Vierständer-Längsdielenhaus
- Landkreis
- Lüchow-Dannenberg
- Samtgemeinde
- Lüchow (Wendland) [Sg]
- Gemeinde
- Wustrow, Stadt
- Gemarkung
- Güstritz
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Güstritz
- Adresse
- Im Rundling 11
- Objekttyp
- Wohn-/Wirtschaftsgebäude
- Baujahr
- 1851
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30886540
- Objekt-Nr.
- 91
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Beschreibung
- Die Hofanlage mit dem Haupthaus von 1851 ist am linken Bildrand der historischen Dorfplatzansicht aus dem Bauernalbum von 1865/66 abgebildet. Die mit Lesesteinen gepflasterte Hofzufahrt liegt bis heute an der Nordseite des Haupthauses an der Grundstücksgrenze zu Hof Nr. 10 (heute Nr. 9). Bis auf die 1980 abgetragene, frei stehende Scheune inmitten der Hoffläche sind neben dem Haupthaus noch drei Nebengebäude vorhanden. Der Hofwald mit einem hochwüchsigen Baumbestand schloss sich ab dem Standort der Scheune bis zum alten Bachumlauf an, der heute als Graben trocken liegt. Der Graben speiste einst den südwestlichen Dorfteich an der Landstraße und sorgte für die Entwässerung der Wiesen. Noch auf dem preußischen Urkataster von 1874 ist er Wasser führend dargestellt. Dieser auch als Grenzgraben zwischen den Gemeinheitsflächen und den Hofplätzen dienende Graben wurde im 20. Jh. durch einen geraden Abzugsgraben weiter westlich ersetzt. Die Hofwälder von Güstritz reichen seitdem mit jüngeren Eschebeständen bis an diesen Graben, der heute die Grenze zu den Hofwiesen bildet. Der ältere Hofwald östlich des heute trockenen Bachlaufes besteht aus einem überalterten Eichenbestand. Auf der Grenze zwischen den Hofstellen befinden sich ebenfalls Entwässerungs- und Grenzgräben für die Dachflächen und Hofplätze. An der Nordseite zu Nr. 9 ist noch die alte Bepflanzung mit Weiden erhalten, wie sie ursprünglich im Zuge der Aufteilung der Gemeinheitsflächen um 1840 überall vorhanden war. Die Ausweitung der Hofwälder nach Außen war vielfach verbunden mit der Anlage von Baumgärten mit Kernobstgehölzen jenseits der Hofflächen. Entsprechendes lässt sich auch für Hof Nr.11 im Bestandsplan von 1832 feststellen. Die einstige Halbhufnerstelle wurde bis zur Ehestiftung am 14.04.1824 durch die Familie Schreibke bewirtschaftet. Anne Katharine Schreibke brachte den Hof mit in die Ehe. Ihr Vater, Johann Christoph Schreibke, hatte den Hof zuvor 20 Jahre bewirtschaftet und 1804 von seinem Vater, Peter Heinrich Schreibke geerbt. Joachim Christoph Schulz und seine Ehefrau Anne Katharine Schulz, geborene Schreibke, treten 1851-54 als Bauherren beim Wiederaufbau nach dem Dorfbrand von 1851 in Erscheinung. Anne Katharine ist als Witwe und Eigentümerin bis 1864 im Brandkassenbuch verzeichnet. Die Gründe sind nicht bekannt, zumal das Ehepaar laut Einwohnerverzeichnis von 1842 vier Kinder unterschiedlichen Alters, zwei Söhne und zwei Töchter hatte. Haupthaus: Das rundlingstypisch am Dorfplatz stehende Haupthaus mit dem rückwärtigen Seitenflügel und einem zweiten Brunnen westlich vom Wohngiebel am üblichen Standort des Küchengarten auf dem Hofplatz ist von hoher Authentizität. Laut Inschrift wurde es bereits am 31. Oktober 1851, nur wenige Wochen nach dem Brand, gerichtet. Die beiden Inschriften nehmen Bezug auf das Brandereignis: „Du wollst uns großer Gott mit deinem Schutz erfreun, im Glück und in der Noth mit uns im Hause sein“ (Kehlbalkenebene), „Was das Feuer brannte nieder gab so Gottes Hülfe wieder in der Tage kurzen Lauf, so hilft Gottes Güte auf Preis und Dank sei unserm Herrn Seine Hülf vertraun wir gern. Dir nur wollen wir vertraun schütze Vater was wir baun“ (Dachbalkenebene). Der große, bislang nicht ausgebaute Wirtschaftsteil zwischen dem ersten und zwölften Gebinde wird über das Dielentor und die übliche Seitentür an der Hofzufahrt erschlossen. Der Seiteneingang an der Grenze zum Wohnteil mit einem kleinen Stichflur in die Längsdiele diente auch der Erschließung des rückwärtigen Wohnteils. Dort findet sich eine bemerkenswerte, zuletzt um 1910 erneuerte, zweiflügelige Haustüre mit Oberlicht. Die Wirtschaftsdiele, das Mittelschiff des Hauses, hat eine Breite von 5,88 m. Die beiden Seitenschiffe mit den Stallungen für Großvieh sind mit 2,60 bzw. 2,67 m annähernd gleich breit. An der Nordseite der Längsdiele sind die Viehstände mit Nackenriegeln für 12 Kühe noch offen. An der Südseite befindet sich eine zweite Schwengelpumpe, die vermutlich zu einem zweiten Brunnen im Halbkeller an der Südseite gehört. Der Ostgiebel zum Dorfplatz mit dem zeittypischen Gitterfachwerk ist noch ebenso wie das gesamte Haus mit historischen Ziegeln aus der Bauzeit 1851 ausgefacht, wenn auch teilweise mit Kalkmörtel neu versetzt. Die älteren Ausfachungen an der Nordseite mit Lehmmörtel und Kalkfuge zeigen einen älteren, roten Farbbefund mit aufgemalten, weißen Fugennetz, wie er in der Region sowohl bei Haupthäusern als auch Nebengebäuden immer wieder noch in Resten anzutreffen ist. Der Wohnteil mit Pomös (Zwischengeschoss mit der einstigen Räucherkammer) zwischen dem 12. und 16. Gebinde ist auffallend minimalistisch und traditionell. Die gut belichtete, große Eckstube an der Nordwestecke des Hauses liegt wie grundsätzlich auch hier an der Hofzufahrt. Nach Osten schließt sich eine kleine Bettkammer an mit der Schlafstelle des Bauern. In der Mitte mit einem heute zugesetzten, direkten Ausgang in den Hof zum Brunnen und zum Küchengarten befindet sich mit L-förmiger Grundfläche die Küche. Die Herdstelle liegt an der gemauerten Herdwand zur Stube. Der darüber befindliche, über First geführte Schornstein regelte somit wie üblich den Rauchabzug für Küche und Stube. Die kleine Lucht zur südlichen Traufe diente mit dem ehemals dort befindlichen Spülstein als Spülküche sowie als Zugang zum Halbkeller und zum Kellerboden. Beide liegen nicht an der Nordseite, sondern nach Süden, was mit der Dichte zur benachbarten Bebauung von Hof Nr. 12 auch erklärbar ist. Zwischen beiden Haupthäusern liegt lediglich eine schmale Traufgasse zur Abführung der Dachniederschläge, sodass die erforderliche Kühle gegeben ist. Die einstige Rauchhaube über der Feuerstelle, vermutlich bereits ein gemauerter Herd, ist in der Zwischendecke noch ablesbar. Aufgrund des bauzeitlichen Schornsteins war für die Küche bereits eine Zwischendecke zum Zwischenboden mit der Räucherkammer möglich. Der Zwischenboden ist heute zu Wohnzwecken ausgebaut. Eine kleine Eckkammer nach Südwesten diente vermutlich als zweite Bettstelle und ab 1890 der angebauten Altenteilerstube im Seitenflügel. Das nicht ausgebaute, historische Dachwerk mit 16 Gebinden und einem bauzeitlichen, doppelt stehenden Stuhl ist am rückwärtigen Wohngiebel mit einem konstruktiven Sparfachwerk als Unterkonstruktion für eine Vertikalverbretterung abgeschlossen. Die Sparrenabstände im Wirtschaftsteil sind mit 1,5 m geringfügig weiter als im Wirtschaftsteil mit 1,2 bis 1,5 m. Ebenso wie die Dachflächen von Haupthaus, Seitenflügel und Stallgebäude wurde auch der Wohngiebel des Haupthauses vor 1978 mit großformatigen Zementfaser-Wellplatten bedeckt. Auf dem Dachboden befindet sich ein bemerkenswertes, bewegliches Zubehör aus der Geschichte des Hauses und des Dorfes: Fässer mit dem Namen des Hofstelleninhabers „Carl Schulz“ ab 1875, eine kunstvoll beschlagene und bemalte Hochzeitstruhe und eine wie ein Möbelstück aufwendig gearbeitete, halbautomatisierte Schwengel-Maschine in Holz zur Flachsbearbeitung. Die Maschine diente zum Herauslösen der gebrochenen Holzbestandteile aus den Flachfasern. Diese Maschine könnte beim Güstritzer Bauerntag am 14. Juli 1865, als König Georg V. von Hof zu Hof die Arbeitsschritte vom Flachs zum Leinen demonstriert wurden, zum Einsatz gekommen sein. Denkmalbewertung: Das Haupthaus ist aufgrund seiner baugeschichtlichen und bautypologischen Bedeutung als Vierständer-Hallenhaus nach § 3(2) NDSchG zu bewerten. Zusammen mit der Hofstelle bildet das Haupthaus von 1851 aus siedlungsgeschichtlichen und städtebaulichen Gründen eine unverzichtbare bauliche Einheit mit der Rundlingsstruktur des Dorfes Güstritz. Das Haupthaus der Hofstelle mit seinen zugehörigen Freiflächen, der Zufahrt vom Dorfplatz, dem Hofplatz mit Brunnen, dem Hofwald und der Hofwiese bildet auch ein Ensemble nach § 3(3) NDSchG innerhalb der Dorfanlage des Rundlings. Seitenflügel Haupthaus: Bei dem mit dem Haupthaus verbundenen Seitenflügel auf der südlichen Grundstücksgrenze zu Hof Nr. 12 handelt es sich um ein zum 07.10.1890 in das Brandkassenbuch aufgenommenes „Waschhaus mit Holzstall und Wohnung“. Es ersetzte vermutlich ein älteres Backhaus, wie es noch auf dem preußischen Urkataster von 1874 dargestellt ist. Das „Waschhaus“ dürfte auch als Futterküche und Backhaus gedient haben. Am westlichen Ende befindet sich bis heute die Holzremise, am östlichen Ende die vom Waschhaus aus beheizbare Altenteilerstube. Die Schlafstelle des Altenteilers, die Bettbutze, dürfte sich in der im Haupthaus angeschlossenen, kleinen Eckkammer befunden haben. Der Seitenflügel steht für einen weit verbreiteten Typus kleiner Erweiterungsanbauten an den Haupthäusern. Er ist daher als Bestandteil des Haupthauses zu werten. Scheune: Die Vierständer-Längsdurchfahrtsscheune, die direkt nach dem Wiederaufbau des Haupthauses in Angriff genommen wurde, konnte laut Inschrift im Torsturz am 19. März 1852 gerichtet werden. Zum Zeitpunkt der Ersterfassung 1978 waren Teile des mit Langstroh gedeckten Daches bereits eingestürzt. Bereits 1980 wurde die Scheune vor Ort in Güstritz abgebaut und das Balkenwerk nach Lübeln in das Rundlingsmuseum überführt. Dort wurde die Scheune als Ausstellungsgebäude ab 1989 unter Verwendung alter Hölzer neu abgebunden und am 04.06.1991 eröffnet. Der Altbau war am alten Standort im Ostgiebel zum Hofplatz neben dem Tor mit der obligatorischen Schlupftür versehen, sowie in jedem Seitenschiff mit einer Wagenremise. Mindestens eine Wagenremise war bauzeitlich. Sowohl der Ost- wie der Westgiebel trugen Inschriften auf den Torstürzen und auf Höhe der Dachbalkenlage. Während die Giebel mit Ziegelsteinen ausgefacht und die Giebeldreiecke verbrettert waren, waren die Traufseiten auf der Gesamtlänge mit 12 zweifach verriegelten Gebinden sowie vier Langstreben komplett mit einer Lehmstakung geschlossen. Die Namen der Bauherren entsprechen denen des Haupthauses: „Joachim Christoph Schulz“ und „Anne Katharine Schulz, geb. Schreibke“. Die in Lübeln verwendete Inschrift auf dem Dachbalken nimmt Bezug auf das Brandereignis. Sie wurde dem Lüneburgischen Gesangsbuch unter Nr.782, Vers 12 und 13, „für Abgebrannte“ entnommen (Wendland-Archiv, Inschriften, Lübeln 2, Archiv-ID: 580794): „Gieb wieder was zusammen wir in den heißen Flammen so schleunig eingebüßt. Erfülle dieses Begehren wenn solches Deinen Ehren und unserer Wohlfahrt dienlich ist. Erbaue was zerstöhret und was die Gluth verheeret. Ersetze diesen Brand“. Das am neuen Standort zur sonstigen erhaltenswerten Bausubstanz gehörende Ausstellungsgebäude ist kein Baudenkmal, da der Zeugniswert erheblich reduziert ist. Wirtschaftsgebäude (Stall / Speicher / Backhaus): Das heute nur noch fünf Gebinde lange Fachwerkgebäude auf der nördlichen Grundstücksgrenze zu Nr. 9 wurde vermutlich nach Westen deutlich eingekürzt. Ab 1853 erscheint das Gebäude als Stall im Brandkassenbuch. Es wurde bis zuletzt vermutlich als Schweinestall genutzt. Auf dem preußischen Urkataster von 1874 ist es nach Westen deutlich länger. Der Fachwerkbau mit Gebindeabständen von 1,8 – 1,9 m ist dreifach verriegelt. Das innere Tragwerk besteht aus einem Mittellängsunterzug mit einer Stütze im dritten Gebinde, die im Längsverband mit Kopfbändern versehen ist. Die heutige Ausstattung mit drei Stalltüren, abgehängter Decke, gemauerten Koben, Trögen aus Sollingsandstein und Ziegelpflaster lässt auf eine späte Schweinehaltung schließen. Während die unteren Gefache mit unterschiedlichen Ziegelmaterialien ausgefacht wurden, ist die obere Gefachreihe unter der Traufe wie vielfach üblich noch mit einer Lehmstakung versehen. Der rote Farbbefund auf der Außenseite lässt darauf schließen, dass die unteren Gefachreihen bereits bauzeitlich mit Ziegeln geschlossen waren. Dies sowie die Nähe zur Eckstube im Haupthaus würden für eine ursprüngliche Nutzung als Pferdestall sprechen. Das Gebäude wurde vor 1978 mit großformatigen Zementfaser-Wellplatten eingedeckt. Es gehört zur sonstigen, erhaltenswerten Bausubstanz des Dorfes. Nebengebäude im Hofwald, zuletzt Schafstall: Bei dem stark zerfallenen Nebengebäude in Fachwerk im vorderen Hofwald könnte es sich aufgrund der großen Entfernung zum Haupthaus um einen ehemaligen Schafstall oder eine Flachsdarre handeln. Möglicherweise handelt es sich um das Gebäude vergleichbarer Größe, wie es im preußischen Urkataster von 1874 auf der Hofwiese dargestellt ist. Der neun Gebinde lange Fachwerkbau wurde spätestens um 1900 an seine heutige Stelle überführt und mit rautenförmigen Zementdachsteinen eingedeckt. Lediglich eine kleine Fläche nach Osten ist mit Hohlpfannen eingedeckt. Das Gebäude besteht es aus zwei Räumen, wie es sowohl für einen Baakstaven mit Brecheraum als auch für einen Schafstall mit Wagenremise möglich erscheint. Beide Räume, der Nördliche vom 1. bis 6. Gebinde und der Südliche vom 6. bis 9. Gebinde, werden quer von Osten über ein Tor erschlossen. Die dazwischen liegende Querwand ist mit einer Verbindungstür versehen. Das südliche, nachträglich eingefügte Tor ist bis auf den nördlichen Torständer entfernt. Der kleinere, südliche Raum ist mit einer Deckenfüllung aus gespaltenen Halbhölzern mit rund 5 cm Stroh-Lehm-Schlag auf der Oberseite geschlossen, wie es bei Flachdarren üblich war, um die Wärme zu halten. Im Giebel sorgen krummwüchsige Schwelle-Rähm-Langstreben, in der östlichen Traufseite eine Andreaskreuzstrebe für die Aussteifung. Die Ausfachung besteht aus einem jüngeren, stark gebrannten Ziegel aus der örtlichen Ziegelei und ist in Kalkzementmörtel gelegt. Die Dachbalken werden durch einen Mittellängsunterzug mit Kopfbändern im Längsverband unterstützt. Das Gebäude ist stark verformt, die Grundschwelle umlaufend defekt wie auch die Nordwestecke, das Dach undicht, das südliche Tor entfernt. Es dürfte zuletzt als Unterstand für Tiere gedient haben. Das Gebäude ist ein gutes Beispiel für die nachhaltige Folgenutzung kleiner Nebengebäude. Das vermutlich als Baakstaven um 1860 entstandene Gebäude ist eines der Letzten der bis weit ins 20 Jh. auf jeder Hofstelle in Güstritz innerhalb des Hofwaldes vorhandenen Nebengebäude. Da alle diese Bauten im Brandkassenbuch nicht verzeichnet sind, handelte es sich vermutlich um einen Baakstaven (Flachsdarre), die nach 1880 überwiegend als Viehstand umgenutzt wurden. Das Gebäude gehört zur sonstigen erhaltenswerten Bausubstanz. Kellmann, 11.01.2023
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des Wohn-/Wirtschaftsgebäudes Im Rundling 11 in Güstritz (Wustrow) besteht aufgrund seiner geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse.
- Gruppen (ID | Typ | Beschreibung)
- 30829177 | Rundlingsdorf | Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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