Steinbeilzeit
Von Michael Geschwinde
Mehr als 30 Jahre hat Norbert Koch aus Remlingen akribisch die Äcker seiner Heimatgemeinde am Südhang des Höhenzuges Asse bei Wolfenbüttel nach archäologischen Funden abgesucht. Überregional bekannt wurde er durch die Entdeckung einer Mauerkammergrabes der Bernburger Kultur, das 1997 vollständig ausgegraben wurde. Seine Sammlung, die zu den größten Privatsammlungen archäologischer Funde in Niedersachsen zählt, hat er jetzt dem NLD zur wissenschaftlichen Bearbeitung übergeben. Danach wird sie im Braunschweigischen Landesmuseum dauerhaft aufbewahrt werden. Die enorme wissenschaftliche Bedeutung dieser Sammlung besteht darin, dass Norbert Koch systematisch seine Fundstellen dokumentierte und von fast allen Steingeräten die Koordinaten ihrer Fundpunkte festgehalten hat. Damit lassen sich minuziöse Kartierungen auf der Grundlage von mehr als tausend Objekte erstellen, die einen detaillierten Überblick über die vorgeschichtliche Besiedlung am Südhang der Asse erlauben. Es handelt sich um einen außerordentlich siedlungsgünstigen Lebensraum, der durch alle Zeiten die Menschen anzog.
Besonders beeindruckend ist der Bestand an überschlägig geschätzt 500 Steinbeilen, Äxten, Mahl- und Klopfsteinen. Vergleichbar umfangreiche Kollektionen sind allenfalls von den fruchtbaren Böden des Leinetals bekannt. Mit seiner gute Ortskenntnis und seinen Kontakte zu den Landwirten konnte Norbert Koch günstige Witterungen ausnutzen und systematisch die Fundstellen intensiv begehen. Die vom Pflug an die Ackeroberfläche gebrachten Steinbeile sind ebenso wie Keramik ein wichtiger Anzeiger für jungsteinzeitliche Siedlungen. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurde fast überall in Norddeutschland der Versuch unternommen, im Rahmen einer „Archäologischen Landesaufnahme“ durch systematische Begehungen und Kartierungen von Oberflächenfunden einen Überblick über die Vorgeschichte der einzelnen Regionen zu gewinnen. Mittlerweile sind solche Lesefunde selten geworden, weil heute weniger tief gepflügt wird, die anstelle der Pflüge eingesetzten Kreiseleggen die Keramik zerschlagen und evtl. vorhandene Steinbeile mechanisch ausgelesen werden. Für viele Regionen zeichnet sich aber wohl auch eine Erschöpfung des Bestandes an Fundmaterial ab, das noch in den Äckern verborgen liegt – archäologische Funde gehören zu den nicht-nachwachsenden Ressourcen. In Zukunft wird es kaum noch möglich sein, vergleichbare Prospektionsergebnisse zu erzielen.
Ungeahnte Aktualität erhält die Sammlung Koch dadurch, dass von ihr auch Flächen erfasst sind, die für das geplante Atommüllzwischenlager Asse in Anspruch genommen werden. Sie geben damit der archäologischen Denkmalpflege die Daten für eine belastbare Potenzialkartierung dieses Raumes an die Hand, die helfen wird, geeignete archäologische Maßnahmen bereits im Vorfeld durchzuführen.