Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Wolfenbüttel

Von Christian Forster

Der Landkreis Wolfenbüttel gehört naturräumlich betrachtet größtenteils zum nördlichen Harzvorland. Der Elm im Norden und das Große Bruch im Süden bilden natürliche Grenzen. Die westliche Exklave um Baddeckenstedt liegt im Einzugsgebiet der Innerste und zählt zum Weser-Leine-Bergland. Das Kreisgebiet hat somit Anteil an zwei Mittelgebirgsregionen. Mit Hainberg, Salzgitter-Höhenzug, Oderwald, Ösel, Asse und Elm umfasst oder schneidet es Höhenzüge, die den Abbau von Plänersandstein und Muschelkalkstein ermöglichten und der Region über Jahrhunderte hinweg hervorragendes Baumaterial lieferten. Aus den Buchen- und Eichenwäldern kam das Bauholz für die Fachwerkbauten, die das Bild der historischen Ortskerne bestimmen. Die Region mit ihren fruchtbaren Lössböden ist dicht mit Dörfern besiedelt, die überwiegend in der Grundrissform des Haufendorfs angelegt wurden. Der älteste durch schriftliche Überlieferung bezeugte Ort ist Ohrum an einer Okerfurt, das bereits im Jahre 747 erwähnt wird.

Bis 1941 war der Landkreis Wolfenbüttel der größte im Freistaat Braunschweig. Das Salzgitter-Gesetz, mit dem die administrative Neuordnung des Gebiets rund um die Stadtneugründung Salzgitter geregelt wurde, brachte dem Landkreis die Fachwerkstadt Hornburg ein. Es schuf aber auch die Exklave, die heute als Samtgemeinde Baddeckenstedt verwaltet wird. Bei der Kreisreform 1974 tauschte der Landkreis Wolfenbüttel mit dem Landkreis Goslar Schladen mit Bad Harzburg und erhielt aus dem Landkreis Braunschweig Cremlingen, Erkerode, Sickte und Veltheim (Ohe) dazu.

Weite Teile des Kreisgebiets gehörten im 13. Jahrhundert zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und nach dessen Teilung zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Im Kern dieses Gebiets liegt die größte Höhenburg Norddeutschlands, die Asseburg, die die Welfen 1258 an sich bringen konnten. Die noch bestehenden und auf das Mittelalter zurückgehenden Niederungsburgen wurden sämtlich in späterer Zeit erneuert und sind als Anlagen der Renaissance oder des Barock erhalten. Seinen ursprünglichen Charakter als Wasserburg hat sich das Schloss in Veltheim (Ohe), mit dessen Neubau 1563 begonnen wurde, bewahrt. Auch das ringförmige Schloss in Oelber am weißen Wege von 1580 verwendet sichtlich die Grundmauern einer mittelalterlichen Wasserburg. Die geschlossene Vierflügelanlage in Lucklum entspricht den Baugewohnheiten des Deutschen Ordens, der den Ort 1275 in eine Kommende verwandelte und eine Pfarrkirche aus dem 12. Jahrhundert in das sich wehrhaft gebende Gebäudegeviert eingliederte. Eine überregionale Erscheinung des 12.-14. Jahrhunderts sind turmartige Steinbauten innerhalb dörflicher Hofanlagen, wie sie in Wittmar, Kneitlingen und Groß Denkte stehen. Ihre Funktion im Einzelnen ist nicht restlos geklärt. In Mönchevahlberg legen die Reste eines Kamins eine Nutzung als Wohnturm mit Kemenate nahe. Der durch Brand zerstörte Hildesheimische Amtshof in Schladen wurde 1589 unter Herzog Julius wieder aufgebaut. Andere Bauwerke, die von den Herzögen selbst in Auftrag gegeben wurden, sind außerhalb der Residenzstadt Wolfenbüttel, die bei der Bearbeitung des Denkmalatlas vorerst ausgeklammert wurde, nicht anzuführen. Ein Abbild der landesfürstlichen Schlossbauten liefern aber die Wohnsitze des Adels. Für ihre barockzeitlichen Herrenhäuser engagierten sie Baumeister aus dem herzoglichen Umfeld wie Landbaumeister Hermann Korb (1656-1735). Zu den Hauptwerken Korbs zählt Schloss Sambleben. Die Herrenhäuser in Watzum, Achim und Niedersickte wurden ebenfalls von ihm entworfen oder können ihm zugeschrieben werden. Um 1700 werden auch die Konvent- und Wirtschaftsbauten in Heiningen und Dorstadt neu erbaut. Die langgestreckten Bauten aus Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung und Werksteinfassungen bleiben bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus vorbildhaft für die Bauweise auf den großen Hofanlagen der Region. Dies zeigt sich am Klosterhof in Evessen, am Rittergut Ampleben oder an der herzoglichen Domäne in Barnstorf.

Als größter Kirchenbau des frühen 13. Jahrhunderts ist die ehemalige Klosterkirche in Heiningen ohne nennenswerte Veränderungen erhalten geblieben. Den wenigen Klöstern im heutigen Kreisgebiet – neben Heiningen ist nur das nahe gelegene Dorstadt zu nennen, beide ehemals im Hochstift Hildesheim gelegen – steht ein dichtes Netz mittelalterlicher Pfarrkirchen gegenüber, kirchenrechtlich durch die Oker in einen Hildesheimer und einen Halberstädter Teil geschieden. Unter ihnen sticht die Kirche in Ampleben mit gewölbten Innenräumen, Kapitellskulptur und bauzeitlicher Wandmalerei als besonders aufwendig gestaltet heraus. Gut erhalten sind auch die Pfarrkirchen in Abbenrode, Evessen und Hordorf. Zur Grundausstattung aller Bautypen des 12.-15. Jahrhundert gehörte neben einem rechteckigen Saal ein massiger Westturm, der in der Regel bis weit ins 19. Jahrhundert auch dann beibehalten wurde, wenn Langhaus und Chor neugebaut wurden. Dies geschah häufig im 18. Jahrhundert. Dabei wurde auch die Ausstattung im Sinne der Reformation, die im Braunschweigischen Gebiet 1568 endgültig eingeführt worden war, erneuert. Vorzügliche Beispiele für den Typus Saalkirche mit polygonalem Chorschluss und barocker Ausstattung stellen die Kirchen in Groß Elbe (1698) und Sehlde (1698-1703/1749) dar. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden einige hervorragende Kirchenbauten des Klassizismus wie in Groß Dahlum (1820), Beuchte (1837) und Gielde (1847). Ihre stileinheitliche Ausstattung ist erhalten. Eine der frühesten neugotischen Kirchen im Braunschweigischen Land stellt die Epiphaniaskirche in Destedt dar, die der Gutsherr und Kirchenpatron Carl Friedrich von Veltheim stiftete. Programmatisch für Kirchenbauten in ganz Deutschland wurde der neugotische Stil dann in der Gründerzeit verwendet, wie die von Conrad Wilhelm Hase entworfene Pfarrkirche in Wartjenstedt (1873) und die St.-Georgs-Kirche in Schandelah (1875) belegen.

Die Gehöfte in den dicht bebauten Dörfern des Kreisgebiets sind überwiegend zwei- und dreiseitig. Die aus Fachwerk errichteten Wohn-/Wirtschaftsbauten gehören durchweg dem mitteldeutschen Haustyp an. Frühe Zeugnisse dieses quer erschlossenen Haustyps, der Stube, Diele, Stall und Scheuer unter einem Dach beherbergt, finden sich in Klein Schöppenstedt (Mitte 17. Jahrhundert) und Gielde (um 1694), in Erkerode (1. Hälfte 17. Jh.) und Destedt (1623[d]) als so genannter Erkeröder Typ mit vortretendem Kammerfach über verzierten Knaggen. Als in Folge der Agrarreformen von 1834 bis zur Separation die Erträge des einzelnen landwirtschaftlichen Betriebs zunahmen, wurde in größere Wohn- und Wirtschaftsbauten investiert. Drei- und vierseitig umbaute Höfe, wie sie sich etwa am südlichen Ortsrand von Werlaburgdorf gegenüberstehen, finden sich in nahezu jedem Dorf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich der besondere Wohlstand, den die Rübenbauern erwirtschafteten, an den villenartigen Wohnhäusern ablesen, mit denen städtische Bauformen in den Dörfern Einzug hielten. Unter den zahlreichen Beispielen sei ein Hof in Klein Vahlberg angeführt. Die Industrialisierung schlug sich im ländlich geprägten Kreisgebiet zum einen in der industriellen Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Zuckerrüben nieder. Sie brachte zum anderen die Anbindung an das immer weiter gespannte Eisenbahnnetz mit sich. Bereits 1840 wurde die Strecke Braunschweig-Wolfenbüttel bis ins hannöversche Schladen verlängert, 1843 die Strecke Wolfenbüttel-Oschersleben in Betrieb genommen. Mit Schladen und Schöppenstedt sind an beiden Strecken Empfangsgebäude aus den 1840er Jahren erhalten. Dem Stil der Zeit entsprechend geben sie sich den Anschein von breitgelagerten klassizistischen Landvillen. Neben der Kreisstadt Wolfenbüttel verfügen im Landkreis nur Hornburg und Schöppenstedt seit historischen Zeiten über Stadtrechte. In Schöppenstedt reichen sie bis in das Spätmittelalter zurück, Hornburg wurden sie 1552 vom Halberstädter Bischof verliehen. Die damals eingeleitete Blütezeit, die bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges währte, hinterließ eine große Zahl von Fachwerkhäusern, an deren Fassaden sich die vielfältigen Schmuckformen der Renaissance studieren lassen. Zusammen mit den Bauten des 18.-20. Jahrhunderts, zu denen zahlreiche Nebengebäude in den hinteren Bereichen der Parzellen zählen, bilden sie ein geschlossenes Altstadtensemble, das über 550 Denkmale (Einzeldenkmale und Teile von Gruppen) umfasst.

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.