Synagoge Osterode am Harz
- Landkreis
- Göttingen
- Gemeinde
- Osterode am Harz, Stadt
- Gemarkung
- Osterode am Harz
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Osterode
- Adresse
- Langer Krummer Bruch 18
- Objekttyp
- Wohnhaus
- Denkmalstatus
- Teil einer Gruppe baulicher Anlagen (gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 NDSchG)
- Bedeutung
- städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 34158724
- Objekt-Nr.
- 473
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Synagogen
- Jüdische Topographie Beschreibung Das Grundstück Langer Krummer Bruch 18 ist mit einem straßenseitigen Vorderhaus und einem rückwärtig an der Luisenstraße belegenen Hinterhaus bebaut, die über ein Brückenhaus miteinander verbunden sind. Beide Gebäude dienen heute als Wohnungen. Das etwa 9,19 m breite und 7,85 m tiefe, zweigeschossige Vorderhaus mit Satteldach und Zwerchgiebel war als Schulgebäude der jüdischen Gemeinde in Fachwerkbauweise errichtet worden, das im Erdgeschoss straßenseitig einen Schulraum aufnahm und im rückwärtigen Teil eine Garderobe und einen Konferenzraum. Der Treppenraum spannt(e) über die gesamte Gebäudetiefe. Im Obergeschoss des Vorderhauses war die Lehrerwohnung untergebracht. Hinter einem etwa 2,20 m tiefen Hof schließt das Hinterhaus der ehemaligen Synagoge ebenfalls in Fachwerkbauweise an: Der etwa 8,75 m breite und 7,74 m tiefe, dreigeschossige Saalbau mit Satteldach hatte eine Raumhöhe von 5,60 m und war auf einem 2,30 m hohen Sockelgeschoss errichtet. Die Ostwand im Erdgeschoss ist als Findlingsmauerwerk errichtet. Die Einrichtung des Synagogenraums verdeutlicht eine Bauzeichnung aus dem Jahr 1911 und das Erinnerungsprotokoll eines Zeitzeugen: Vor dem Toraschrein an der Ostwand stand ein erhöhtes Podium mit der Bima, dessen Position auf eine reformorientierte jüdische Gemeinde hinweist. Die nach Osten ausgerichteten Bankreihen wurden durch zwei Gänge unterbrochen. Ungefähr mittig in der Raumhöhe war eine Frauenempore angeordnet, die L-förmig entlang der Süd- und Westwand ausgebildet war; im Westen war sie zweistufig angelegt. Darunter war ein schmaler Streifen mit der Zugangstreppe zum Männer-Raum angeordnet. Dem Eingang gegenüber wurde 1911 ein Kaminzug mit Ofen eingebaut. Das Dach über der Synagoge war als Sprengwerkdachstuhl mit einer darunterliegenden, korbbogenförmigen Kuppel ausgebildet. Lt. Meyer 1985 [S. 42] war die Kuppel blau gestrichen und mit Mond, Sonne und Sternen verziert. Ursprünglich trat der Toraschrein in einem Erker vor die Ostwand. Die hohen Segementbogenfenster an der Nord- und Westwand sind z. T. noch in der Wandstruktur zu erkennen. Die West- und Südwände hatten auf Emporenhöhe flachere Fenster. Die Nordfassade ist heute mit Wellplatten verkleidet. Geschichte Die Synagogennutzung auf dem Grundstück geht zurück in die Gründungsphase der jüdischen Gemeinde. Lazarus Herz hatte im Obergeschoss des Hinterhauses auf seinem Grundstück am Langen Krummen Bruch (heute Nr. 18) einen jüdischen Betsaal eingerichtet. Dieser ist 1689 erstmals urkundlich belegt. [Manuskript] Ein Grundriss aus dem Jahr 1784[?], der anlässlich einer möglichen Erweiterung angefertigt wurde, zeigt einen ca. 5,57 x 4,23 m großen, rechteckigen Raum mit einem Toraschrein-Erker im Osten und Bänken entlang den Außenwänden in der „Männer-Schule“, dem Betraum für die Männer. Im Zentrum ist ein Kreis eingezeichnet, der über eine zentrale Bima bzw. eine darüber befindliche Kuppel hindeuten könnte. Der „Frauen-Stand“ war zwischen Männerbetraum und Vorderhaus situiert und sollte augenscheinlich im Zuge der Umbaumaßnahmen zugunsten des Männerbereichs verkleinert werden. Aus einem Inventar vom 09.09.1754 geht die Ausstattung der Synagoge hervor: u. a. eine große und eine kleine Krone, ein großer neunarmiger (Channuka-)Leuchter, zwei Messingwandleuchter, eine Torarolle, eine Esther-Rolle, mehrere Toraschreinvorhänge (Parochot), mehrere Toramäntel, zwei Spendenbüchsen und eine kleine Messingkrone und Wandleuchter für den Frauenbereich. [Manuskript] Da sich der Betsaal im Besitz einer jüdischen Familie befand und für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt wurde, gab es mehrfach Streitigkeiten über die Sitzplatzverteilung, den Zugang zur Synagoge und die Instandhaltungskosten. Bereits am 31.05.1754 war dem Gebäude ein angefaultes Ständerwerk aus Tannenholz und ein völlig zertretener Fußboden attestiert worden, woraufhin ein Neubau empfohlen wurde. Dennoch fanden im darauffolgenden Jahr Reparaturen statt. [Manuskript] Im selben Jahr wurde das Synagogeninventar von den Erben des Lazarus Herz an die jüdische Gemeinde verkauft. Erst im Jahr 1783 konnte die jüdische Gemeinde auch das Haus kaufen. Aufgrund der Baufälligkeit von Vorderhaus und Hinterhaus empfahl der Rat der Stadt, beide abzutragen, die Synagoge an selber Stelle neu zu errichten und zur Straße eine Mauer zu errichten. Am 24.08.1787 beschloss die jüdische Gemeinde den Neubau, der im September 1788 eingeweiht wurde. [Manuskript, Avraham 2005, S. 1223–1224] Am Langen Krummen Bruch 18 wurde 1893/94 ein neues Vorderhaus errichtet, das als jüdische Schule und Lehrerwohnung dienen sollte. Als Baumeister fungierte Zimmermeister W. Neuse. In der Synagoge fanden im Jahr 1908 Renovierungen statt, und im Jahr 1911 wurde der Einbau eines „russ. Rauchrohrs mit Ofen“ beantragt. [Manuskript] Bereits ab Frühjahr bzw. Sommer 1938 fanden keine regelmäßigen Gottesdienste mehr statt, da die jüdische Gemeinde keinen Minjan mehr zusammenbekam. Am 19.06.1938 beschloss sie daher ihre Auflösung und den Verkauf von Schule und Synagoge. In der Pogromnacht 1938 wurden Lehrerwohnung und Synagoge verwüstet, blieben jedoch aufgrund der engen Nachbarbebauung von einer Brandstiftung bewahrt. Nach dem Verkauf im noch im selben Jahr wurde die Synagoge als Scheune und die Schule als Wohnhaus genutzt. [Avraham 2005, S. 1229–1230] Im Jahr 1946 wurde in der Synagoge eine Schlosserei eingerichtet und 1954 zu einem Wohnhaus umgebaut. [Avraham 2005, S. 1231] Eine Gedenktafel wurde 1988 am Gebäude angebracht: „Dieses Gebäude war bis 1938 die Synagoge der jüdischen Gemeinde Osterode. Die hier zu Gott beteten, wurden verfolgt und vernichtet.“ Die Inschrift endet mit dem Psalm 69:9 auf Hebräisch und Deutsch: „Gott, Du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist Dir nicht verborgen“ [i. O. in Versalien] Literatur Manuskript Handbuch jüdischer Ritualbauten Niedersachsen | Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, TU Braunschweig Avraham 2005 Avraham, Tamar: Osterode. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 2, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Göttingen 2005, S. 1220–1232. Ballin 1988 Ballin, Gerhard: Die Geschichte der Juden in Osterode am Harz. Schriften aus Archiv, Museum und Bibliothek der Stadt Osterode am Harz, Bd. 3. Osterode, 1988. Meyer 1985 Meyer, Hans Gerhard: Synagoge und Schulhaus. Baubeschreibung des ehemaligen Zentrums der Israelitischen Gemeinde in Osterode in Harz. In: Heimatblätter für den süd-westlichen Harzrand, 1985, H. 41, S. 40–44.
- Beschreibung
- Dominates zweigeschossiges Fachwerkgebäude aus der Zeit Ende des 19. / Beginn des 20. Jahrhunderts mit auffallendem Zwerchhaus, laut Karteikartenarchiv im Jahre 1893 nach einem Entwurf des Zimmerermeisters W. Neuse als jüdisches Schulhaus mit Lehrerwohnung erbaut, Bauherr: Israelitische Gemeinde der Stadt Osterode. Schön gestaltetes Fachwerk mit Mann-Motiv in den Eckbereichen. Die Fenster wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erneuert. Anmerkung: im Denkmalverzeichnis wird das Gebäude fälschlicherweise als „Synagoge“ bezeichnet. Die Synagoge befand sich jedoch im Hintergebäude von Langer Krummer Bruch 18.
- Weiterführende Links
- Bauaufnahmepläne, Index of Jewish Art, Center for Jewish Art
Wikipedia
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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