Volksschule Vahrenheide Ost (heute Fridtjof-Nansen-Schule)
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- List
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Vahrenheide
- Adresse
- Leipziger Straße 38
- Objekttyp
- Schule
- Baujahr
- 1960
- bis
- 1962
- Personen
- Zinsser, Ernst
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30808303
- Objekt-Nr.
- 4617
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- 1960+-in-Hannover
- Beschreibung
- In einem Grünzug liegende, um einen nach Norden hin offenen Pausenhof gruppierte, ursprünglich 16 klassige, ein- bis zweigeschossige, flachgedeckte Volksschulanlage. Eingangshalle im Westen, hier nördlich angrenzender Musiksaal mit angeordnetem, geschlossen Innenhof, dieser von Lehrerräumen, Hausmeisterwohnung und Nebenräumen (zur Straße hin) umringt. Fach- und Sonderklassen zum Pausenhof hin und nach Norden orientiert. Langer, gestaffelter Klassentrakt im Süden, Räume jeweils mit Blick ins Grüne, nördlich vorgelagerter Gang als Pausenhalle. Nordöstlicher Bereich der Schule, mit Verbindung zum Schulkindergarten und zur Turnhalle inklusive Nebenräume, über überdeckten Gang erschlossen, verändert. Massivbau, Außenwände mit rotem Verblendmauerwerk, Glaswände wabenförmig aufgeteilt (Wabenbetonfenster). Erbaut 1960-62 von den Architekten Ernst Zinsser, Gerhard Frantz und Wilhelm Behnsen. Heute Friedtjof-Nansen-Schule, Grundschule.
- Denkmalbegründung
- In Folge des Zweiten Weltkriegs und den damit einhergehenden Zerstörungen wurden in Hannover einerseits zahlreiche Neubauten für verschiedene Verwendungszwecke und andererseits Ersatzbauten für geschädigte Altbauten notwendig. Nach dem politischen Neuanfang kam ein gesamtgesellschaftlicher Modernisierungsprozess mit dem in den 1950er Jahren einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung, der politischen und gesellschaftlichen Stabilisierung und dem Zuzug von Flüchtlingen und ländlichen Bevölkerungsgruppen in Gang. In der Landeshauptstadt wurden in den ersten Flächennutzungsplänen in der Zeit um 1950 daher umfangreiche neue Wohngebiete ausgewiesen. Parallel dazu wurde der Bedarf an zugehörigen Einrichtungen wie Schulen ermittelt und festgelegt. 75 Schulneubauten wurden geplant, davon waren bis 1963 bereits 50 neu erstellt worden. Durch die langjährige restriktive Baupolitik der Nationalsozialisten waren jedoch zeitgenössische Schulbaukonzepte in Deutschland nicht mehr vorhanden. Vorbildhafte Bauten und Konzepte wurde daher im Ausland gesucht. Hier ging der Blick beispielsweise nach England, Schweden, Schweiz, in die Vereinigten Staaten von Amerika und Dänemark. Dort vorzufindende eingeschossige Pavillonbauten, der Verzicht auf äußerliche Repräsentation, Modulbauweisen, roh und einfach verwendete Materialien und aufgelockert-funktionale Grundrissstrukturen wurden für die weiteren Entwicklungen in Hannover und Niedersachsen vorbildhaft. Sorgfältige konzeptionelle Überlegungen und der Anspruch wandel- und erweiterbare Systeme zu entwickeln, der Wunsch dem freien und menschenwürdigen Zusammenleben in einem demokratischen Staat baulich Ausdruck zu verleihen und die Schulkinder mit diesen Prinzipen vertraut zu machen führten unter der Ägide des Stadtbaurats Rudolf Hillebrecht (1910-1999) zur Gründung einer Entwurfsabteilung für Schulbau unter der Leitung von Werner Dierschke (1906-1983). Damit einher ging der Beschluss und die Veröffentlichung von Planungshinweisen und Richtlinien für Schulneubauten in der Landeshauptstadt, die in Zusammenarbeit von Hochbauamt und Schulamt erarbeitet wurden. Die überwiegende Mehrzahl an Schulneubauten wurde bis 1959 vom Hochbauamt von dortigen Teams selbst entworfen. Später wurde der Anteil der Beauftragung freischaffend tätiger Architekten erhöht. Späte konzeptionelle Weiterentwicklungen mündeten dann ab 1970 in der Einführung der Gesamtschulen. Der erster Bau einer Integrierten Gesamtschule (IGS) in Niedersachsen war im Jahre 1971 die IGS in Hannover-Linden. Die Volksschule Vahrenheide Ost steht mit der Bauzeit von 1960 bis 1963 beispielhaft für eine von freiberuflich tätigen Architekten nach Vorgabe der in Hannover entwickelten und erprobten Grundsätzen erbauten Schule. Zudem ist sie als Volksschule hinsichtlich des Schultyps die in dieser Zeit meistgebaute Vertreter. Das Raumprogramm des umgesetzten Entwurfs von Ernst Zinsser (1904-1985), die gewählten Maßstäblichkeiten und Materialitäten, lassen sich nahezu 1:1 auf Vorgaben wie zum Beispiel der 1964 publizierten "Hinweise für den Schulneubau inder Landeshauptstadt Hannover" im Sinne der von Dierschke geforderten individuellen Anpassung und der gleichzeitigen Ablehnung des Serienbaus beziehen. Präferiert wurde hier, wie an anderen zumeist dezentral in neuen Wohngebieten gelegenen Standorten, das naturnahe, maßstäbliche und kindgerechte Bauen, die aufgelockerte Gruppierung von Bauvolumen um einen zentralen Schulhof, die Stahlbetonskelettbauweise mit Ausfachungen und Verblendungen aus rotem Ziegel, das Flachdach oder der wiederkehrende Einsatz von bestimmten Fußbodenbelägen oder Anstrichmitteln. Die sogenannte Nachkriegsmoderne, der der Schulbau zuzuordnen ist, verleiht den genannten zeitgeschichtlichen Entwicklungslinien durch neue Konstruktionsarten, Materialitäten, Formensprachen und städtebauliche Positionierungen, in vielschichtiger Art und Weise Ausdruck. Der Architekt Zinsser war Vertreter einer vielbeschäftigten und einflussreichen niedersächsischen Architektengeneration. Er ist in Hannover unter anderem bekannt geworden durch die Bauten der Verwaltung und des Zentrallabors der Kali-Chemie AG (Hannover-Bult, 1950-51), der Hauptverwaltung der Continental Gummiwerke AG (Hannover-Mitte, 1951-53, heute Conti-Campus der Leibniz Universität Hannover), dem Büro- und Fabrikgebäude der Geha-Werke (Hannover-Bothfeld, 1955-56), der ehemaligen Kirchenkanzlei der EKD (Hannover-Herrenhausen, 1964-65) sowie vieler weiterer stadtbildprägender Wohn-, Schul-, Geschäfts- und Kulturbauten und zahlreicher Industrie- und Gewerbebauten. In der Ausprägung der Bauaufgabe und -form bespielhaft und mit einem hohen Aussage- und Zeugniswert aufgrund des hervorragenden Überlieferungszustandes, besteht an der Erhaltung des Schulgebäudes daher aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung für die Ortsgeschichte, für die Bau- und Kunstgeschichte wegen der beispielhaften Ausprägung eines Baustils und eines Gebäudetypus, als Werk eines lokal und überregional bekannten Architekten, und wegen des Zeugnis- und Schauwerts für die Siedlungs- und Stadtbaugeschichte der Nachkriegszeit, aufgrund seiner künstlerischen Bedeutung wegen der nicht alltäglichen Gestaltwerte, ein öffentliches Interesse.
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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