Wurt
- Landkreis
- Wilhelmshaven, Stadt
- Gemeinde
- Wilhelmshaven, Stadt
- Gemarkung
- Rüstringen
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Hessens
- Objekttyp
- Wurt
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 30590192
- Objekt-Nr.
- 7
- Fachbereich
- Archäologie
- Beschreibung
- Alte Namen: Hossiens, Horsiens. Runde Dorfwurt. Dm. ca. 225 m; H. + 2,55 m NN (frühere Höhenangabe bei Oldewage 1969, 175f. u.a. + 3,6 m NN); H. über umgebendem Gelände ca. 1 m. Begrenzung der Wurt im N durch Eisenbahntrasse, im W durch Hessenser Weg, im O durch Graben. Im S schwer zu erfassen. Die Dorfwurt ist in ihrer Anlage nur noch schwer zu erkennen, da das umgebende Gelände im Jahre 1910 mit Baggersand aufgefüllt wurde. Auf dem N-Hang der Wurt befand sich ein Fething. Seit 1938 fanden auf der Wurt im Vorfeld von geplanten Baumaßnahmen umfangreiche archäologische Untersuchungen statt, deren Ergebnisse bisher aber noch nicht abschließend publiziert sind. Einer anfänglichen Grabung von H. Schütte im Jahre 1938 folgte im Winter 1938/39 eine flächendeckende Bohruntersuchung mit 93 Profilbohrungen auf der Wurt selbst und weiteren 38 in der näheren Umgebung unter Leitung von W. Haarnagel (1941, 1ff.). Im Sommer 1939 wurde im Zentralbereich der Wurt ebenfalls von Haarnagel ein 30 x 4 m langer Testschnitt bis zur Wurtbasis angelegt. Die außergewöhnlich gut erhaltenen archäologischen Funde und Befunde (u.a. erster Nachweis eines Stabbauhauses des 10. Jhs. im Gebiet westl. der Elbe) führten zu weiteren Grabungskampagnen in den Jahren 1949-51 (Leitung Haarnagel) und 1962/63 (Leitung W. Reinhardt). Insgesamt wurde eine Fläche von ca. 1.000 m² von der Wurtkuppe bis auf den gewachsenen Boden in ca. 3 m T. freigelegt. Dabei wurde festgestellt, dass bereits in der ältesten Siedlungsphase, also in der zweiten Hälfte des 7. Jhs., die Häuser auf kleinen Einzelwurten im Niveau von + 0,7 m NN errichtet waren (Haarnagel 1959, 45). Die natürliche Oberfläche lag im Bereich des von zwei Prielarmen eingefassten Siedlungsareals im frühen Mittelalter bei ca. - 0,3 bis + 0,05 m NN. Im untersuchten Wurtbereich wurde eine Gehöftgruppe von vier dreischiffigen Wohnstallhäusern nachgewiesen, die sich in fünf Siedlungshorizonten kontinuierlich bis ins 10. Jh. verfolgen ließ. Die jüngste, sechste, Besiedlungsphase datiert in das 13. Jh. Die dreischiffigen Wohnstallhäuser haben eine durchschnittliche Br. von 5,5-6,5 m und eine L. von 12-19 m. Der Hauseingang befindet sich an der Giebelwand. Die Wohnteile sind von den annähernd gleichlangen Stallteilen durch Querwände getrennt. Die Viehboxen in den Ställen haben Wände aus waagerecht liegenden Bohlen. In einigen Fällen sind die mit Brettern ausgelegten Jaucherinnen beiderseits des Mittelganges und auch die Futtertröge erhalten. Außer den Wohnstallhäusern, deren Wände aus Flechtwerkkonstruktionen mit Lehmverputz bestehen, wurden das bereits erwähnte Stabbauhaus und eine Hütte aus Kleisoden freigelegt. Die Wohnstallhäuser umgaben in rechteckiger Anordnung einen kleineren Platz, auf dem sich ein Fething und ein Brunnen befanden. Unter der Feuerstelle eines Hauses des 7. Jhs. konnte das sorgsam in ein Wolltuch eingewickelte Skelett eines max. 3-4 Monate alten Kindes geborgen werden, das lt. Untersuchung von K. Schlabow (1953) angeblich erdrosselt und erdolcht worden war und anschließend als "Haus-" bzw. "Bauopfer" unter der Herdstelle beigesetzt wurde. Neben dem Kopf des Kindes stand ein kummenartiges Gefäß als Grabbeigabe. Eine moderne Untersuchung des Skeletts im Januar 1992 im Zentrum für Anatomie der Universität Göttingen (M. Schultz, W. R. Teegen) hingegen ergab keine Hinweise auf eine absichtliche Tötung des Kindes. Wahrscheinlich starb es eines natürlichen Todes und wurde als Haus- bzw. Siedlungsbestattung mitsamt Gefäßbeigabe beigesetzt. Das archäologische Fundgut besteht vor allem aus einheimischer Keramik, die vorwiegend mit Muschelgrus gemagert ist, daneben gibt es wenige Importscherben rheinischer Machart. In großer Zahl liegen auch organische Funde aus Holz, Stoff (ca. 300 Gewebereste) und Leder vor, die wichtige Hinweise auf die Holzbearbeitung und die Herstellung der berühmten friesischen Wolltuche geben. Des Weiteren sind eine Kette aus grünen Glasperlen, ein Wagenrad, ein Schlittknochen aus Hirschgeweih, Knochenkämme, ein Holzspaten, ein Bundschuh und eine Holzschale zu nennen. Hinweise auf Schifffahrt bilden zwei Ruderfragmente, das Bruchstück eines Seitensteuers sowie ein mutmaßlicher Taljenblock. In der Grabungskampagne von 1949 kam im Siedlungshorizont des 7. Jhs. als herausragendes Objekt ein aus Holz geschnitzter Drachenkopf zutage, der im Tierstiel II verziert ist. Ehemals zum Kirchspiel Bordum gehörend, welches nach der Antoniflut 1511 zum größten Teil ausgedeicht werden musste. In der Umgebung der Wurt mehrere Gehöftwurten, die als hochmittelalterliche Ausbausiedlungen von der Dorfwurt aus zu betrachten sind. Der ehemalige Krumme Weg und der S-Bereich des Hessenser Weges repräsentieren vermutlich Reste einer Ringdeichanlage, die die gesamte Bauernschaft Hessens umschloss. Lt. Urkatasterkarte 1841 mit einem Gehöft bebaut. Die ursprüngliche Parzellierung der Umgebung war noch ungestört vorhanden. Wurt 1853 noch bebaut, 1868 unbebaut. Der zwischenzeitlich abgebrannte Hof wurde südl. der Ebkeriege neu errichtet (Neu-Hessens). Der Dorfwurt Hessens kommt hohe Bedeutung in siedlungsgenetischer Hinsicht und bezüglich der Frage nach Art der Besiedlung, Kultur und Brauchtum zu. Die während der letzten Jahrzehnte durchgeführten Grabungen haben auf sehr anschauliche Weise dargelegt, dass man mit Hilfe systematischer Untersuchungsmethoden aus einer Wurt den geschichtlichen Gang von Jahrhunderten rekonstruieren kann. Noch lange nicht ist die Wurt abschließend untersucht. Weitere Grabungen könnten das bisherige Untersuchungsergebnis ergänzen und konkretisieren. Die Wurt ist in Zusammenhang mit den Gehöftwurten in ihrer Umgebung und dem Hessenser Weg, welcher hier als letzter Rest eines alten Marschwegenetzes noch vorhanden ist, und der möglicherweise auf eine alte hochmittelalterliche Ringdeichanlage zurückzuführen ist, zu betrachten (vgl. FStNr. 188). In der Umgebung von Hessens ist noch mit mehreren durch Baggergut überdeckten Gehöftwurten und entsprechend mit archäologischen Funden zu rechnen.
- Literatur
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- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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