St. Jacobi
- Landkreis
- Heidekreis
- Gemeinde
- Wietzendorf
- Gemarkung
- Wietzendorf
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Wietzendorf
- Adresse
- Hauptstraße 18
- Objekttyp
- Kirche (Bauwerk)
- Baujahr
- 1874
- bis
- 1876
- Personen
- Hase, Conrad Wilhelm
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 32820524
- Objekt-Nr.
- 44
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Beschreibung
- Die von Conrad Wilhelm Hase (1818-1902) entworfene und 1876 als Ersatz für den abgebrochenen mittelalterlichen Vorgängerbau eingeweihte St. Jakobi-Kirche in Wietzendorf ist eine als unverputzter Backsteinbau ausgeführte neugotische dreischiffige Hallenkirche mit vier Jochen unter Satteldach. Die schmalen Seitenschiffe mit hölzernen Emporen sind durch je einen kleinen, an die westliche Außenwand des Langhauses angebauten Treppenturm erschlossen, dazwischen berührt das Langhaus einen konstruktiv eigenständigen hölzernen Glockenturm (sog. Glockenstapel), der nach neueren Untersuchungen 1545 datiert ist und von Hase in die Planung des Neubaus einbezogen wurde. Am östlichen Ende des Langhauses ragt ein Querhaus gering über die Flucht der Seitenschiffe hinaus, im Osten schließt sich ein 5/8-Chorschluss mit einer kleinen Sakristei im Scheitel an. Chor und Querhaus sind durch große, mit einfachem Maßwerk geteilte spitzbogige Fenster beleuchtet, am Langhaus sind die Fensterreihen aufgrund der Anlage von Emporen horizontal geteilt. Im Inneren ragen die Seitenschiffemporen durch starke runde Langhauspfeiler gestützt weit in das Mittelschiff hinein, verbunden sind sie im Westen durch die Orgelempore. Das Gestühl füllt ungeteilt das Mittelschiff aus und wird von den nicht bestuhlten, gangartigen Seitenschiffen erschlossen. Ebenfalls zur bauzeitlichen Ausstattung gehören die von Theodor Maßler (1844-1910) ausgeführte und am südöstlichen Vierungspfeiler angebrachte, farbig gefasste hölzerne Kanzel mit Schalldeckel, sowie vom selben Bildhauer die Mensa des Altars mit zwei Kommunionbänken und ein ehemals zum Altarretabel gehörendes, heute in der Nähe des Taufbeckens aufgehängtes Kruzifix. Vom Retabel ist der mittlere Teil mit den auf Tafelbildern dargestellten Aaron, Abel, Isaak und Melchisedek erhalten. Das Holzkreuz mit gemalter Christusdarstellung, das über dem Altar an der Ostwand des Chors überlebensgroß emporragt, ist Teil einer 1957 abgeschlossenen Umgestaltung des Kirchenraums durch den Kirchenmaler Rudolf Schäfer, zu der auch die seitlichen Ergänzungen des Altars sowie die großflächigen Wandmalereien an den östlichen Querhauswänden und im Chorgewölbe gehören. Die Orgel mit neugotischen Prospekt wurde bereits 1867 für die alte Kirche fertiggestellt. Das bronzene Taufbecken im Chor ist 1360-70 datiert. Im Gewölbe der Sakristei ist als Spolie ein Schlussstein des mittelalterlichen Vorgängerbaus eingemauert, eine auf Bartholomäus deutende Inschrift ist möglicherweise ein Hinweis auf ein früheres Patrozinium.
- Denkmalbegründung
- In der ersten urkundlichen Erwähnung Wietzendorfs von 1231 ist bereits von einer Kapelle die Rede; es ist davon auszugehen, dass die 1874-1876 errichtete neugotische Kirche mehrere Vorgängerbauten hatte. Erhalten sind der 1545 datierte hölzerne Glockenturm und zeichnerische Aufnahmen des abgebrochenen mittelalterlichen Saalbaus, die 1871 von Conrad Wilhelm Hase angefertigt wurden und im Pfarrarchiv sowie in der Plansammlung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege aufbewahrt sind. Sie waren für die Planung einer Restaurierung des alten Baus gedacht und zeigen einige Änderungen des tatsächlichen Bestands. Dem Wunsch der damaligen Gemeinde nach einem neuen, größeren Kirchenbau wurde schließlich nachgegeben und die Restaurierungsabsicht zugunsten eines Neubaus verworfen. Lediglich der Turm, ein für die Region typischer hölzerner sog. Glockenstapel, blieb vom Abbruch verschont und in seiner vorherigen Disposition zum Kirchenbau erhalten. Ältere Kirchentürme wurden häufig in neu gebaute Kirchen integriert, wie etwa bei der 1867-1869 ebenfalls von Hase gebauten Elisabeth-Kirche in Langenhagen, der Gegensatz in Konstruktion und Größe ist bei dem Wietzendorfer Beispiel allerdings besonders auffallend. Conrad Wilhelm Hase prägte in seiner Funktion als Konsistorialbaumeister, Lehrkraft an der Technischen Hochschule in Hannover und Vorsitzender einer einflussreichen Künstlervereinigung über einen Zeitraum von fast fünf Jahrzehnten mit einer Vielzahl von Profan- und Kirchenbauten insbesondere die Backsteinarchitektur in Norddeutschland. Als beratender Sachverständiger hatte er maßgeblichen Einfluss auf die 1861 veröffentlichten Richtlinien für den evangelischen Kirchenbau, das Eisenacher Regulativ. Auch denkmalpflegerisch war Hase umfangreich tätig, häufig jedoch mit den von der Mitte des 19. Jahrhunderts geprägten Unterschieden zu modernen Auffassungen. Der 1876 eingeweihte Neubau zeigt wesentliche Merkmale der Kirchen, die für die von Hase begründete neugotische hannoversche Schule kennzeichnend sind. Dazu zählen die Zentralisierung des Kirchenraums durch ein kurzes Lang- und Querhaus, einen großen Chor, schmale Seitenschiffe, großzügig bemessene Emporen und eine seitliche Kanzelstellung. Das Kirchengestühl im Langhaus ohne Mittelgang ist ein Charakteristikum mehrerer von Hase entworfener Sakralbauten. Die St. Jakobi-Kirche besitzt als Gebäudetypus mit beispielhafter Ausprägung eines Stils und als Werk eines überregional bedeutenden Architekten einen Zeugnis- und Schauwert für die Bau- und Kunstgeschichte, darüber hinaus ist ihre Erhaltung aufgrund der ortsgeschichtlichen Bedeutung und ihres städtebaulich prägenden Einflusses auf das Ortsbild von öffentlichem Interesse.
- Literatur
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- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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