Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Wesermarsch
Der Landkreis Wesermarsch mit seinen über 1400 Baudenkmalen liegt zwischen den Mündungen von Weser und Jade. Ein beträchtlicher Teil des Landes befindet sich unter dem Meeresspiegel, und von daher verwundert es nicht, dass die Geschichte der Wesermarsch durch einen ständigen Kampf gegen die häufigen Sturmfluten geprägt ist. Andererseits hat das Wasser immer auch die Grundlage für den Wohlstand gebildet: sowohl für die Landwirtschaft auf dem fruchtbaren Marschland als auch für die Schifffahrt, wo an der Unterweser Elsfleth, Brake und später auch Nordenham günstig gelegene Hafenorte sind.
Brake, eine Neugründung aus der Zeit kurz vor 1800, lässt in mehreren Straßen noch den Charme einer kleinen Hafenstadt des 19. Jahrhunderts spüren, vor allem in der Lindenstraße, der Mitteldeichstraße und der Schulstraße. Von den Braker Handelshäusern sind die beiden in der Breite Straße 9 und 7 die ältesten und interessantesten. Von den vielen Wohnhäusern wohlhabender Reeder verdienen die Villa Oltmanns und die Villa Plaßmann hervorgehoben zu werden.
Durch die fortwährende Modernisierung ist von den älteren Häfen, Leuchttürmen, Sielen und Deichen nur ein Bruchteil erhalten. Ein gut erhaltener, kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts neu angelegter Sielhafen ist Fedderwardersiel mit seiner Hafenbebauung. Von den älteren Sielbauwerken vermittelt das Käseburger Siel in Kirchhammelwarden einen Eindruck, vom Aussehen der historischen Deiche das Deichschart am Abserdeich in Rodenkirchen, und unter den Pumpwerken ist wohl das Schweier Pumpwerk von 1931 in expressionistischer Formensprache das markanteste.
Die Moore im Hinterland waren früher viel ausgedehnter und sind zum Teil schon früh landwirtschaftlich erschlossen worden. Über etwa sechzehn Kilometer erstreckt sich das schon im 11. Jahrhundert gegründete Moorriem, das damit die größte Marschhufensiedlung Europas ist. Auf schmalen, extrem langgestreckten Parzellen liegen in Abständen von etwa 50 bis 100 Metern an der Ortsstraße die Hofstellen auf Wurten. Besonders geschlossene Reihen von Hallenhäusern und Nebengebäuden des 18. und 19. Jahrhunderts findet man in Teilen der Moorriemer Ortsteile Neuenbrok, Dalsper und Huntorf.
Neben dem Hallenhaus, wie es die Höfe Moorriems und vieler anderer Orte prägt, herrscht im Nordteil der Wesermarsch das friesische Gulfhaus vor. Die Wesermarsch liegt genau auf der Grenze zwischen dem sächsischen Gebiet im Süden und dem friesischen im Norden. Drei der ältesten erhaltenen Gulfhäuser stehen in Golzwarden (Schmalenflether Straße 6 und Raiffeisenstraße 14) und Iffens. Anders als die Hallenhäuser haben die Gulfhäuser und Gulfscheunen fast immer Backsteinaußenwände. Eine große Ausnahme ist die Fachwerkgulfscheune auf dem Hof Moorseiter Straße 31 in Großenmeer.
Während der Südteil der Wesermarsch schon im 13. Jahrhundert oldenburgisch wurde, konnte der friesische Nordteil erst 1514 in das Oldenburger Herrschaftsgebiet eingegliedert werden. Die Grafen gründeten nun Ovelgönne als Verwaltungsmittelpunkt, das aber nie eine größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat, ein Umstand, dem der Ort ein geschlossenes Ortsbild mit zahlreichen Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert verdankt.
Wie vielerorts sind die ältesten Baudenkmale der Wesermarsch mittelalterliche Kirchen. Die zwei größten und aufwändigsten romanischen Kirchen stehen in Berne und Rodenkirchen, beide mit künstlerisch hochstehenden Neuausstattungen des 17. Jahrhunderts. Unter den vielen frühneuzeitlichen Kirchen sei St. Anna in Eckfleth herausgegriffen, eine Fachwerkkirche von 1620 mit einem wirkungsvollen Innenraum, und unter den modernen Kirchen sticht St. Marien in Brake von 1962-1963 durch seine prägnante Gestaltung hervor, ein Hauptwerk des Cloppenburger Architekten Ludger Sunder-Plassmann. Ein Abstecher in die Wesermarsch lohnt sich allemal!