St. Petri-Kirche
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- Döhren
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Döhren
- Adresse
- Am Lindenhofe 16
- Objekttyp
- Kirche (Bauwerk)
- Baujahr
- 1320
- bis
- 1949
- Personen
- Bartning, Otto
Margraf Bünnecke, Ruth
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30766354
- Objekt-Nr.
- 883
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Nachkriegskirchen Lutherischer_Kirchenbau
- Beschreibung
- Sich östlich der Leine auf einem von den Straßen Am Lindenhofe, Frobösestraße und Brückstraße umgebenen Grundstück befindender, wohl erstmals 1320 erwähnter Kirchstandort. Von der alten mittelalterlichen St. Petri-Kirche des 14. Jahrhunderts ist der massive, im Grundriss nahezu quadratische, auf einem mit Hohlkehle versehenen Sockel und einem umlaufenden Kaffgesims in Höhe des ersten Geschosses ausgeführte Westturm aus Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung erhalten. Er wurde 1913, stilistisch angepasst, in Bruchsteinmauerwerk aufgestockt, erhielt im neuen Glockengeschoss an jeder Fassadenseite zwei lanzettförmige Fenster, die als Schallöffnungen fungieren, und einen neuen, schiefergedeckten, spitzen Pyramidalhelm mit Ecktürmchen und kleinen, allseitig vorhandenen Uhrengiebeln. Das nach Osten zur Straße Am Lindenhofe anschließende barocke Kirchenschiff aus dem Jahr 1710 wurde in den 1890er Jahren in neugotischer Form umgestaltet und im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen im Herbst 1943 schwer geschädigt, später abgetragen und 1949 durch einen Systemneubau des Architekten Otto Bartning (1883-1959) aus dem sogenannten Notkirchenprogramm ersetzt. Die teilweise durch Spenden von Lutheranern aus dem Ausland finanzierte und teilweise in Eigenleistung der Kirchgemeinde aufgebaute Bartningsche Notkirche besteht aus einer standardisierten Konstruktion von 18 vorgefertigten, winkelförmigen Holz-Nagel-Bindern, die Kirchenaußenwände wurden aus rotem Backstein, der aus vor Ort vorgefundenen Trümmern gewonnen wurde, aufgebaut. Dabei wurden geborgene Spolien aus der alten Kirche in die Außenwände integriert, darunter mehrere Epitaphe an den Außenfassaden und im Chorbereich, hier den Altar umgebend. Schlichter, zeltartig wirkender, einschiffiger Saal mit 5/10-Schluss und Satteldach. Zwischen Außenwandoberkante und Traufe eingefügtes Lichtband, 1963 nach einem Entwurf der Künstlerin Ruth Margraf (1929-2006), in Zusammenarbeit mit Karl-Otto Margraf und der Glaswerkstatt Berkentin in Lübeck als sogenannte „Lichtmauer“ mittels dichtem Bleinetz und Farbglas umgestaltet.
- Denkmalbegründung
- 1320 wurde erstmals eine dem Heiligen Petrus geweihte Kirche in Döhren erwähnt, der älteste Kirchenbau wurde wahrscheinlich um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch einen gewölbten Bruchsteinbau ersetzt, der bis 1710 Bestand hatte. Von der vorindustriellen ländlichen Bebauung des Haufendorfes Döhren, welches sich entlang der alten Landstraße von Hannover nach Hildesheim (Landwehrstraße und Wiehbergstraße) sowie an der Abelmann-, Brück- und Kirchstraße (heute Straße Am Lindenhof) erstreckte, ist bis auf den mittelalterlichen Teil des Kirchturms und das Wohngebäude Reichhelmstraße 5 (wohl um 1800 erbaut) nichts mehr erhalten geblieben. Nur wenige weitere, jüngere bauliche Zeugnisse des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts markieren heute, zusammen mit der Kirche, das ehemalige Zentrum des urkundlich erstmals im Jahre 983 erwähnten Dorfes. Mit der Aufstockung des Turms und der Gestaltung des zugehörigen, gotisierenden neuen Helms fanden die Bemühungen, dem Dorfkern wieder ein altehrwürdiges Aussehen zu verleihen, 1913 einen Abschluss. In den Jahrzehnten davor wurden bereits die alte, zwischenzeitlich umgebaute Kirche ab 1881 mit einem Querschiff versehen, 1883 die Schule und 1896 das Pfarrhaus jeweils in neugotischen Formen in Backstein erbaut. Nach der Zerstörung des Kirchenschiffs durch Bombenangriffe im September und Oktober 1943 wurde östlich des erhalten gebliebenen Turms mit Hilfe von ausländischen Spendengeldern eine von 43 in Deutschland errichteten Notkirchen, hier speziell eine des Typs B als Saalkirche mit Satteldach und polygonalem Altarraum, aufgebaut. Die sogenannten Bartningschen-Notkirchen wurden im Rahmen eines 1945 vom Evangelischen Hilfswerk ins Leben gerufenen Kirchenbauhilfsprogramms deutschlandweit ausgeführt. Auf Grundlage des vom Architekten Otto Bartning (1883-1959) entwickelten Konstruktionsprinzips sollte – mittels Einsatz einer standardisierten Holzbinderkonstruktion im Zusammenspiel mit nichttragenden Außenwänden aus vor Ort vorhandenen Materialien oder Trümmerziegeln – dem durch die kriegsbedingten Zerstörungen und den Zuzug vieler Flüchtlinge entstandenen Mangel an Räumen für den Gottesdienst abgeholfen werden. Otto Bartning zählt zu den berühmtesten deutschen Architekten und Architekturtheoretikern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er zeichnet sich vor allem für eine Vielzahl im In- und Ausland errichteten Kirchen verantwortlich und beschäftigt sich in seinen Schriften intensiv mit dem zeitgenössischen Kirchenbau. Bartning hatte für das Hilfsprogramm ein einfaches, materialsparendes Modulsystem aus tragenden Holzbindern entwickelt, das andernorts vorgefertigt, an den Einsatzort transportiert und dort in kurzer Zeit montiert werden konnte. Die Kirchengemeinden konnten beispielsweise durch Beräumung des Bauplatzes und die Beseitigung der Trümmer, durch Ausschachtungsarbeiten für die neue Fundamentierung, bei der Materialgewinnung für und beim Aufbau der Außenwände wichtige Mitarbeit leisten. Vor allem beim Bau der nichttragenden Außenwände zwischen den Bindern waren hierbei – trotz standardisiertem Konstruktionsprinzip – gewisse gestalterische Freiheiten und lokale Abwandlungen oder Anpassungen an die Situation vor Ort möglich. Auch für den Bau der Notkirche in Döhren ist überliefert, dass von den Gemeindemitgliedern in Eigenleistung Trümmersteine geborgen und geputzt, die Fundamente ausgehoben und gelegt sowie die Außenmauern aufgebaut worden sind. Die Grundsteinlegung des Baus – hierfür wurde ein Quader der alten Kirche wiederverwendet – erfolgte am 19. Juli 1949. Am 18. Dezember 1949 folgte die Einweihung der Kirche im Beisein des Landesbischofs Hanns Lilje. Bei aller bewusst intendierten Eigenheit durch den Einsatz lokal- oder regionaltypischer Materialien – in diesem Fall des aus den Trümmern des zerstörten Vorgängerbaus gewonnen roten Backsteins – ist die Einbindung von Spolien und Grabplatten an der Kirche bemerkenswert. Am Außenbau sind am Chor im Osten ein Epitaph, der sogenannte Schwedenstein, aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges mit der relieffierten Darstellung eines knieenden Kriegers mit Kruzifix und niedergelegtem federgeschmücktem Hut, an der Nordfassade der Kirche weiterhin der Epithaph für den Vollmeier Johann Friedrich Stamme (1739-1807) aus Laatzen mit der Darstellung einer Raupe und eines aufsteigenden Schmetterlings (Versinnbildlichung der Wiederauferstehung nach dem Tode), zudem neben dem Eingang zum Turm der Epitaph für Johann Ludewig Mehmet von Königstreu (1709-1775, Sohn von Ludwig Maximilian Mehmet des in den Reichsadelsstand erhobenen Kammerdieners des hannoverschen Erbprinzen Georg Ludwig und späteren Königs Georg I von England) und schließlich an der Südseite der Kirche der Epitaph für das 1735 verstorbene Mädchen Catarina Maria Schellecken eingefügt worden. Der sehr aufwändig floral und figürlich relieffiert gestaltete Grabstein erinnert an die im Kindesalter von elf Jahren verstorbene Tochter des Vollmeiers Schellecken. An den Innenwandseiten des poligonalen Chors der Kirche sind um den Altar drei weitere bemerkenswerte Epitaphe integriert worden, die den bedeutenden Familien Haskamp und Möller zuzuordnen sind. Es handelt sich um relieffierte Renaissanceepitaphe aus der Zeit des 16. Jahrhunderts mit zugehörigen Architekturelementen. Im Turmerdgeschoss befinden sich Epitaphe aus dem 17. Jahrhundert, darunter der dem Turmeingang zugeordnete Epitaph für den Küster und Schulmeister Johannes Ölers sowie dessen Frau. In der Glockenstube des Turms sind drei Stahlgussglocken, zwei aus den Jahren 1922 (große und mittlere Glocke) und eine aus dem Jahr 1966 (kleine Glocke), vorhanden. Die neue Orgel der Firma Eule (Bautzen) wurde, als Ersatz für die alte Orgel der Firma Emil Hammer (Hannover) aus dem 1950, am 06. Dezember 2007 eingeweiht. Die zunächst einfache Verglasung des Kirchsaals, die als fensterbandartige Belichtung des Innenraums oberhalb der nichttragenden Außenwände und unterhalb der Trauflinie des Daches eingefügt war, wurde 1963 durch zurückhaltend farbige Fenster der hannoverschen Glaskünstlerin Ruth Margraf (1929-2006) ersetzt. Margraf war eine bedeutende, vielbeschäftige Künstlerin, von der mehrere Glasgestaltungen im Gebiet der Landeskirche Hannovers aber auch überregional und im Ausland bekannt sind. Das im Turmuntergeschoss eingefügte sogenannte Petrusfenster (Stiftung der Baufirma Spangenberg/ Wülfel, die beim Wiederaufbau der Kirche beteiligt war) und der Taufstein aus Deistersandstein (von Albert Friedrichs zur Einweihung der Kirche gestiftet) stammen ebenso wie der Altar aus der Bauzeit. Bei der St. Petri-Kirche handelt sich um eine von ehemals zwei in Hannover aufgebauten Bartningschen Notkirchen. Der andere, ehemals am Standort der Matthäuskirche in List stehende Bau des Typs B wurde später transloziert und teilweise in den Neubau der Zachäuskirche in Burg integriert. In Niedersachsen gibt es ansonsten nur noch eine weitere Notkirche aus der Zeit der späten 1940er Jahre: in Emden steht mit der sogenannten Schweizer Kirche der evangelisch-reformierten Gemeinde der Großen Kirche eine bereits am 16. Oktober 1949 eingeweihte Bartningsche Notkirche des Typs A. Die Kirche in Döhren zählt zu den bundesweit wenigen nahezu im Originalzustand erhaltenen Bauten des Typs B. In der Entwicklungsgeschichte der niedersächsischen Sakralarchitektur nimmt der ursprüngliche mittelalterliche Kirchenbau aufgrund der beispielhaften Ausprägung einer Bartningschen Notkirche als Dokument der Wiederaufbauzeit und älteste, nahezu original erhaltene Nachkriegskirche Hannovers, eine Sonderstellung ein. In der Ausprägung der Bauaufgabe und -form bespielhaft und mit einem hohen Aussage- und Zeugniswert, besteht an der Erhaltung der St. Petri-Kirche daher aufgrund ihrer geschichtlichen Bedeutung für die Orts-, Siedlungs-, Stadtbau- und Sozialgeschichte der Stadt Hannover, zudem für die Bau- und Kunstgeschichte wegen der beispielhaften Ausprägung von Baustilen und des Typus einer Notkirche, ebenso als Werk lokal und überregional bekannter Künstler und Architekten, aufgrund ihrer künstlerischen Bedeutung wegen der nicht alltäglichen Gestaltwerte und wegen der bedeutenden Innenraumgestaltung, aufgrund ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wegen des Seltenheits- und sehr guten Überlieferungswertes sowie aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung, mit prägendem Einfluss auf das Ortsbild, ein öffentliches Interesse.
- Literatur
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- Weiterführende Links
- Denkmaltopographie Stadt Hannover, Teil 2: Objektbeschreibung
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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