Das Erzbergwerk Rammelsberg untertage: Vom Rathstiefsten Stollen zur Alten Abbauweite

Von Katharina Malek-Custodis und Georg Drechsler

Der älteste bekannte Wasserlösungsstollen des Rammelsberges wird unter den Namen „Rathstiefste Stollen“ oder „Oberer Julius Fortunatus Stollen“ geführt. Er wurde zum ersten Mal als bereits aufgefahrener Stollen 1271 in Schriftquellen erwähnt. Da sich mit zunehmender Größe und Tiefe von Hohlräumen immer mehr Grubenwasser sammelt, muss es effizient abgeführt werden. Andernfalls laufen die Hohlräume voll und Bergbau ist nicht mehr möglich.

Vom Rathstiefsten Stollen zweigt nach links eine heute 38 m lange Strecke quer ins Gebirge ab, weshalb sie als Querschlag bezeichnet wird. Dieser Querschlag ist aus montanarchäologischer Sicht sehr interessant, weil er verschiedene Formen und Details aufweist. Er führt gewunden durch das Gebirge. Anfangs hat er nur eine maximale Höhe von 1,2 m und Breite von 1,4 m (1 und 2). Sein Querschnitt ist rundlich und zeigt immer wieder Wölbungen (3) an den Stößen, die ein Merkmal des Feuersetzens sind. Diese Methode ist sehr alt und wurde schon in der Vorgeschichte bei hartem Gestein eingesetzt, um sein Gefüge aufzulockern. Da sich die Hitze kreisrund ausbreitet, entstehen bei den anschließenden Auffahrungsarbeiten die charakteristischen Wölbungen.

Etwa nach halber Länge der Strecke ändert sich das Profil deutlich. Diese Stelle wird durch einen Absatz im rechten Stoß markiert (4). Von hier aus weitet sich die Strecke nach oben bis zu einer maximalen  Höhe von 2,7 m. Allerdings ist sie dann nur noch 0,6 m schmal. Von der Form her ist die obere Hälfte glatt und rundlich ausgearbeitet, während die untere Hälfte grob und eckig ausgebrochen ist (5). Diese beiden Hälften werden durch einen fortlaufenden Absatz (6) getrennt, der sich bis in die Abbauweite nachverfolgen lässt. Die unterschiedlichen Ausformungen der oberen und unteren Streckenhälfte lassen darauf schließen, dass sie durch verschiedene Techniken aufgefahren wurden. Da die obere Hälfte mit ihrem glatten und rundlichen Profil dem ersten Teil des Querschlages ähnelt, lässt den Schluss zu, dass beide Teile in einem Zug aufgefahren wurden. Die untere Hälfte muss zu einem späteren Zeitpunkt nachgerissen worden sein, als sich die Anforderungen oder die Auffahrungstechnik verändert haben. Daraus resultiert der durchlaufende Absatz, der als Relikt der früheren Sohle stehengeblieben ist.

Kurz vor der Einmündung in die Abbauweite wurde auf dem Absatz eine Bühne (7) errichtet, die eine späte entstandene Gebirgsfeste stützt. Solche Gebirgsfesten ließ man immer dann stehen, wenn große Hohlräume geschaffen wurden. Dies verringerte die Einsturzgefahr. Darüber hinaus wurde die Bühne genutzt um Versatzmaterial dort abzulegen. Unmittelbar vor der Bergfeste befindet sich ein Durchbruch (8) zu dem großen Hohlraum der Abbauweite. Der Durchbruch markiert die Stelle an der vom Querschlag aus der Hohlraum entstand.

Der durchlaufende Absatz im Querschlag lässt sich bis zu einer unscheinbaren Ortsbrust nachvollziehen (9). Eine solche stellt immer das Ende einer Strecke dar. In diesem Fall war sie jedoch sehr schwer zu erkennen, weil sie durch die spätere Auffahrung der Abbauweite überprägt wurde. Sie ist heute nur noch zur Hälfte erhalten. Kurz vor dieser Ortsbrust der frühen Strecke befindet sich der Zugang zu den mittelalterlichen Prospektionsstrecken (10).

Das niedrige, gerundete Streckenprofil ist typisch für den mittelalterlichem Bergbau. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die zweite Hälfte der Strecke vergrößert, in dem die Sohle nach unten hin geweitet wurde. Dadurch wurde es möglich Wasser von einem tieferen Niveau abzuführen. Dies war erst später notwendig, als der Hohlraum der Abbauweite tiefer und größer aufgefahren wurde und das Wasser nicht mehr über die frühe Strecke ablaufen konnte. Das Wasser wurde somit über den Querschlag zum Rathstiefsten Stollen geleitet, über den es dann durch den Berg ins Tal gelöst wurde.

Ein Überblick über den gesamten Grubenbereich, wo sich der Querschlag befindet, wird in dem Beitrag „Das Erzbergwerk Rammelsberg untertage: Der Bereich der Rohstoffgewinnung „Alte Abbauweite“ gegeben.

Literatur:

K.Malek-Custodis, Die Montanarchäologie in Niedersachsen, Entwicklungen und Perspektiven in einer UNESCO-Welterberegion. Archäologie in Niedersachsen 25, 2022, 79 – 83.

Malek-Custodis, G. Drechsler, Frühe Erzgewinnung am Bergwerk Rammelsberg. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 42.2, 2022, 23 – 29.

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