Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Die Stadt Wilhelmshaven

Von Elke Onnen

Wilhelmshaven - das heißt MARINE. Trotz einer über sechzig prozentigen Kriegszerstörung sind Marinebauten wie Kasernen, Teile der kaiserlichen Marinewerft mit dem Werfttor, einschließlich dem originalem Briefkasten der kaiserlichen Marine, und Marineversorgungsbauten wie der sogenannte Textilhof erhalten - sie prägen bis heute das Stadtbild.

Nach Landerwerb von dem Oldenburgischen Großherzog 1853 richtete Preußen am Jadebusen einen Marinehafen ein. Die Namensgebung von Hafen und der damit entstehenden Stadt „Wilhelmshaven“ erfolgte 1869 durch Kaiser Wilhelm I, damals noch in seiner Funktion als König Wilhelm von Preußen. Nach der Reichsgründung wurde Wilhelmshaven sukzessive als Reichskriegshafen ausgebaut, Hafen und Stadt ständig erweitert. Parallel dazu entwickelten sich auf oldenburgischer Seite die Gemeinden Bant, Neuende und Heppens zu der 1911 selbstständigen Stadt Rüstringen. 1919 wurde auch Wilhelmshaven das Stadtrecht verliehen. Beide Städte wurden erst 1937 zu der heutigen Stadt Wilhelmshaven vereinigt. Die bis dahin bestehende Parallelexistenz führte dazu, dass städtische Einrichtungen wie unter anderem Rathaus und Amtsgericht in beiden Städten errichtet wurden. So gab es bis 1937 auch zwei unabhängige Bauverwaltungen mit den Stadtbauräten Hermann Zopff (Wilhelmshaven) und Martin Wagner (Rüstringen). Das Rüstringer Rathaus, heute Rathaus von Wilhelmshaven, entstand 1928-29 nach den Plänen des international bekannten Architekten Fritz Höger. Dieser schuf mit dem 49m hohen Gebäude ein - im wahrsten Sinne des Wortes – überragendes Baudenkmal.

Die Werftarbeiter sowie Marine- und Zivilbeamte mit ihren Familien benötigten Wohnraum. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung mussten entsprechende Wohnungen und Wohnhäuser gebaut werden, hier beispielsweise die Werftsiedlung Bant. In der Planstadt Wilhelmshaven schuf man ein rasterförmiges Straßennetz in strenger Blockrandbebauung aus drei- bzw. viergeschossigen Mehrfamilienhäusern mit repräsentativen Wohnungen für Offiziere und Zivilbeamte mit ihren Familien und entsprechendem Personal. Trotz der großen Kriegsverluste lassen sich gerade in der Südstadt einige dieser Häuser mit ihren reichdekorierten Fassaden finden, beispiehhaft ist das Gebäude in der Weserstraße 116/Kurze Straße 9. Anfang des 20. Jahrhunderts wich man von diesen strengen Straßenzügen ab. Einen Gegensatz dazu bildeten nun die Häuser in der Mozartstraße 37-47 – individuell gestaltete Wohnhäuser mit unterschiedlich breiten Vorgärten und im rückwärtigen Bereich mit Gartengrundstücken.

Aber Wilhelmshaven ist nicht nur Marine- und Wohnstadt sondern auch Seebad. Am Südstrand schuf Zopff 1928 eine Promenade mit Hotelbauten im Stile der Neuen Sachlichkeit. Hier vermied der Architekt nach seinen eigenen Worten das „Nachbeten alter Stilformen“. Die Zusammenlegung der beiden Städte Rüstringen und Wilhelmshaven war der Auftakt für die größenwahnsinnigen Planungen im Zuge der nationalsozialistischen Rüstungspolitik. Wilhelmshaven sollte zur „Stadt der 500.000“ ausgebaut werden. In diesem Zuge entstanden neue Siedlungen wie die Högersiedlung.

Wegen der großen Kriegszerstörungen waren die ersten Jahre nach 1945 geprägt durch den Wiederaufbau, der keinen Raum für neue Architekturformen zuließ. Erst ab der Mitte der 1950er Jahre entstanden moderne Bauten als Zeichen für den Aufschwung und mehr Lebensqualität - wie die Verwaltungsgebäude an der Paul-Hug-Straße und dann in den 1960er Jahren die Kunsthalle an der Adalbertstraße. Diese als Flaniermeile in den 1870er angelegte Straße gehört zu dem „Grünsystem“ Wilhelmshavens mit dem Stadtpark einschließlich Ehrenfriedhof von Leberecht Migge.

Für die Bevölkerung war auch die kirchliche Versorgung wichtig. In den Gemeinden Heppens und Neuende gab es bereits mittelalterliche Kirchen. Durch die Eingemeindungen von Sengwarden und Fedderwarden kamen später weitere hinzu. In der neuen Stadt entstanden historistische Kirchenbauten wie die Garnisonskirche an der Rheinstraße. Mit St. Peter wurde 1965-67 eine weitere Garnisonskirche nach Entwürfen von Ludger Sunder-Plassmann errichtet, die zu den bedeutendsten Nachkriegskirchen der Region gehört. Ist Wilhelmshaven manchmal auch als „Schlicktown“ verschrien, so lohnt sich ein Gang durch die Stadt(-geschichte) mit bemerkenswerten Baudenkmalen.

 

Zum Weiterlesen:

Ingo Sommer: Die Stadt der 500.000 – NS-Stadtplanung und Architektur in Wilhelmshaven. Braunschweig/Wiesbaden, 1993.

Hermann Zopff: Architektur in Wilhelmshaven. In: Asche, Kurt (Hrsg): Wilhelmshaven – Kultur und Geschichte am Jadebusen. Oldenburg, 1994, S. 19-29.

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