel verlaufenden Satteldächern ist noch nach den Plänen von Eduard Werner ausgeführt. Auf Gropius geht das flach gedeckte, 1911 errichtete Spänehaus an der Bahnseite zurück, das 1923/24 von seinem Büro zum sogenannten Späne- und Kohlenbunker erweitert wurde – seit 2014 UNESCO-Besucherzentrum. In unmittelbarer Nähe entstand ebenfalls aus einer Feder des Gropiusbüros 1921 das einräumige, dreiseitig verglaste Gleiswaagehäuschen, vor dem Eisenbahnwaggons mit ihrer Ladung gewogen wurden. Das 1924-25 an der Hannoverschen Straße erbaute Pförtnerhaus mit Werkstor und seitlicher Einfriedung der Zufahrtsstraße sowie die am abgewinkelten hinteren Grundstücksrand erbauten Garagen gehen ebenfalls auf das Büro Gropius zurück. Die um den zentralen Produktionskomplex herumführende Pflasterstraße mit ihrer Erschließung von der Hannoverschen Straße aus gehört ebenfalls zum Schutzgut Fagus-Werk, soweit die historische Pflasterung erhalten ist.
- Denkmalbegründung
- Die gesamte Werksanlage ist als denkmalwerte Gruppe baulicher Anlagen nach § 3 Absatz 3 des 1978 in Kraft getretenen Denkmalschutzgesetzes ins Denkmalverzeichnis des Landes Niedersachsen eingetragen. Um einst der Demontage nach dem Zweiten Weltkrieg zu entgehen, genießt sie seit 1946 gesetzlichen Schutz für alle ihre Bestandteile im Äußeren wie im Inneren. Architekturgeschichtlich steht das Fagus-Werk nicht nur am Beginn der Bauhausbewegung kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Es symbolisiert gleichwohl eine Synthese von europäischen und nordamerikanischen Innovationsimpulsen, die nach dem Ersten Weltkrieg das „Neue Bauen“ des 20. Jahrhunderts in Gang setzten. Künstlerisch spiegelt die innovative Glasgestaltung sowie das auf die arbeitenden Menschen hinzielende Belichtungskonzept eine richtungweisende industrielle Ästhetik der Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts wider. Wirtschaftsgeschichtlich bildet das Fagus-Werk die Funktionalität der industriellen Arbeitsabläufe in der Anordnung der Gebäude beispielhaft ab. Damit markiert es einen epochalen Wandel in der Industrieproduktion, der bis heute Gültigkeit besitzt. Mit dem Fagus-Werk warf der Unternehmensgründer Carl Benscheidt ein ebenfalls richtungweisendes Schlaglicht auf die damals dringend notwendige Humanisierung industrieller Arbeit. Somit hat es auch eine sozialgeschichtliche Bedeutung für eine gesellschaftliche Debatte, die als politisches Thema das ganze 20. Jahrhundert durchzog. Seine wissenschaftliche Bedeutung verdankt das Fagus-Werk der facettenreichen Rezeption in der architekturgeschichtlichen Forschung. Folgende Erkenntnisse begründen das öffentliche Interesse an der Erhaltung der besonderen Werksarchitektur: Das Fagus-Werk ist ein erstrangiges Kunstwerk im Industriebau und ein epochales Schlüsselwerk der Architekturgeschichte des 20. Jahrhundert. Es gilt darüber hinaus als Lehrstück zu Erforschung und Verständnis der Kunstinnovationen seiner Entstehungszeit. Da der ursprüngliche Baubestand nahezu unverändert erhalten ist und alle Reparaturen an den ursprünglichen Gebäuden mit Respekt vor dem Original erfolgten, sind auch die hohen UNESCO-Anforderungen an den außerordentlichen universellen Wert (OUV), die Unversehrtheit (Integrity) und an die Echtheit (Authenticity) der Werksanlage erfüllt.
- GruppenMitglieder (ID | Typ | Adresse)
- 34576896 | Fabrikgebäude | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
34577816 | Fabrikgebäude | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
34577870 | Lagergebäude | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
34577898 | Waagehäuschen | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
34577926 | Pförtnerhaus | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
44730566 | Garagen | Alfeld (Leine), Stadt - Alfeld (Leine) - Alfeld - Hannoversche Straße 58
- Literatur
-
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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