Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Rotenburg

Von Birte Rogacki-Thiemann

Der Landkreis Rotenburg im Zentrum des Elbe-Weser-Dreiecks zwischen Hamburg und Bremen ist ein bis heute sehr ländlich geprägter Landstrich. Der viertgrößte Landkreis Niedersachsens mit einer Fläche von über 2000 Quadratmetern ist geologisch geprägt von der Stader Geest im Nordwesten und der Zevener Geest im Südosten, dazwischen liegen zahlreiche Moorgebiete, die in den letzten 200 Jahren größtenteils kultiviert wurden. Dies bedingt in nicht wenigen Gebieten Rotenburgs eine systematische Aufreihung von Hofstellen mit weit zurückliegenden, einheitlich giebel- oder traufständig stehenden Wohn-/Wirtschaftsgebäuden, die fast ausschließlich als Hallenhäuser in Zweiständerbauweise errichtet sind, Fachwerk mit Backsteinausfachung und Reet- und Ziegeldeckungen prägen das  Bild, nicht selten sind große Hofanlagen mit sämtlichen Nebengebäuden erhalten. Einen eher versteckt liegenden, anteilsmäßig aber durchaus relevanten Bestand machen die erhaltenen Schafställe des Landkreises aus, die in unterschiedlicher Ausprägung, aus unterschiedlichen Zeiten und heute auch in unterschiedlicher Nutzung über den ganzen Landkreis verteilt bis heute vorhanden sind. Sämtliche Schafställe wurden als Gefügebauten errichtet, die Ausfachung war traditionell Flechtwerk und Lehmstakung, heute häufig auch in Backstein, teilweise sind die Wände auch verbrettert. Die ursprüngliche Weichdeckung hat sich bei wenigen Objekten erhalten. Daneben gibt es einige bemerkenswerte erhaltene Speichergebäude, die in der Regel als ein- oder sogar zweigeschossige Treppenspeicher in Fachwerk ausgeführt und häufig verbohlt sind; zudem haben sich auch einige vertieft liegende Bauten und Erdspeicher erhalten, die dann mit Feldsteinen aufgeführt sind.
Die eher flache Landschaft, die stellenweise dicht bewaldet ist, ist durchzogen von Wasserläufen und Kanälen, wozu auch ein Teil des Oste-Hamme-Kanals gehört. Landschaftlich bedingt sind zahlreiche Mühlen, hier vor allem als Wassermühlen nachzuweisen, von denen einige, wie die Wassermühlen in Rotenburg, Grapenmühlen, Federlohmühlen und Stuckenborstel noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Daneben gibt es einige erhaltene Windmühlen.

Historisch gehört der Landkreis zum früheren Territorium Bremen-Verden, das sich über das Elbe-Weser-Dreieck erstreckte und sich nach dem Westfälischen Frieden 1648 aus dem ehemaligen Erzstift Bremen und dem Hochstift Verden gebildet hatte. Der im Kern älteste Kirchenbau der Region ist die St. Vituskirche in Heeslingen, die im 10. Jahrhundert entstand. Die Vitusverehrung entwickelte sich nach 836, als die Vitus-Reliquien als Geschenk in das erste Benediktinerkloster Sachsens, die später gefürstete Reichsabtei Corvey an der Weser (gegründet 822), kamen, weiter nach Norden und Osten. Ihm zu Ehren wurde um 960 das Kanonissenstift Heeslingen gegründet und 1141 schließlich auf Veranlassung des Erzbischofs Adalbero von Bremen nach Zeven verlegt. Auf das Kloster Zeven wurden das Patrozinium und sämtliches Eigentum des Stiftes Heeslingen übertragen  und der Grundstein zu den neuen Klostergebäuden und zu der heute noch erhaltenen romanischen Kirche über kreuzförmigem Grundriss gelegt. Auch die Zevener Klosterkirche wurde entsprechend dem heiligen St. Vitus geweiht. Während das Erzbistum Bremen im Laufe des 16. Jahrhunderts evangelisch wurde, hielt der Zevener Konvent noch bis ins 17. Jahrhundert am althergebrachten Glauben fest. Das Ende des Klosters wurde im Dreißigjährigen Krieg besiegelt, die Klostergebäude wurden in der Folgezeit für die Amtsverwaltung genutzt. Spätere Amts- und Gerichtsgebäude haben sich um das ehemalige Kloster im Siedlungskern Zevens erhalten.

Die Zevener Klosterkirche sollte 1867 abgebrochen werden, wogegen sich der hannoversche Konsistorialbaumeister Conrad Wilhelm Hase verwehrte. Ab 1872 restaurierte der Oldenburger Architekt (Heinrich Wilhelm) Ludwig Wege die Kirche und schuf das neue Südportal des Turmes, das seitdem als Haupteingang dient. 1897 war Wege im Übrigen auch für den Neubau des Turmes der Kirche in Heeslingen zuständig. Ebenfalls noch aus dem Mittelalter stammen die St. Bartholomäuskirche in Kirchwalsede, die St. Johanneskirche in Visselhövede, die St. Gangolfkirche in Oerel und die St. Margarethenkiche in Gyhum. Insgesamt gibt es 28 denkmalgeschützte Kirchen im Landkreis Rotenburg, von denen etwa ein Drittel aus der Zeit der Moorkolonisation des 18. Jahrhunderts stammt. Nicht selten waren hierbei die so genannten „Moorkommissare“ die Initiatoren oder sogar die Baumeister dieser Kirchen. Der bis heute bekannteste ist Moorkolonisator Jürgen Christian Finndorff (1720-1792), der verantwortlich zeichnete für die außergewöhnliche St. Pauluskirche in Gnarrenburg, den Turm der St. Lucaskirche in Scheeßel und die Umgestaltung der St. Liboriuskirche in Bremervörde; das Grab von Jürgen Christian Findorff liegt ebenfalls im Landkreis Rotenburg und zwar auf einem mittlerweile aufgelassenen Friedhof in Iselersheim (Bremervörde).

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