Alter jüdischer Friedhof an der Oberstraße Hannover
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- Hannover
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Nordstadt
- Adresse
- Oberstraße;Am Judenkirchhof
- Objekttyp
- Friedhof
- Baujahr
- um 1550
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, wissenschaftlich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30794342
- Objekt-Nr.
- 226
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Juedische-Friedhoefe
- Jüdische Topographie Es ist nicht genau bekannt, wann der Friedhof an der Oberstraße angelegt wurde. Leffmann Behrens erwähnt in einer Eingabe von 1671, dass „Schutzverwandte Juden hieselbst auf dem Sandtberg fürm Steinthore vor hundert und mehr Jahren einen Ohrt zum Begräbniß ihrer Todten gehabt“ hätten. (Lazarus 1961, S. 4) Demnach ist von einer Entstehungszeit des Begräbnisplatzes etwa Mitte des 16. Jahrhunderts auszugehen. Nachdem die Totenruhe auf dem nur unzureichend durch Hecken geschützten Sandhügel wiederholt durch die Sandabfuhr von Fuhrleuten gestört und Grabstätten zerstört worden waren, bat die Gemeinde den Landesherrn 1661 und nochmals 1671 um seine Hilfe. Dieser ließ zunächst eine hölzerne Warntafel aufstellen, die er 1671 durch zwei steinerne Tafeln ersetzte, in denen er Strafen bei Zuwiderhandlungen androhte. (Lazarus 1961, S. 3, 4; Schulze 2005, S. 734) 1740 wurde der Friedhof um einen angrenzenden Hügel erweitert. (Lazarus 1961, S. 8) Zur Sicherung wurde das gesamte Gelände mit einer massiven Mauer aus Feldsteinen umgeben, in die die beiden Schutztafeln eingelassen wurden. (Schulze 2005, S. 736) Der Haupteingang befand sich auf der westlichen, zur Neustadt gelegenen Mauerseite. Für die Kohanim wurde 1742 auf der östlichen Seite eine separate Pforte angelegt, über den sie einen Rundweg erreichen konnten, der sie in gewissem Abstand um das Gräberfeld führte. (Lazarus 1961, S. 8/9, Schulze 2005, S. 736) 1841 wurde der Friedhof instandgesetzt, Grabsteine entziffert und verzeichnet. (Lazarus 1961, S. 9) Es wird vermutet, dass der Friedhofshügel damals künstlich erhöht wurde, die älteren Grabsteine hierbei nach oben versetzt wurden. (Schulze 2005, S. 736) Dem Friedhof zugeordnet war ein Totenhaus, das 1837 abbrannte. Der Nachfolgebau Am Judenkirchhof 15 wurde 1886 vom Magistrat angekauft und wegen der Verbreiterung der Straße abgebrochen. (Lazarus 1961, S. 9) Nachdem der Friedhof fast vollständig belegt war, wurde die Anlage eines neuen Friedhofs notwendig. Mit Eröffnung des neuen Friedhofs An der Strangriede 1864 wurde der alte Friedhof offiziell geschlossen. (Schulze 2005, S. 751; Lazarus 1961, S. 9) 1880 gelang es der jüdischen Gemeinde, das Friedhofsgelände zu erwerben. (Schulze 2005, S. 736/737) 1888 wurde der Haupteingang in der Westmauer zugemauert. Seitdem dient die Pforte an der Ostseite als Eingang. (Lazarus 1961, S. 8) Der alte jüdische Friedhof liegt eingebettet zwischen Oberstraße und der Straße Am Judenkirchhof. Der markante, mit Bäumen bestandene Friedhofshügel ist mit einer Bruchsteinmauer eingefriedet. Der Eingang befindet sich an der Ostseite. Seitlich davon sind in die Mauer die Schutzsteine von 1671 eingelassen. Die Zahl der Grabsteine gibt Selig Gronemann 1913 mit 726 an. Der älteste erhaltene Grabstein stammt von 1654 (Salman Gans), der jüngste aus dem Jahr 1866 für den Bankier Adolph Meyer. Die Stelen sind mit einem halbrunden Abschluss oder kräftig profilierten Bekrönungen versehen. Literatur Manuskript Handbuch jüdischer Ritualbauten Niedersachsen | Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, TU Braunschweig Der alte jüdische Friedhof in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter, N.F., 1961, S. 3-76: • Lazarus, Ludwig: Zur Geschichte des Friedhofes, S. 3-10 • Reden, Hans Henning von: Der Sandberg als Redensches Lehen, S. 10-15. • Wahl, Margret: Bestandsübersicht der Grabsteine, S. 15-63. • Plath, Helmut: Die Grabsteine, Formen und Symbole, S. 64-75. • Lazarus, Ludwig: Nachtrag, S. 76. • Belegungsplan, nach S. 76. Diamant 1982 Diamant, Adolf: Jüdische Friedhöfe in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. Frankfurt am Main 1982; zum jüdischen Friedhof: S. 79. Fahl 2010 Fahl, Andreas: Der alte jüdische Friedhof an der Oberstraße. In: Über das Leben hinaus. Ein Spaziergang über Hannovers Friedhöfe. Begleitbuch zur Ausstellung im Historischen Museum Hannover (Schriften des Historischen Museums Hannover; Bd. 39). Hildesheim 2010, S. 23. Gronemann 1913 Gronemann, Selig: Genealogische Studien über die alten jüdischen Familien Hannovers. Berlin 1913. Knufinke 2007 Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland (Schriften der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa; 3). Petersberg 2007; zum jüdischen Friedhof: S. 65/66; zum Totenhaus: S. 432. Schulze 2009 Schulze, Peter: Der alte jüdische Friedhof – eine bedeutende Kulturstätte in der Nachbarschaft der Christuskirche. In: 150 Jahre Gemeindegründung Christuskirche Hannover. Jubiläumsschrift aus Anlass der Gründung der Gemeinde am 28. August 1859. Hannover o.J. [2009], S. 189-191. Schulze 1998 Schulze, Peter: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover (Hannoversche Studien; Bd. 6). Hannover 1998; Kapitel: Der älteste jüdische Friedhof, S. 12. Schulze 2005 Schulze, Peter: Hannover. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 726-796; zum jüdischen Friedhof: S. 731, 733/734, 736, 737, 751, 781. Schulze 2009 Schulze, Peter: Jüdische Friedhöfe – Alter jüd. Friedhof. In: Mlynek, Klaus u.a. (Hg.): Stadtlexikon Hannover. Hannover 2009, S. 328. Zöller 1995 Zöller, Wolfram: Der alte jüdische Friedhof in Hannover und seine Grabsteine von Heinrich Heines Vorfahren. In: Heine-Jahrbuch, 34. Jg., 1995, S. 168-179.
- Beschreibung
- Markanter, mit Bäumen bestandener Friedhofshügel im Stadterweiterungsgebiet, durch Bruchsteinmauer eingefriedigt, ca. 726 schlichte Grabsteine aus der Zeit zwischen 1654 und 1866 erhalten. Zugang an der Ostseite, seitlich des Eingangs Schutztafeln von 1671, die in die Mauer eingelassen sind. Ursprünglich gehörte zum Friedhof ein Totenhaus an der Straße Zum Judenkirchhof, dieses wurde 1837 nach einem Brand durch einen Neubau ersetzt, 1886 dann vom Magistrat angekauft und zur Straßenerweiterung abgebrochen.
- Denkmalbegründung
- An der Erhaltung des um die Mitte des 16. Jahrhunderts angelegten alten jüdischen Friedhofs an der Oberstraße besteht aufgrund seiner historischen und wissenschaftlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse. Als Begräbnisplatz der jüdischen Gemeinde von Hannover mit ca. 726 erhaltenen Grabsteinen aus der Zeit zwischen 1654 und 1866 ist er sowohl ein aussagekräftiges Objekt der lokalen Geschichte als auch der Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte und der Geschichte der jüdischen Bestattungskultur. Als ältester erhaltener Friedhof Niedersachsens und als eines der wenigen Zeugnisse für die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Niedersachsen besitzt der Friedhof einen hohen Dokumentations- und Erinnerungswert.
- Literatur
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- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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