Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis
- Landkreis
- Region Hannover
- Gemeinde
- Hannover, Stadt
- Gemarkung
- Hannover
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Calenberger Neustadt
- Adresse
- Rote Reihe 8
- Objekttyp
- Kirche (Bauwerk)
- Baujahr
- 1666
- bis
- 1958
- Personen
- Ziegeler, Wilhelm
Westermann, Brand
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Bedeutung
- geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30760291
- Objekt-Nr.
- 219
- Fachbereich
- Bau und Kunst
- Denkmalthema
- Lutherischer_Kirchenbau Hannover-Unesco-City-of-Music
- Beschreibung
- Langgestreckte rechteckige Saalkirche in Werksteinmauerwerk über knapp profiliertem Quadersockel, mit steilem Satteldach in Ziegeldeckung, auf dem Ostgiebel ein kleiner Dachreiter. Fassaden gegliedert durch lisenenartige schmale Strebepfeiler, die bis an den Würfelfries der Traufe gezogen sind. So entstehen am Langhaus sieben gleichmäßige Achsen mit Fensteröffnungen, ein zusätzliches Ostjoch ist leicht eingezogen. Der ursprüngliche Aufriss mit den reliefierten Brüstungsplatten mit Fruchtgirlanden ist heute nur an der Ost- und Westseite erhalten. In der Mittelachse des Schiffs nach Norden und Süden säulenflankierte Portale, die 1666 (i) fertiggestellt wurden. Saalkirche somit 1666-70 unter der Bauleitung von Brand Westermann (1646-1716) als religiöser und städtebaulicher Mittelpunkt der neu entstandenen Calenberger Neustadt durch großzügige finanzielle Förderung des Kaufmanns und Ratsherrn Johann Duve errichtet, am Entwurf war wahrscheinlich auch der seit 1667 in Hannover tätige venezianische Baumeister Hieronimo Sartorio beteiligt. 1691-1700 ergänzt durch den Westturm, der aus dunklen Quadern besteht und von einer mehrfach gegliederten Welschen Haube in Kupferdeckung bekrönt wird. In den unteren Geschossen durch kräftige Gesimse auf Ecklisenen gestuft, das Westportal unter einem von ionischen Pilastern getragenen Dreieckgiebel. 1870-72 durchgreifender Umbau der Kirche, dabei Aufgabe der ursprünglich innen und außen korrespondierenden dreigeschossigen Wandgliederung in den Langhausfassaden, Vergrößerung der Fensteröffnungen sowie Anbau der flankierenden Treppenhäuser am westlichen Joch und Herausnahme des oberen Geschosses aus der ehemaligen Doppelemporenanlage. Weitere Umbauten folgten 1901-03. 1943 ausgebrannt, 1956-58 durch Werner Ziegeler wiederhergestellt, dabei vor allem der Innenraum völlig neu gestaltet mit einer abschließenden Segmentbogentonne auf durchbrochenen Wandpfeilern (das stuckierte Gewölbe der Turmhalle mit Rippen auf profilierten Kämpfern gibt etwa einen Eindruck des vormaligen Dekors). Wiedereinbau einer Empore 1992-94. Ausstattung modern, erhalten sind der hölzerne Taufständer von 1760 (i) und die zwölf Pastorenepitaphe aus dem 17.und 18. Jahrhundert an den Wandpfeilern. In der Südostecke steht die geborstene Grabplatte für Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) mit der Inschrift "Ossa Leibnitii". Die Kirche besitzt zwei besondere Orgeln: 2001 wurde die sogenannte spanische Orgel von Patrick Collon (Belgien) mit 18 geteilten Registern eingebaut nach dem Muster spanischer Barock-Orgeln, 2019 folgte die sogenannte Bach-Orgel des belgischen Orgelbauers Dominique Thomas (auch "Thomas-Orgel") als neue Hauptorgel, die über 51 Register auf drei Manualen und Pedal verfügt. Beide Orgeln wrden von der Hochschule für Musik Theater und Medien Hannover (hmtmh) genutzt.
- Denkmalbegründung
- Das langgestreckte, rechteckige Schiff der neustädter Hof- und Stadtkirche, ursprünglich unter einer flachen Holztonne, kann als einer der ersten Bauten in Niedersachsen gelten, der im Typ der Saalkirche das protestantische Raumideal eines einheitlichen Predigt- und Andachtraums mit umlaufender Empore und Kanzelaltar realisierte. Die Kirche wurde 1666-71 und damit direkt nach dem Übertritt Herzog Johann Friedrichs zum Katholizismus (1651) erbaut, als dem lutherischen Hofstaat die Schlosskirche nicht mehr zur Verfügung stand. Den drei altstädtischen hannoverschen Pfarrkirchen sollte der Neubau direkt am Markt der Calenberger Neustadt ebenbürtig gegenüberstehen. Hier, außerhalb der hannoverschen Stadtmauern, siedelten, nachdem Hannover 1636 Residenz geworden war, vor allem der Hofstaat und die Hofbeamten. Die Aufgabenstellung für den beauftragten Architekten war vollkommen neu, sollte er doch eine geräumige und zugleich repräsentative Predigtkirche für den lutherischen Gottesdienst gestalten. Mit dem Traktat „Kirchen Gebäw“ des Ulmer Baubeamten Joseph Furttenbach d. Ä. war 1649 eine erste theoretische Grundlage für den lutherischen Kirchenbau erschienen, in der er einen längsrechteckigen Saalbau als Grundtyp vorschlug, der hier idealtypisch umgesetzt ist, und der anschließend in variierter Form vielfach kopiert wurde. Generalbauunternehmer und finanzieller Förderer der Kirche in der Calenberger Neustadt war der Kaufmann und altstädtische Ratsherr Johann Duve, als Bauleiter setzte Brand Westermann die Entwürfe um, an denen vermutlich der am Hof tätige venezianische Architekt Hieronimo Sartorio beteiligt war. Eingeweiht wurde die Kirche 1670 "bei volkreicher Versammlung" von Generalsuperintendent Justus Gesenius. Wenngleich bei Umbauten der Kirche im 19. Jahrhundert schon erhebliche Änderungen durchgeführt wurden und die Kirche auch große Schäden im Zweiten Weltkrieg erfuhr, so hat die Kirche dennoch für den lutherischen Kirchenbau nach dem Dreißigjährigen Krieg eine besondere Bedeutung. Auch der Wiederaufbau, der zwischen 1956 und 1958 vonstattenging, ist ein idealtypischer, in welchem ein schlichter, großer Saalraum entstand (beim Umbau 1992 und 1994 wurde der Innenraum mit Einbau einer Empore der ursprünglichen Konzeption wieder angenähert), der heute sowohl kirchlich als auch in Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover als Konzertsaal genutzt wird, in diesem Zusammenhang ist besonders die als „Barockorgel“ bekannte Thomas-Orgel erwähnenswert, die 2019 hier eingebaut wurde, sowie darüber hinaus die besonders farbenfroh gestaltete Spanische Orgel mit ihren in den Raum gerichteten Trompeten, die 2001 eingeweiht wurde. Als einzige ihrer Art in Nordeuropa ist sie eine Preziose unter den Orgeln der Stadt Hannover. Die Erhaltung der Neustädter Hof- und Stadtkirche liegt damit aus vielfältigen – geschichtlichen und künstlerischen sowie auch städtebaulichen Gründen, hier wegen des straßen-, platz- und ortsteilbildprägenden Zeugniswerts – im öffentlichen Interesse.
- Literatur
-
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ADABweb
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