Das Erzbergwerk Rammelsberg untertage: Der Bereich der Rohstoffgewinnung „Alte Abbauweite“
Von Katharina Malek-Custodis
Das Erzbergwerk Rammelsberg, ein Bestandteil des UNESCO Weltkulturerbes im Harz, präsentiert sich heute als ein einheitliches Ensemble am Rand der Stadt Goslar. Historisch betrachtet ist dies jedoch nicht ganz korrekt. Der Berg wurde im Laufe von mindestens 4000 Jahren immer wieder aufgesucht und seine Rohstoffe wie Kupfer, später Silber u.a. entlang des Lagerstättenausbisses an verschiedenen Stellen ausgebeutet. Dies erfolgte zunächst von übertage bis dann im Mittelalter – der genaue Zeitpunkt ist immer noch Gegenstand von Untersuchungen – der Wechsel nach untertage stattfand. Bis in die Neuzeit hinein wuchsen die zahlreichen Gruben am Rammelsberg schließlich zu dem zusammen, was wir heute als ein Erzbergwerk bezeichnen. Auch wenn die Geschichte des Bergwerkes auf der einen Seite recht gut erforscht erscheint, offenbaren sich bei genauen Hinsehen, jedoch viele offene Fragen. Dies gilt besonders für die frühen Zeitperioden mit keiner beziehungsweise nur sehr spärlicher schriftlicher Überlieferung. Dieser Umstand, die Feststellung, dass die letzte zusammenfassende Bearbeitung der Archivalien zum Rammelsberg von Wilhelm Bornhard aus dem Jahre 1931 stammt, montanarchäologische Untersuchungen untertage nicht stattgefunden haben sowie der Zuwachs an neuen allgemeinen Erkenntnissen in den letzten Jahrzehnten führten schließlich zu Beantragung eines Forschungsvorhabens mit dem Titel: „Altbergbau 3D. Ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung des montanhistorischen Erbes im Harz“ in der E-Heritage Richtlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. An dem Forschungsverbund beteiligten sich die Arbeitsgruppe Markscheiderisches Wesen des Institute of Geoengineering der Technischen Universität Clausthal, das Weltkulturerbe Rammelsberg – Museum & Besucherbergwerk sowie die Arbeitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege. Unterstützt wurde das Vorhaben durch die Stiftung Welterbe im Harz und die Bergbau Goslar GmbH als Alteigentümerin des Bergwerkes.
Im Rahmen der zwischen 2018 und 2021 laufenden Untersuchungen wurden im ersten Projektteil ausgewählte Bereiche des Rammelsberges untertage dreidimensional aufgenommen, vor Ort und am Modell archäologisch untersucht sowie anhand historischer Quellen betrachtet. Es handelte sich dabei sowohl um Hohlräume, die der Wasserhaltung dienten, als auch solche, bei denen die Rohstoffgewinnung im Fokus stand. Zum letzteren zählt der Bereich der sog. „Alten Abbauweite“. Innerhalb des Rammelsberges ist der Bereich bereits am äußersten Ende des massiven Erzkörpers „Altes Lager“ zu verorten. Es handelt sich um einen großen Komplex bestehend aus einer Weitung auf die Strecken zu- und abführen. Der Zugang (1) zu diesem Bereich erfolgt vom Rathstiefsten Stollen über einen Querschlag (2), d.h. eine quer zum Rathstiefsten Stollen verlaufende Strecke, die aufgrund ihrer Form zwei Auffahrungsphasen zeigt. Der Querschlag mündet in der Weitung (4,5) von der es direkt nach oben in die Prospektionsstrecken (3) geht. Der Querschlag wie auch die Prospektionsstrecken stellen den ältesten Bereich dar. Sie dienten im Mittelalter der Erkundung auf Abbauwürdigkeit, denn zu dieser Zeit war die genaue Ausdehnung des „Alten Lagers“ nicht bekannt. Von den oberen Teil der Weitung (5) zweigt die Ockerschlammstrecke ab (6). Es handelt sich hier um eine Strecke, deren Anfangsbereich gewisse Ähnlichkeiten mit den Prospektionsstrecken aufweist und daher wohl auch eine ältere Phase andeutet, die in späteren Zeiten überprägt worden ist. Im unteren Bereich der Weitung (4) führt aus der Weitung der Herzberger Suchort (7) heraus, der aufgefahren wurde, als die Weitung bereits über einen längeren Zeitraum offen gestanden hat.
Insgesamt dokumentiert dieser Bereich über 1000 Jahre Bergbauaktivität, die zurzeit detailliert zur Publikation vorbereitet werden. Die jeweiligen Elemente mit genauerer Erläuterung werden dabei sukzessive auch im Denkmalatlas vorgestellt.
Literatur:
K. Malek-Custodis, G. Drechsler, A. Schmidt-Händel, W. Hannemann, T. Schäfer, H.-G. Dettmer, Untersuchungen zur Erzgewinnung im Rammelsberg und Auswertung des historischen Tischmodells der Oberharzer Wasserwirtschaft im Rahmen des Vorhabens „Altbergbau 3D. Ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung des montanhistorischen Erbes im Harz“. Der Anschnitt 73, H. 6, 2021, 279 – 296.