Trauerhalle (Predigthalle), Jüdischer Friedhof An der Strangriede Hannover

Datenblatt

Gemeinde
Hannover, Stadt
Gemarkung
Hannover
Orts-/Stadtteil/Lage
Nordstadt
Adresse
An der Strangriede 55
Objekttyp
Trauerhalle
Baujahr
1863
bis
1921
Personen
Oppler, Edwin
Denkmalstatus
Einzeldenkmal gem. § 3 Abs. 2 NDSchG
Bedeutung
geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich
Im Denkmalverzeichnis
Ja
Objekt-ID
30795455
Objekt-Nr.
1736
Fachbereich
Bau und Kunst
Denkmalthema
Juedische-Friedhoefe
Jüdische Topographie Mit der Planung der Bauten auf dem Friedhof „An der Strangriede“ wurde der jüdische Architekt Edwin Oppler (1831-1880) beauftragt. Die ersten Entwürfe entstanden vermutlich um 1859. 1861 wurden diese in abgeänderter Form bei den Behörden eingereicht, danach nochmals korrigiert und erneut vorgelegt. Im August 1863 genehmigte die Baukommission schließlich die Pläne. 1864 war die Bauausführung abgeschlossen. (Knufinke 2007, S. 167) Oppler entwarf ein Ensemble aus drei Bauten, die er am Friedhofseingang um einen Vorhof gruppierte. Südlich des Vorhofs, an zentraler Stelle ordnete er die rechteckige Trauerhalle (Predigthalle) an, an der West- und Ostseite die L-förmigen Nebengebäude, das Verwaltungs- und Wächterwohnhaus bzw. die Leichenhalle mit Tahararaum und Betsaal. Die Gebäude waren durch Arkaden miteinander verbunden. 1912 wurde die Trauerhalle grundlegend erneuert und mit einem Linoleumboden, neuen Sitzbänken, elektrischen Kronleuchtern, einer Heizung, und Malereien ausgestattet. (Schulze 1989, S. 111) 1921 erweiterte man die Predigthalle nach Osten durch einen Anbau, der als Gedenkstätte für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten der jüdischen Gemeinde diente. (Schulze 1989, S. 122) 1941 wurden die Predigthalle und das Wohnhaus zu einem Judenhaus umfunktioniert. 100 Juden bezogen hier ihr Quartier, nachdem sie im September ihre Wohnungen räumen mussten. 1941/1942 wurde die Mehrzahl von ihnen nach Riga, Warschau und Theresienstadt deportiert. (Schulze 2011, S. 60) In der Kriegszeit wurden Trauerhalle und Wohnhaus erheblich beschädigt, das Leichenhaus komplett zerstört. (Schulze 1989, S. 125) Die quergelagerte Trauerhalle erhebt sich über rechteckigem Grundriss und schließt mit einem hohen Satteldach ab. Strebepfeiler gliedern die Ziegelfassaden an den Langseiten in fünf Achsen. In der Mittelachse befindet sich jeweils ein Rundbogenportal, die seitlichen Felder sind durch große rundbogige Maßwerkfenster geöffnet. An der westlichen Giebelseite befand sich ursprünglich ein Rundfenster, das heute vermauert ist. Den Saal im Innern überspannt ein hölzerner Dachstuhl. Drei Arkaden markieren den Übergang zum östlichen Anbau von 1921. An der Stirnwand des Anbaus sind schlichte Steintafeln mit den Namen von 124 jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs angebracht. Darüber befinden sich drei Rundfenster mit Davidsternmotiv. Literatur Curti 2015 Curti, Rocco: Predigthalle des jüdischen Friedhofs An der Strangriede in Hannover. In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 35. Jg., 2015, Nr. 2, S. 58/59. Eilitz 1970 Eilitz, Peter: Leben und Werk des Königlich hannoverschen Baurats Edwin Oppler. Diss. Technische Universität Hannover. Hannover 1970; zu den Friedhofsbauten: S. 155/156. Hammer-Schenk 1988 Hammer-Schenk, Harold: Edwin Oppler. Die Bauten auf dem Israelitischen Friedhof, Hannover, An der Strangriede, 1863-1864. In: Hammer-Schenk, Harold/Kokkelink, Günther (Hg.): Vom Schloß zum Bahnhof. Bauen in Hannover. Zum 200. Geburtstag des Hofarchitekten G.L.F. Laves 1788-1864. Hannover 1988, S. 428/429. Knufinke 2007 Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland (Schriften der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa; 3). Petersberg 2007; zu den Friedhofsbauten: S. 167-175. Knufinke 2014 Knufinke, Ulrich: Wandlungen jüdischer Friedhöfe und ihrer Bauwerke im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Meiners, Werner/Obenaus, Herbert: Juden in Niedersachsen auf dem Weg in die bürgerliche Gesellschaft (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen; Bd. 275). Götttingen 2014; zu den Friedhofsbauten: S. 173-178. Schulze 2005 Schulze, Peter: Hannover. In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 726-796; zum jüdischen Friedhof: S. 751. Schulze 1989 Schulze, Peter: Juden in Hannover. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Minderheit (Kulturinformation Nr. 19). Hannover 1989; Kapitel: Bet Hachajim – Haus des Lebens. Der jüdische Friedhof An der Strangriede in Hannover, S. 102-127. Schulze 2011 Schulze, Peter: Jüdische Friedhöfe in Niedersachsen 1938-1945. In: Juden in Niedersachsen 1938-1945. Forschungsansätze und Forschungsdesiderate. Hannover 2011, S. 56-61.
Beschreibung
Trauerhalle, 1863/64 nach Plänen des jüdischen Architekten Edwin Oppler errichtet. 1921 durch östlichen Anbau zum Gedenken an die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs erweitert. Trauerhalle war ursprünglich in ein aus drei Bauten bestehendes Gebäudeensemble (Trauerhalle, Wächterwohnhaus und zerstörtes Leichenhaus) eingebunden, das den Eingang und Vorbereich des Friedhofs repräsentativ einfasste. Trauerhalle über rechteckigem Grundriss mit hohem Satteldach, Gliederung der Langseiten der Ziegelfassaden durch Strebepfeiler in fünf Achsen. Mittig angeordnete Rundbogenportale, seitlich große Maßwerkfenster mit Sechs- und Achtpässen. Im Innern Saal mit hölzernem Dachstuhl, am Übergang zum östlichen Anbau Arkadenstellung.
Denkmalbegründung
An der 1864 fertiggestellten Trauerhalle des jüdischen Friedhofs „An der Strangriede“ besteht aus geschichtlichen, städtebaulichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Erhaltungsinteresse: Sie ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele des Bautyps „jüdische Trauerhalle“ in Niedersachsen und nimmt in der Entwicklung dieser Baugattung eine herausragende, funktional wie stilistisch viele weitere Bauten in Deutschland und darüber hinaus prägende Stellung ein. Sie wurde bereits 1884 im „Deutschen Bauhandbuch“ publiziert und entsprechend rezipiert. Eingebunden in ein ursprünglich aus drei Bauten bestehendes Gebäudeensemble (Trauerhalle, Wächterwohnhaus und zerstörtes Leichenhaus), das den Eingang und Vorbereich des Friedhofs repräsentativ einfasst, erlangt das Gebäude eine große städtebauliche Wirkung, wie sie jüdische Friedhöfe erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entwickeln konnten. Die bewusste Wahl des historistischen Baustils – changierend zwischen Romanik und Gotik, seinerzeit verstanden als „deutscher Stil“ – kann die Trauerhalle als ein Zeugnis des Wunsches der jüdischen Bevölkerung nach gleichberechtigter Teilhabe im deutschen Staat verstanden werden. Als ein früher Bau Edwin Opplers (1831–1880), der Mitglied der jüdischen Gemeinde Hannovers war und später unter anderem mit zahlreichen Synagogenbauten hervortrat, ist die Trauerhalle ein wichtiges Werk im Œuvre dieses bedeutenden Architekten. Da Opplers Synagogen, darunter jene in Hannover in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört worden sind, kommt der nur wenig veränderten Trauerhalle als einziges erhaltenes Zeugnis seiner Bautätigkeit für religiös gebundene Einrichtungen jüdischer Gemeinden ein besonderer Zeugniswert zu. Mit der in der Zeit der Weimarer Republik erfolgten Erweiterung der Trauerhalle um einen Raum der Erinnerung an die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs zeugt sie auch von der allgemeinen Geschichte im 20. Jahrhundert. Die Trauerhalle steht zudem als ein Ort, der in der Zeit des Nationalsozialismus zur Zwangsunterkunft für Jüdinnen und Juden und damit zur letzten Station vor ihrer Deportation in die Lager wurde, für die Verfolgungsgeschichte und erinnert damit an den Holocaust.
Literatur
828102872 ()
779105494 (103)
Weiterführende Links
Denkmaltopographie Stadt Hannover, Teil 1 10.1: Objekterwähnung
Wikipedia
The Bezalel Narkiss Index of Jewish Art: 3D-Computer-Modell
The Bezalel Narkiss Index of Jewish Art: Pläne
Lizenz
CC BY-SA 4.0
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