Einhornhöhle
- Landkreis
- Göttingen
- Gemeinde
- Herzberg am Harz, Stadt
- Gemarkung
- Scharzfeld
- Orts-/Stadtteil/Lage
- Brandköpfe, "Einhornhöhle"
- Objekttyp
- Höhle
- Denkmalstatus
- Einzeldenkmal (gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG)
- Im Denkmalverzeichnis
- Ja
- Objekt-ID
- 28943610
- Objekt-Nr.
- 2
- Fachbereich
- Archäologie
- Beschreibung
- Früherer Name: "Zwerglöcher". Horizontale Gesamt-L. 250 m bei 24 m Höhenunterschied zwischen dem heutigen Eingang und dem heutigen Ausgang. Länge des Weges der für Besucher freigegeben ist: 365 m, Länge der Nebengänge nochmals insgesamt 192 m. Der heutige Eingang ist ein Stollen, der 1889/93 im Zuge der Grabungen v. Altens durch den Dolomitfelsen gebrochen worden ist. Von diesem gelangt man heute in den "Weißen Saal", von dort über den "Virchow-Gang", "Schiller-Saal", "Bären-Gang", "Leibnitzhalle" und "Blaue Grotte" zum Ausgang. Ausgrabungen bereits in den 1870er Jahren. In den 1880er Jahren erstmals Hinweise auf Anwesenheit urgeschichtlicher Menschen. Während der Grabungen in den Jahren 1925-1926 unter K.-H. Jacob-Friesen wurden die Höhleneingänge untersucht. In zwei Kampagnen wurde auf über 30 m Länge der sogenannte Jacob-Friesen-Gang freigelegt. In den 1980er Jahren konnte nachgewiesen werden, dass sich der Jacob-Friesengang wohl ursprünglich zu einem großen Portal öffnete. Auch am mutmaßlichen Höhleneingang erfolgten erste kleine Sondagen, die aber weitgehend ergebnislos aufgegeben wurden. Im Jacob-Friesen-Gang fanden sich in umgelagerten Sedimenten erste Steinartefakte. Ein mittelpaläolithischer Levallois-Kern verdient besondere Beachtung sowie reiche Faunenreste, die eine zeitliche Stellung der Funde von der Eem-Warmzeit bis in die mittlere Weichsel-Eiszeit anzeigen. Weiter wurden bei Grabungen in den 1980er Jahren folgende Funde gemacht: (chronologisch): FSt. 2a) Vorneolithisch: Tierknochenfunde, Anwesenheit von Menschen durch zwei mittelpaläolithische Werkzeuge naheliegend. FSt. 2b) Scherben der Bandkeramik, Flachhacke. FSt. 2c) Einzelgrabkultur, Streitaxt. FSt. 2d) Bronzezeit, Per. III, (n. Montelius), Spiralplattenfibel. FSt. 2e) 2 Frühlatènefibeln, Scherben. FSt. 2f) mittelalterliche Scherben. Das Referat Jägerische Archäologie am NLD hat gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe um den Förderverein Unicorno fossile e.V. die Arbeiten an der Einhornhöhle 2014 wieder aufgenommen. Ziel der neuen Geländearbeiten war es, alten Abraum aus dem Jacob-Friesen-Gang zu entfernen sowie frühere Sondagen zu sichern. Darüber hinaus sollten außerhalb der Höhle im Bereich des vermuteten Einganges am Hang der Brandköppe, die topographische Situation und die Stratigraphie geklärt werden. Neben der Verifizierung des ehemaligen Höhleneinganges sollte auch versucht werden, die Schichtenfolge von Vorplatz und Jacob-Friesen-Gang miteinander zu korrelieren. Zur Vorbereitung der Ausgrabungsarbeiten wurde außen zunächst ein Vermessungssystem nach UTM 32N installiert. Anschließend wurden auf einer Fläche von 6 x 7 m, die eine frühere Sondierung von S. Veil einschließt, die mehrere Meter mächtigen holozänen Deckschichten bis zu einer Tiefe von vier Metern abgetragen. Eine Dolomitrippe scheint sich dabei als mögliche Seitenwand des ehemaligen Einganges abzuzeichnen. In einer Tiefe von ca. zwei Metern wurden an der Basis der holozänen Sedimente auch große Felsblöcke aufgedeckt, bei denen es sich vermutlich um einen Versturz des ehemaligen Höhlendaches handelt. Wenn diese Hypothese zutrifft, dann dürften die Versturzblöcke den Eingang am Ende der Eiszeit verschlossen haben. Das ergrabene Sediment wurde exemplarisch geschlämmt, wobei keine archäologischen Funde entdeckt wurden. Die durch frühere Grabungen geborgenen Altfunde wie etwa kleine neolithische Steinbeile und ein Axtfragment aus dem Höhleninneren sind wahrscheinlich durch einen nacheiszeitlichen Deckeneinsturz in der „Blauen Grotte“, durch den der Mensch einen Einstieg ins Höhleninnere fand, hineingelangt. Nach einem Vergleich mit der Stratigraphie im Jacob-Friesen-Gang wurde mit der Sondierung am Hang der Brandköppe das Schichtpaket „Geologischer Horizont E“ aus dem frühen Holozän erreicht, sodass die Voraussetzungen für eine aussichtsreiche Untersuchung der pleistozänen Schichten im vermuteten Eingangsbereich geschaffen wurden. Eine zweiwöchige Grabungskampagne wurde 2015 im Jacob-Friesen-Gang realisiert. Da in diesem Gangabschnitt in den 1920er Jahren menschliche Knochen entdeckt wurden, die bis heute verschollen sind, war auch eine systematische Durchsicht des alten Abraums von großem Interesse. Im Koordinatennetz der 1980er Jahre konnten auf einer Fläche von 5 m² Abraum abgetragen und gesiebt werden. Dabei kamen zahlreiche Knochen und Zähne, vor allem vom Höhlenbären, zum Vorschein. Bis auf wenige Absplisse wurden in diesem Bereich keine Artefakte geborgen. Die Abraumsedimente wurden maximal bis zum anstehenden, ungestörten Sediment abgetragen. Im Zentrum der sogenannten Arme-Sünder-Kammer wurden in einer alten Sondage der 1980er Jahre (Quadrat 55/17) auch zwei Viertelquadrate in das anstehende Sediment weiter eingetieft. In den Jahren 2016 und 2017 wurden die Ausgrabungen an und in der Höhle fortgesetzt. 2018 wurde ein Grafitti an der Höhlenwand durch Dr. Lampe dokumentiert. Die Forschungsgrabung wurde 2019 wieder aufgenommen. Sie konzentrierte sich auf den Jacob-Friesen Gang und auf das Eingangsportal. 1. Jacob-Friesen Gang: Die Grabungen an der Stelle 1 schlossen direkt an das im Jahre 1986 angelegte Profil an (Scheer 1986) und erweiterten es Richtung Süden (Grabungssüd) und Osten. Die Schichten A-I wurden aufgeschlossen, wobei ab den Schichten D3-6 archäologisches Fundgut auftrat. Der Bezug dieser Artefakte zum Neandertaler ist durch Levalloiskerne und -abschläge klar belegt. Weiterhin wurden charakteristische Werkzeuge, wie gekerbte und gezähnte Stücke entdeckt, sowie das Basisfragment eines Faustkeils oder Keilmessers. Insgesamt konnten fast 50 Artefakte >1,5 cm geborgen werden. Dazu treten über 350 Reste von Großsäugern und mehre Tausend Reste von Kleinsäugern, sowie Fischen und Vögeln. Das Gros der Fauna gehört wohl dem Höhlenbären an, gefolgt von Wolf, Höhlenlöwe und Reh. Nach bisherigen Erkenntnissen ist die Kleinfauna der Schichten D1-2 geprägt von Nord- und Schneemaus, die Schichten ab E1 jedoch von Spitz- und Rötelmaus. Dies lässt auf ein kühles bis kaltes Klima für D1-2 schließen, wogegen die Kleinfauna der liegenden Schichten eine bewaldete Umgebung der Einhornhöhle anzeigt. 2. Außengrabung/Eingangsportal: Das Grabungsareal schloss an den Hauptschnitt (Schnitt 1) der Jahre 2014-2017 an und erweiterte diesen Richtung Osten (Schnitt 2) und Norden (Schnitt 3). Während die nördliche Portalwand bereits seit 2014 bekannt war und sukzessive ausgegraben wurde, konnte nun auch die südliche Portalwand oberflächlich freigelegt werden. Das Deckengewölbe des Eingangsbereichs ist verwittert und erodiert; auch die südliche Portalwand ist bis zu 1m tief verwittert und erodiert. Der Abstand zwischen beiden Wänden beträgt 3-4m. Die Grabungen erfolgten in den Schichten 2-7. Die Sedimente sind vermutlich durch Hangrutschen und Bodenfließen geprägt, jedoch zeigten sich die Schichten 4.5, 5 und 6 als besonders fundreich. Zwar konnten dieses Jahr keine eindeutigen Steinartefakte geborgen werden, jedoch fanden sich unter den über 100 größeren Knochenresten, zu denen auch ein kompletter Höhlenbärenschädel zählt, ca. 30 Stücke mit Schnitt- und Bearbeitungsspuren. Einige Sonderfunde lassen zudem Schlüsse zum symbolischen Verhalten und kognitiven Fähigkeiten prähistorischer Menschen zu. Derzeit stehen radiometrische Datierunen noch aus, die Assoziation mit Höhlenlöwen- und Höhlenbärenknochen spricht jedoch für ein Alter jenseits des letztglazialen Maximums (28-20.000 vor heute). Zuletzt wurde von August bis Oktober 2020 an der Einhornhöhle gegraben. Insgesamt konnte mit den kurzen Maßnahmen der denkmalpflegerische Zustand der Höhle verbessert, die Lage des ehemaligen Höhleneingangs näher konturiert und für den Jacob-Friesen-Gang eine mittelpaläolithische Fundschicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Nachdem vor einigen Jahren offenbar späteiszeitliche Gravuren in der Church Hole Höhle in Mittelengland entdeckt wurden, werden inzwischen auch in Deutschland mögliche Fundstellen eiszeitlicher Felskunst diskutiert. Vor diesem Hintergrund wurde die Frage möglicher Felskunst auch in das Forschungsprogramm zur Einhornhöhle aufgenommen. Die Wände der Höhle sind mit einer Vielzahl von historischen Graffiti bedeckt, die bis ins 16. Jh. zurückreichen. Im Jahre 2015 konnte in Kooperation mit J. Lampe von der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften Göttingen mit einer systematischen Aufnahme dieser Wandinschriften, zumeist Namen und Datum von Höhlenbesuchern, begonnen werden. Diese Arbeit wurde zum Anlass genommen, auch ausgewählte Wandabschnitte nach möglichen älteren Spuren abzusuchen. Im östlichen Teil des sogenannten Schiller-Saals konnten auf einem Wandabschnitt mehrere Felder zumeist vertikaler Linien festgestellt werden. Diese waren auf einer Fläche von ca. 4 m Länge und bis ca. 1,8 m Höhe in Gruppen von zwei bis fünf Strichen angeordnet. Abstrakte Zeichen sind in der paläolithischen Höhlenkunst weit verbreitet und schon früh in der Forschung diskutiert. Allerdings ist zunächst zu prüfen, ob die Spuren nicht auf natürlichem Weg entstanden sein könnten, beispielsweise durch Höhlenbären und andere Tieren. Die erste Dokumentation führt zu der vorläufigen Einschätzung, dass die parallelen Linien im Schiller-Saal wahrscheinlich durch Höhlenbären entstanden sind. Die systematischen Arbeiten sollen mit der Arbeitsgruppe fortgesetzt werden. Einen Fund von herausragender Bedeutung stellt der verzierte Riesenhirschknochen der Einhornhöhle dar. Er ist mit einem dreifachen Winkelmuster verziert. Die Winkel liegen jeweils leicht nach rechts versetzt und greifen ineinander. Die Einkerbungen der Winkel sind zwischen 1-5 mm tief und stehen in Oberflächenwinkeln von 90-100° zueinander. Die Tiefe der Kerben ist um das 10-50-fache größer als die bekannter Schnittspuren. Zusammen mit dem systematischen Layout spricht dies für eine intentionelle Anlage des Winklemusters. Experimente zeigen, dass der Knochen wohl zunächst gekocht, und dann eingeschnitten und nachfiolgend geschabt wurde, um die Kerben und das Winkelmuster herzustellen. Für das Fundobjekt wurde mithilfe der Radiokarbonmethode ein gemitteltes Mindestalter von ca. 51.000 Jahren vor heute ermittelt (KIA-55192, 47.492 bis > 55.000 cal BP). Der verzierte Riesenhirschknochen der Einhornhöhle kann als das älteste Artefakt mit symbolischen Verzierungen in Niedersachsen gelten und nimmt in der internationalen Neandertalerforschung eine prominente Stelle ein.
- Literatur
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- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
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