Das Zünglein an der Waage?
Von Fabian Offermann
Bei Metallsonden-Begehungen nahe der Drawehner Jeetzel in Lüchow konnte das Fragment einer mittelalterlichen Münzwaage geortet und anschließend geborgen werden. Der Fund wurde dem NLD Lüneburg gemeldet und zur Dokumentation und Identifikation übergeben. Dabei erwies sich die korrekte Ansprache des Fundes zunächst als relativ schwierig, denn wie in vielen solchen Fällen gab es nur wenige hilfreiche Informationen zu den Fundumständen. Anders als bei einer Ausgrabung fehlt bei Sondengängerfunden in der Regel der Bezug zu einem archäologischen Befund, der häufig dabei hilft, den Interpretationsraum bei der Fundbestimmung einzugrenzen. Handelt es sich dann auch noch um ein nur fragmentarisch erhaltenes und komplexes mechanisches Bauteil, welches nicht allzu häufig vorkommt, so sind die Interpretationsmöglichkeiten mannigfaltig und es muss sozusagen in alle Richtungen ermittelt werden.
Dennoch konnte das Fragment schließlich als Waagebalken einer gleicharmigen Waage identifiziert werden. Anders als bei den mittelalterlichen Klappwaagen wurden der gesamte Waagebalken sowie der Zeiger aus einem einzigen Guss gefertigt. Die beiden Enden des Balkens und der Zeiger, auch Zunge genannt, sind stark verbogen. Der Querschnitt des Zeigers ist zunächst rechteckig und wird zur Spitze hin zunehmend runder und dünner. Mit seiner beachtlichen Länge von ca. 8,5 cm erscheint der Zeiger im Verhältnis zum Balken auffallend groß gefertigt worden zu sein.
Die Form des Waagebalkens ist ebenfalls rechteckig. Er wird an den Enden zunehmend flacher und endet schließlich in blattförmigen Ausformungen, von denen leider nur noch eine erhalten ist. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich um eine gleicharmige Waage handelt und die Spitze der blattförmigen Ausformung das Ende des Balkens markiert, dann müsste der gesamte Balken in etwa dieselbe Länge gehabt haben wie der Zeiger. In der Mitte des Zeigers befindet sich eine Bohrung von 0,4 cm Durchmesser, welche dazu diente den Balken in der sogenannten Gabel oder Schere zu lagern. Doch gerade durch das Fehlen jener Gabel müssen leider einige Fragen zu dieser ungewöhnlichen Konstruktion unbeantwortet bleiben.
Literatur:
Steuer 1997: Waagen und Gewichte aus dem mittelalterlichen Schleswig. Funde des 11. Bis 13. Jahrhunderts aus Europa als Quellen zur Handels- und Währungsgeschichte. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 10, 1997
R. Jenemann 1995: Die Geschichte der Waage im Mittelalter. Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der Naturwissenschaften, Technik und Medizin, Bd. 3. Basel 1995, S. 145-166.